In der Wohnung im Gellert ist es ruhig, die noch verbliebenen drei Kaminfeger seines Betriebes sind auswärts unterwegs. Zusammen bildet das Trio gerade noch knapp die Hälfte aller Kaminfeger, die Basel geblieben sind. Das Geschäft übernahm er von seinem Vater, wie schon die Generationen zuvor. Als Abt mit siebzehn Jahren in die Lehre ging, waren es rund achtzig hauptberufliche Schlotfeger, doch schon damals warnte ihn sein Vater, dass die Zukunft nicht rosig aussähe. Lieber wäre es ihm gewesen, der Sohn hätte etwas anderes gemacht. Doch Abt wollte Kaminfeger werden und ist es bis heute geblieben. Er spricht überlegt, in kurzen Sätzen, wirkt zufrieden und gelassen, ganz so als mache ihm der langsame Tod seines Berufes nichts aus. Das barfi.ch-Interview.
barfi: Aus den Wohnhäusern steigt heute kaum mehr Rauch auf?
Abt: Meist ist es sowieso Wasserdampf. Diese Anlagen sind heute so optimiert, dass fast kein Dreck mehr oben rauskommt. Alle zwei Jahre werden die Werte ausgemessen und das reicht dann.
Ist Ihr Betrieb dennoch ausgelastet?
Abt: Naja, noch. Es geht halt rückwärts.
Lange Pause
Sagen wir es so: Ich muss einfach niemanden ersetzen, wenn einer pensioniert wird.
Düstere Aussichten für die Zukunft...
Abt: Es braucht wohl irgendwann einfach keine Kaminfeger mehr.
Was führt zum raschen Verschwinden der Glücksbringer?
Abt: Fernwärme und Vorschriften. Primär will man die Ölheizungen loswerden.
Sind die modernen Anlagen schuld?
Abt: Normalerweise werden diese Sachen installiert und man muss alle fünf Jahre vielleicht den Boiler entkalken, das war’s. Viel zu machen gibt’s da nicht mehr. Zudem kommt da nun ein Spezialist und kein Schornsteinfeger.
Der Kaminfeger ist eine mythische Figur. Glück bringt er dem, der ihm begegnet, in schwarzer Kleidung, mit Leiter und Zylinder.
Abt: Den Zylinder tragen sie noch! Das kommt daher, dass wenn man in einer dunklen Estrich steigen musste, gab es da meist kein Licht und die Decke war tief. Der Zylinder war das Frühwarnsystem, bevor man sich den Kopf anschlug. Und so ist es heute noch.
Die Leiter?
Abt: Brauchen wir fast nicht mehr. Auf’s Dach muss man selten, heute kommt man auch von unten gut hin. Cheminées sollte man allerdings schon von oben reinigen.
Weshalb verschwinden die Cheminées?
Abt: Naja, das Problem ist, dass niemand mehr Platz für das Holz hat.
Also in der Stadt?
Abt: Ja. Auf dem Land ist es etwas besser. Da bauen die Leute auch heute selbst noch Holzcheminées in Reihenhäuser ein. Aber irgendwann wird es so sein, dass es für Basel und das Land bis Liestal noch vielleicht zwei Kaminfeger brauchen wird. Also der Boom kommt nicht mehr.
Früher hat man noch mit Holz gekocht.
Abt: Früher ja, das gibt es kaum mehr.
Was ist mit dem Bäcker? Der hat doch den Holzofen?
Abt: Naja, es gibt noch ein paar. Aber nur sehr wenige.
Pause
Abt: Früher haben wir wenigstens noch die Ölheizung der zwei Rettungsschiffe in Basel gewartet und das Theater wärmte einmal eine Kohlenheizung. Auch das Schwimbad Rialto hat mit Kohle das Schwimmwasser erhitzt.Vergangenheit.
Weshalb bringt der Kaminfeger eigentlich Glück?
Abt: Nicht im Lotto, wie manche denken. Es ist ganz einfach: Der Kaminfeger hat Glück gebracht, weil dank ihm das Haus nicht abbrannte.
Haben Sie das schon erlebt, dass jemand eine Anlage zu wenig gewartet hat. Wo Sie dachten noch eine oder zwei Wochen und das ganze Haus hätte Feuer gefangen?
Abt: Ja. Absolut. Wenn es eine Störung gibt, dann verbrennt das Öl nicht richtig und die Rückstände im Kamin können sich entzünden. Das gab es Fälle, wo wir dann sogar die Feuerwehr rufen mussten.
Was ist der grösste Unterschied gegenüber früher, wenn sie heute eine Heizung warten müssen?
Abt: Früher musste man in die Heizungen steigen, heute macht man alles von aussen.
Richtig in den Kessel steigen?
Abt: Ja, bis auf den letzten Zehen. Das war ein wenig unangenehm. Einer stieg rein und der andere hat ihn dann wieder rausgezogen (er lacht). Meist kam man nicht mehr alleine durch die kleine Tür. Solche Kessel gibt es heute nur noch in der Industrie.
Gutes Stichwort: Gibt es nicht in der Industrie noch russige Angelegenheiten, die einen Kaminkehrer benötigen?
Abt: Ja, klar. Aber da kommen wir nicht ran.
Warum nicht?
Abt: Die Kehrichtverbrennung zum Beispiel, die holen ein Team von sechzig Leuten aus dem Ausland, welche das innerhalb einer Woche im Schichtbetrieb putzen. Die schlafen sogar in der Anlage selber. Da haben wir keine Chance.
Mit den acht Chemifääger, die es noch gibt…
Abt: Auch wenn wir zwanzig Leute hätten.
Vermissen Sie das Holzfeuer nicht? Man behauptet doch, elektrische Wärme und Feuerwärme sei nicht vergleichbar. Ist das so?
Abt: Das ist ganz klar nicht dasselbe! Es ist einfach heimeliger und sieht nicht nur schöner aus, ein Holzfeuer hat eine andere Wärme.
Mit den heutigen Heizungen, fehlt der Geruch in der Strasse, der Rauch über den Dächern.
Abt: Also wenn jemand eine Pelletheizung einschaltet, dann riecht man das auch heute in der ganzen Strasse. Die kann man natürlich alle erkennen. Nur, genau das will man nicht mehr in der Luft.
Wie gehen sie heute zur Arbeit?
Abt: Anfangs ging man mit dem Velo zum Kunden, dann mit Töffli und Anhänger und heute braucht es so viel Werkzeug, dass man nur noch mit dem Auto unterwegs ist.
Weniger Heizungen, aber mehr Werkzeug?
Abt: Viel mehr, ja. Früher hat man mit derselben Bürste alle Heizungen geputzt, das ist heute nicht mehr so.
Alles High-Tech?
Abt: Nun «High-Tech» ist es nicht gerade, aber im Vergleich zu früher schon. Da hat man mit der Kerze die Heizung ausgeleuchtet. Oder man hat die Kerze gebraucht, um vor Kohlenmonoxid zu warnen. Wenn die Flamme ausging, musste man den Keller sofort verlassen.
Ist der Job heute also ungefährlich?
Abt: Nein nicht völlig. Kohlenmonoxid entsteht nur bei schlechter Verbrennung. Die Heizungen sind heute sehr komplex und genau. Wenn sie zuwenig Temperatur oder Luftzufuhr haben, dann schalten sie sofort ab. Früher war das schon ein Problem, bei den alten Öfen, dass sich der Keller mit giftigen Gasen gefüllt hat. Aber wir tragen immer noch säurefeste Kleidung, denn im Russ hat es Schwefel und mit dem Schweiss zusammen ergibt das schweflige Säure, welche die Haut reizt und den Stoff zersetzt. Das ist an Gefahren übriggeblieben.
Irgendwann wird es Schornsteinfeger nur noch als Fasnachtsclique geben?
Abt: Vielleicht, die Trommlergruppe «Ruesser» sind ja wirklich als Kaminfeger verkleidet. «Ruesse» ist ein Basler Wort für «Trommeln», ich glaube wegen dem polternden Geräusch, das entsteht wenn man die Kugel durch den Kamin zieht. Möglich, dass es uns eines Tages nur noch als Fasnachtssujet gibt.
Wenn es damals schon nicht rosig aussah, was hat Sie so fasziniert, dennoch Kaminfeger zu werden?
Abt (lachend): Fragen Sie mich etwas einfacheres! Es gibt sicher gewisse Gründe, aber genau kann ich es nicht sagen. Wie wenn man jemanden liebt, aber auch nicht sagen kann, warum. Man tut es einfach.
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