Das erste Jugendkulturfestival von 1997 auf dem Barfi.
Das erste Jugendkulturfestival von 1997 auf dem Barfi.
  • Christian Platz
  • Aktualisiert am

20 Jahre Jugendkulturfestival JKF: Die Reise in der wilden, lauten «Zeitmaschine»

1997 wurde das erste Jugendkulturfestival durchgeführt. Es war eine Pioniertat, die mit viel Herzblut und Wagemut angerichtet wurde. Das JKF, wie es inzwischen heisst, feiert kommendes Wochenende sein 20-Jahre-Jubiläum. Zeit, zurückzuschauen: Der Bericht eines Autors, der schon ganz am Anfang dabei war.

Meyer, Kim, Strebel

Am Anfang stehen drei Namen: Klaus Meyer, Theo Kim, Thomas Strebel. Strebel ist ein Tonmeister, Sound Designer und Rockmusiker-Dinosaurier, der schon in unzähligen Ländern für den guten Ton gesorgt, ein Basler, der auf seine ganz bescheidene und fachmännische Art eine unglaubliche internationale Karriere hingelegt hat. Klaus Meyer ist ein Urgestein der Basler Sozial- und Jugendarbeit, der in den Jugendunruhen der frühen 1980er genauso am Puls der Jugend agierte, wie er später im gesellschaftspolitischen Kampf um saubere Spritzen, Aids Prävention und Opiatabgabe an schwer Heroinsüchtige an vorderster Front stand.

«wake up»

Meyer machte im Rahmen seiner Firma «wake up» in den 1990er Jahre mit Präventionsprojekten Furore, die ehrlich und ungeschminkt daherkamen, die Akteurinnen und Akteure der damals aktuellen Jugendkultur – vor allem Rapper und Rockmusiker – ganz direkt und massgebend ins Geschehen einbezogen. Kim war ein Organisationstalent und übernahm, als «wake up» immer stärker wuchs, die Geschäftsführungsaufgaben der Firma.

1997, das erste Jahr

1997 war für die Basler Szene ein interessantes Jahr. Im Jahr zuvor wurde das Clubfestival «BScene» erfunden, in Kreisen des damaligen Rockfördervereins, er schrieb sich übrigens «erreffvau», solche Exzentrizitäten waren in den 1990-igern, als die Welt noch nicht stromlinienförmig war, durchaus erlaubt. Organisiert hatte es ein Team um Patrik Aellig, der damals im Sommercasino seinen Zivildienst ableistete. In einem Haus also, das erst kurz vorher, von seinem damaligen Leiter, George Hennig, radikal und strategisch geschickt, von einem BFA-Jugendhaus in ein eigentliches BFA-Rockhaus umgewandelt worden war. Gleichzeitig, dies nur am Rande, war es auch das Jahr, in dem in Basel der grosse Hanfladen-Boom begann.

Ein Korn auf reichem Boden

In den 1990-iger Jahren vermischten sich Musikstile, deren Exponenten vorher nichts voneinander wissen wollten: Rock, Rap, Metal und elektronische Musik begannen sich gegenseitig zu befruchten, gleichzeitig war diese Jahrzehnt auch die grosse Zeit des «Grunge». 1997 gab einen guten Boden ab, für die Idee, in Basel ein grosses Jugendkulturfestival auf die Beine zu stellen, das einem – für seine Zeit – neuen, abenteuerlichen, pionierhaften Konzept beruhte.

«Plattform», das Wort war damals noch neu

Meyer, Kym und Strebel entwickelten – mit grosser Begeisterung – die Idee eines Jugendkulturfestivals, das an einem Wochenende die ganze Basler Innerstadt in ein Paradies für junge Kulturschaffende verwandeln sollte. Und sie hatten die Kraft, dieses dicke Paket in die Realität zu senden. Sie mobilisierten dafür alles, was in Basel Rang und Namen hatte, gewannen Sympathien in der Politik, bei den Medien, bei Möglichmacherinnen und -machern aller Couleur. Das Ganze wurde – genauso wie heute – unter dem Wort «Plattform» verkauft, das ja inzwischen etabliert und ein bisschen langweilig ist, damals war es brandneu.

«Prince des Neiges»

So bauten die Initianten und viele andere mit Feuereifer an dieser Plattform für Jugendkultur, bei der am Ende 3'000 Jugendliche als Mitwirkende – in irgendeiner Form – dabei waren, Abertausende als Publikum, vom 6. bis zum 8. Juni 1997. Im Vorfeld wurde ein Festivalsong aufgenommen: «Prince des Neiges», geschrieben und gesungen von Bettina Schelker, mit ganz vielen Gastmusikerinnen und -musikern, Rapperinnen und Rappern. Die Ad-Hoc-Band nannte sich «Schöness de Bâle» – alle aus der regionalen Szene stammend, produziert wurde der Song von Strebel.

Der Auftritt dieser Formation am Festival war dann ein Höhepunkt dreier Tage, die eigentlich nur aus Höhepunkten bestanden. Meyer, Kym, Strebel hatten den Stein ins Rollen gebracht, Überzeugungsarbeit geleistet, Bewilligungshürden überwunden – und ein wildes verrücktes Fest geschaffen, dass es so noch nie – und inzwischen nie mehr gegeben – hat. Mode, Kunst, Musik, Global Villages, Film, Sonderausgaben der «Basler Zeitung», mit Jugendlichen zusammen erarbeitet. Das Ding war genre-übergreifend, abgefahren, verrückt (wie seine Macher) und: verdammt laut!

«Frischblut-Infusion»

Der Autor dieser Zeilen hatte es damals in der BaZ folgendermassen beschrieben: «Hier ging es nicht um Namen, sondern um die Sache. Hoffentlich haben das alle begriffen, und hoffentlich gibt’s bald wieder so eine Frischblut-Infusion für die alte Stadt».  Es gab eine zweite Ausgabe, im Jahr 2000, die noch fulminanter, grösser, teurer war, die fast im Konkurs geendet hätte. «wake up» konnte diesen allerdings abwenden, in mühsamer Kleinarbeit. Und hätte für eine dritte Ausgabe in den Startlöchern gestanden.

Auftritt: Tobit Schäfer und Co.

Nummer drei wurde dann allerdings nicht mehr durch «wake up» angerichtet, sondern von einer eifrigen jungen Gruppe um den heutigen SP-Grossrat Tobit Schäfer und seine Firma «Die Organisation». Wie dieser Übergang genau zustande gekommen ist, kann bis heute nicht richtig festgemacht werden, einige reden von einem natürlichen Vorgang, andere von einer feindlichen Übernahme, einige nennen es politische Entscheidung, andere sprechen vom Latrinenweg. Jedenfalls: die Gründergeneration war (und ist) nicht besonders glücklich mit dieser Entwicklung.

Rückenwind aus der etablierten Politik

Tobit Schäfer, der bald darauf auch beim BScene-Festival und beim Rockförderverein, den man heute nur noch «RFV» nennen darf, sowie bei «Kulturstadt Jetzt» eine prägende und entscheidende Rolle spielen sollte, formte aus dem wilden «Jugendkulturfestival» die leicht geglättete Erfolgsmarke «JKF». Dies mit viel Rückenwind aus der etablierten Politik. Seither wurde das Festival immer wieder von neuen jungen Erwachsenen auf die Beine gestellt (einige Zeit stand sie noch unter Schäfers Protektorat), was ja auch Sinn macht. Obwohl die Erfinder dieses Basler Kultur-Plattformenbaus durchaus schon in ihren tiefen Vierzigern waren, damals, als das Festival erfunden wurde – und dieser Umstand den Inhalten der originären, wilden Jugendkultur keinen Abbruch tat, ganz im Gegenteil.

Ecken und Kanten eingebüsst

Schäfer und seine Leute formten das Ganze zu einem praktisch handhabbaren Anlass (professionell wie seine Macher), der immer wieder durchgeführt werden kann, dabei büssten sie – bedauerlicherweise – einiges an Ecken, Kanten und wildem Charme ein. Dafür bauten sie eine organisatorisch geschliffene Struktur auf, die nun von neuen Generationen immer wieder übernommen werden kann – so wie dies ja auch beim BScene-Festival und – vielleicht – auch beim RFV der Fall ist.

Filmemacher Stephan Laur (links aussen) und die Videogruppe des ersten Festivals.

Sehr gute Szenenarbeit

Dieses Jahr wirken am JKF etwas über 1'600 Jugendliche mit. Es wurde im Vorfeld sehr gute Szenenarbeit geleistet, die jetzigen Veranstalterinnen und Veranstalter wissen definitiv, was sie tun. Theater, Live-Musik, elektronische Musik, Filme und so weiter. Alles ist da. Das Programmheft ist ein wenig an den grafischen Stil der 1990er Jahre angelehnt, auf dem Münsterplatz wird eine «Zeitmaschine» stehen, in der ein Film über die erste Ausgabe vor 20 Jahren gezeigt wird, den der Basler Filmemacher Stephan Laur damals mit einer jungen Gruppe zusammen gedreht hat. Das Programm ist vielfältig und geschickt angerichtet.

Dabei ist es schön, dass die jetzigen Macherinnen und Macher die Ursprünge ihres Festivals nicht vergessen. Denn man kann es nicht genug betonen – ohne die Herren Meyer, Kim, Strebel, ohne ihre Visionen und ihr Durchhaltevermögen, mit einer – und gegen eine – Politik, die damals nicht so leicht für derartige Anliegen zu gewinnen war, wäre das nichts geworden.

Sie haben damals das Risiko auf sich genommen und – gegen viele Schwarzseher und Unkenrufe gewonnen. Es war ein langer Weg. Und er ist immer noch nicht zu Ende.

Hier finden Sie das gesamte Programm des JKF 2017