• Jonas Egli
  • Aktualisiert am

Abgelehnt, verschmäht, verdrängt: Die vergessene Tramlinie

Die BLT-Linie 17 fristet ein Schattendasein, die Stadt wollte retten. Ideen gab es genug, sogar eine ganz grosse. Das Volk aber versenkte bisher sämtliche Ambitionen gnadenlos an der Urne. Bald folgt im Klybeck der dritte Teil der bisherigen Leidensgeschichte. Droht wieder ein Referendum?

Heute Dienstag findet die vierte Informationsveranstaltung zum Klybeck-Quartier statt. Dabei geht eines gerne vergessen: Im Zuge des städtischen Ausbaus könnten die Baslerinnen und Basler wieder in den Genuss kommen, über das Schicksal der Tramlinie 17 bestimmen zu müssen. Es wäre bereits das dritte Mal.

Chronologie einer Verdrängung

Ab 1975 verband die Linie 17 noch unter der Flagge der Birsigtalbahn Rodersdorf mit der Heuwaage, bis 1986 die Linie 10 diese Strecke teilweise übernahm. Es war der Beginn einer Marginalisierung des 17ers. Seither dient er vornehmlich der Entlastung anderer Verbindungen. Als der 8er mit der Verlängerung nach Weil Ende 2014 zum «Schnäppchen-Express» wurde und kurz darauf eine Taktverdichtung spendiert bekam, verlor die Linie 17 endgültig an Bedeutung.

Ihre erste lebenserhaltende Chance hatte die Linie 17 aber bereits zuvor verpasst: Im Mai 2014 entschied sich das Basler Stimmvolk gegen eine Tramanbindung des Erlenmattquartiers. 68 Millionen für 1.2 Kilometer Tram, nur, um ein einziges Quartier zu versorgen? Zu viel, fand das Volk und nahm das Referendum an. Doch die Linie durch das neue Quartier war lediglich ein kleiner Teil eines weitaus grösseren Plans: Dass auch das nahegelegene Klybeckquartier dereinst in den Genuss einer verbesserten Anbindung kommen sollte, war darin eigentlich bereits vorgesehen. Und auch, dass dieses Tram künftig über die Johanniterbrücke zum Bahnhof SBB führen würde, um die stark ausgelastete Buslinie 30 zu ersetzen. Dafür hätte die Linie 17 aber zuerst an den Bahnhof angebunden werden müssen und darüber wusste der Bürger an der Urne nicht Bescheid.

Ghaue-n-oder-gstoche: Ein Stich ins Herz

Hätte, hätte, Fahrradkette: das Velo die Alternative? Denn diesen Sommer erhielt die Linie 17 eine weitere Absage. Die Nachbarn sagten nach einem umkämpften Referendum «Nein!» zum Margarethenstich und damit auch zur Verbindung der mittlerweile bedauernswerten Tramlinie mit dem Hauptbahnhof. Allen voran die stadtnahen Gemeinden zeigten dies deutlich, man fürchtete sich vor Stau. Die Wählerschaft in Baselland sah nicht ein, warum sie 7.3 Millionen für eine Tramlinie aufbringen sollte, die auf ihrer Seite der Grenze kaum Gewinn bringt. Es ging stattdessen um so gewichtige Argumente wie der bei einem «Ja» vielleicht notwendigen Umsiedlung von Quendelschnecken. Somit führte auch dieser Teil des Plans zum Referendum und war kurz darauf Geschichte. Der dritte und letzte Teil wird die Linie über den Riehenring zum Wiesenkreisel sein, welcher in einem Bogen gen Norden entlang dem bestehenden Zugkorridor durch die Parzelle an der Mauerstrasse zur bestehenden Haltestelle Ciba führen soll. Dieses Teilstück von der Brombacher- bis zur Klybeckstrasse ist das Klybecktram.

Und ewig grüsst das Referendum 

Das Projekt weckt Erinnerungen: Die Strecke zwischen den Arealen 3 und 6 wäre ziemlich genau gleich lang wie damals die Linie durch die Erlenstrasse vom Badischen Bahnhof zum Riehenring: nämlich 1,2 Kilometer. Die Schienen werden im Klybeck kaum wesentlich günstiger sein als im Erlenmattquartier, wieder geht es bei ungenauem Hinsehen scheinbar um den Anschluss eines einzigen Quartiers. Ein erneutes Referendum droht.

Anfang 2018 gibt der Bund bekannt, ob es sich beim Klybecktram um ein «A-Projekt» handelt, wie es von der Region Basel eingereicht wurde. Davon hängt die Finanzierung massgeblich ab. Für ein Projekt der Stufe A gibt es bis zu 50 Prozent Kostenbeteiligung aus Bern, in Basel seien es erfahrungsgemäss 30 Prozent, wie Rainer Franzen erklärt. Der Margarethenstich erfüllte die Bedingungen eines «dringlichen Agglomerations-Verkehrsprojekts», wie auch die Erlenmattlinie. Franzen betreut beim Amt für Mobilität die städtische Tramnetzentwicklung. «Das Klybecktram ist praktisch unausweichlich», das ist für Franzen klar.

Er war zu Zeiten der Erlenmattlinie noch nicht in dieser Funktion, doch Franzen hält daran fest: «Ein neues Gebiet muss auch erschlossen werden, sonst ist es nicht attraktiv. Man kann nicht die Leute einziehen lassen und diese müssen dann fünf Jahre auf den ÖV warten. Das muss man von Beginn weg in die Wege leiten, bevor eine aktive Entwicklung stattfindet.»

Bild: Klybeckplus

Die Öffentlichkeit nicht erst beim Referendum einbeziehen

Dazu müsse man die Öffentlichkeit einbeziehen: «Man muss natürlich der Bevölkerung auch erklären, was der Nutzen eines solchen Projekts ist.» Eingriffe wie diese haben kaskadische Auswirkungen, welche kommuniziert werden müssten. Das wurde beim Margarethenstich verpasst.

Das Bau- und Verkehrsdepartement dementiert allerdings, dass diese Linienführung vom 17er hätte bedient werden sollen oder können. Das Klybecktram sei etwas anders. Der Blick auf die Karte zeigt jedoch: Hätten die zwei Vorprojekte Anklang gefunden, wäre ein anderer Schluss kaum zu ziehen gewesen. Wäre alles von Anfang an nach Plan gelaufen, hätte die Tramlinie 17 am Ende gleich zwei aufstrebende Quartiere mit zwei Bahnhöfen verbunden und die Linie über die Johanniterbrücke gestartet. Die Stadt hatte grosse Pläne, aber niemandem etwas davon erzählt. Vergangene Abstimmungen wurden jeweils nur zu den Teilstücken geführt und der Gesamtplan blieb merkwürdig im Hintergrund. Franzen gibt zu Bedenken, dass dies nicht Sache seines Amtes sei: «Die Fachdisziplinen wollen nicht in den Abstimmungskampf eingreifen». Heute um 19 Uhr findet die nächste Informationsveranstaltung im Personalrestaurant Klybeck an der Mauerstrasse 1 statt. Der ursprüngliche Plan ist gescheitert und es wäre an der Zeit, die langfristige Perspektive zu kommunizieren. Denn laut Rainer Franzen ist nicht klar, was geschieht, falls auch dieser letzte Abschnitt dem Fallbeil zum Opfer fällt: «Dann muss man schauen.»

Weitere Titelgeschichten finden Sie in den News Basel.