Littering-Polizei und Striche auf dem Boden. Damit woll wieder Ruhe und Ordnung einkehren. Bild: Keystone
Littering-Polizei und Striche auf dem Boden. Damit woll wieder Ruhe und Ordnung einkehren. Bild: Keystone
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Basel gegen die Spassgesellschaft: Mit Littering-Polizei, Wegweisungen und exotischen Bussen

Die Spassgesellschaft bringt Lärm und Dreck. Aber irgendwo hört der Spass auf. Mit einer «Littering-Polizei», Wegweisungen im Polizeigesetz und einer Sperrzone im Kleinbasel will die Stadt gegen die schlimmsten Auswüchse vorgehen. Und übertreibt beim Bussenkatalog.

An der Rhein- und Ochsengasse im Kleinbasel gibt es Piktogramme und Striche auf dem Boden. Sie sollen verhindern, dass die Prostituierten sich zu sehr aufdrängen. Die «Toleranzzone» soll Anwohner und Gewerbetreibende vor den Frauen schützen. Damit wollte Polizeidirektor Baschi Dürr allen das Leben leichter machen. Während des Europa-League-Finals zwischen Liverpool und Sevilla wurde das Gebiet rund um das Joggeli im letzten Mai zur Sperrzone. Das sind aber Ausnahmen. Zwar war Basel eine der ersten Städte, die den «Wegweisungsartikel» anfangs der Nuller Jahre einführte, aber man mache nur sehr sparsam Gebrauch von der Strafnorm, sagt Toprak Yerguz auf Anfrage von barfi.ch. Er sagt: «Die Kantonspolizei Basel-Stadt will damit keine City-Pflege vollziehen, wie ihr dies auch schon vorgeworfen wurde. Der befristete Platzverweis zeigt sich in seiner Anwendung als taugliches Zwangsmittel, um grössere Gewaltexzesse zwischen Jugendlichen zu verhindern.» 

Um Hot Spots, wie den Basler Bahnhof, muss sich die Polizei auch nicht kümmern. Da der Bahnhof den Schweizer Bundesbahnen (SBB) gehört, schauen dort SBB-Sicherheitsleute zum Rechten und vertreiben die Randständigen, die den Bahnhofplatz als Wohnzimmer betrachten, in dem sie eben ihr Bier trinken. Im letzten Jahr hat die Basler Polizei gerade einmal drei Menschen weggewiesen. Dies sei auch nicht notgedrungen mit einer Verfügung gewesen, sondern könne auch mündlich erfolgt sein, was dann für den Weggewiesenen keine Kostenfolgen gehabt hätte. Einzig, wenn er sich nicht an die Wegweisung halten würde, werde diese schriftlich verfügt, erklärt Toprak Yerguz.

Nicht gegen Randständige gerichtet

Trotzdem: Mit der Ordnung ist es auch Basel ernst. So wird «Wildpinkeln» mit einer Ordnungsbusse von fünfzig Franken bestraft – diese Busse kann aber sogar noch höher ausfallen –, bestraft werden kann auch das «Rumhängen in einem Parkhaus», was im Rest der Schweiz nicht im Bussenkatalog vorkommt. So scheint es, dass die Basler Polizei den Wegweisungsartikel gar nicht unbedingt braucht, da viele Vergehen einzeln geregelt sind. Wer in der Nacht Lärm macht, bis die Polizei kommt, der muss mit einer Busse ab 50 Franken rechnen. Führend in Wegweisungen ist die Zürcher Stadtpolizei, sie spricht bis zu fünfzehn Wegweisungen pro Tag aus, wie die Webseite Grundrechte.ch berichtet. Da genüge es manchmal schon, wenn man sich mit einer Bierdose in den Park Bäckeranlage setzen wolle. Für den Berner Polizeidirektor Reto Nause sind die Wegweisungen ebenfalls ein geradezu geliebtes Mittel, um die Jugend respektive die Spassgesellschaft in den Griff zu kriegen. 

So ist für die Basler Polizei klar, es gehe vor allem darum, eine «Gewaltspirale vor Ort» zu verhindern, meint Yerguz. Zudem sei es das mildere Mittel als etwa eine Verwahrung, die ja soziale Folgen an Schule oder Arbeitsplatz haben könne. Das Ziel sei einfach: «Die polizeiliche Massnahme richtet sich ausdrücklich nicht gegen Randständige oder Interessengruppen irgendwelcher Provenienz. Mit dem präventivpolizeilichen Instrument der Wegweisung sollen vielmehr Verursacherinnen und Verursacher von Gewalt unmittelbar – örtlich und zeitlich bestimmt – weggewiesen werden. Gewalt wird auch im öffentlichen Raum nicht geduldet.» 

Eigene Littering-Polizei

Soweit so gut. Das hört man gerne. Aber letztlich hat man auch in Basel mit dem «Littering-Verbot» und einer eigenen Littering-Polizei versucht, die Dauerparty am Rhein in den Griff zu kriegen. Einen krassen Ausreisser und einen Rückzieher im Umgang mit der Spassgesellschaft erfolgte in Chur. Hier verbot man gleich den Besitz von Alkohol auf der Ausgangsmeile. Da das Rauchen in den Kneipen und Bars ebenfalls verboten war, gerieten die Nachtschwärmer arg in die Bedrouille: Arm mit der Zigarette raus, Arm mit dem Bier drinnen. Allerdings versprach der Polizeikommandant Ueli Caluori, man werde den Artikel «mit Augenmass» umsetzen. Es gehe nur darum «Massenbesäufnisse» zu verhindern. Am Ende liessen sich die Churer die Feierlaune aber nicht verderben. Genausowenig wie die Basler.

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