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  • Jonas Egli
  • Aktualisiert am

Als Fotos noch einen Geruch hatten: Polaroid wird heute 70

Die Bilder, welche die klobige Kamera ausspuckte, genügten kaum hohen Qualitätsansprüchen. Das war aber egal: Denn Polaroids waren Sofortbilder, momentane Intimität, sofort entwickelt. Was heute das Selfie ist, war schon immer das Polaroid. Heute feiert die Marke ihren Siebzigsten – wirklich tot war der Kult darum aber nie.

Vor genau 70 Jahren präsentierte Edwin H. Land die Technologie, welche die Dunkelkammer in den Film selbst integrierte. Fotografieren war plötzlich sehr viel schneller, billiger und einfacher. Selbst Oma konnte damit Bilder schiessen. Polaroid löste eine gewaltige Bilderlawine aus. Man schoss wild drauflos, die Bilder stapelten sich wie Pfannkuchen und überdeckten ganze Wände in Teenager-Zimmern.

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Ein Freak unter Bildern

Nichts kann aber darüber hinwegtäuschen: Was die Firma bei Künstlern und Privaten so beliebt machte, verunmöglichte ihren Erfolg bei professionellen Nutzern. Polaroid blieb der Freak unter den Bildtechnologien. Doch Bildqualität und Motiv spielen für Amateure in der Regel keine Rolle. Im Gegenteil: Es geht immer um die spezielle Persönlichkeit der Sofortbilder, die später Instagram und Co. übernahmen. Oder zu übernehmen versuchten.

Denn die krude Technologie waschechter Polaroids überzieht alles mit einer sofortigen Aura der Vergangenheit. Die Bilder wirken, als ob sie vor Jahrzehnten geschossen wurden. Auch wenn es erst gestern Abend an der Geburtstagsfeier war.

Bild via photospolaroid.tumblr.com

Gegenüber der stillen Technologie, die in Smartphones steckt, erscheint die Sofortbildkamera wie ein offenes Buch. Der ganze Prozess ist sicht-, hör- und riechbar. KlackZurr und stink. Der fahle Eierschalengeruch gehörte zum Bild wie die Chemieresten, die das Gesicht der Abgebildeten auffressen wollen. Und man musste wedeln.

Selbst Ike Turner, Mick Jagger, Tina Turner und Keith Richards wirken auf dem Sofortbild nicht wie Stars. Bild via realpolaroids.tumblr.com

Diese entrückte Optik macht, dass Polaroids so privat wirken. Sie sind die Menschen unter den Dingen. Und ein Portrait mit einer Notiz auf dem typischen Rand, einem Glückwunsch oder einer Telefonnummer, macht das Bild zusätzlich zum Träger einer persönlichen Geschichte. Jeder WG-Kühlschrank, der was auf sich hält, ist noch heute mit den weissgeränderten, pastellfarbenen Gesichtern aller Besucher verziert. 

Bild: Andrei Tarkovsky via photospolaroid.tumblr.com

Inzwischen hat sich das Verhältnis aber wieder umgekehrt. Gegenüber einem Smartphone mit Retro-Foto-App sind Polaroids umständlich, unflexibel, langsam und teuer. Die hippe Jugend hingegen greift immer noch zu instand gestellten Ur-Maschinen, die neuerlich den Handel wieder erobern.

Fotos, auf denen alles Schöne sofort verblasst

Wir schiessen mit dem Smartphone noch mehr Bilder, jeder scheinbar gewichtige Moment wird dokumentiert, automatisch aufgehübscht und der Kühlschrank heisst heute tumblr. Und doch ist das Sofortbild etwas anderes. Ein Polaroid bezog seinen Charme immer daraus, nichtige Motive zu sammeln und diese auch so aussehen zu lassen. Oder gar wichtige Momente in ganz banale zu verwandeln. Nichts ist mehr schick, nichts ist mehr perfekt, nachdem es aus der Polaroid-Kamera kommt. Deswegen fühlen wir uns ihnen so nah.

Bild: clarkeeeee.tumblr.com

Heute gibt es unzählige Webseiten die nicht anderes tun als altevergilbte Fotos zu sammeln. Es gab ein Projekt, welches 2008 die letzte Produktionsanlage der insolventen Firma kaufen wollte. Stattdessen werden aufgearbeitete Originale verkauft, Fujifilm bietet ähnliche Sofortbildkameras an, ja: sie sind wieder da. Denn über Polaroid werden wir zum Glück wohl nie hinwegkommen.

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