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  • Andreas Schwald
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Basler Fasnacht bald unter der Käseglocke? So steht es um uns als Unesco-Kulturerbe

Die Basler Fasnacht steht kurz davor, offiziell als Kulturerbe der Unesco registriert zu werden. Als immaterielles Gut von besonderem Wert. Nach Jahren der Ungewissheit steht Ende Jahr endlich der Entscheid an.

Unsere Fasnacht ist heilig. Da kann man jeden Fasnächtler fragen. Und der sagt dann auch: Die Fasnacht ist wild. Die Fasnacht ist schön. Sie sprengt Grenzen. Und bald wird unser Fasnächtler wohl auch sagen können: Die Basler Fasnacht ist ein offiziell registriertes Kulturgut der Unesco. Ein Weltkulturerbe, quasi, wenn auch immateriell. Nicht gerade der Taj Mahal in Indien, aber eine Tradition von grosser Bedeutung.

Die Unesco-Sache dauert in Basel nun schon eine gefühlte Ewigkeit. Vor knapp einem Jahrzehnt raffte sich Basel-Stadt dazu auf, die Fasnacht für die Liste der immateriellen Kulturgüter der Unesco vorzuschlagen. Der Anfang war zögerlich. Die Regierung war unentschlossen, ob vielleicht nicht doch eher der Vogel Gryff dafür geeignet sei. Oder vielleicht das Rheinschwimmen? Doch man hatte Einsicht: Nein, die Fasnacht soll es sein. Sie ist einer Registration bei den Unesco-Behörden würdiger als alle anderen Bräuche in Basel.

Freiheit statt Protokolle!

Trachten und Fasnacht: Bitte nur als Sujet. ©Keystone

Jetzt stehen wir also kurz davor: Die Fasnacht wird bald Unesco-Welterbe! Da pfeifen wir vor Freude einen munteren Arabi, werfen ein paar Orangen und lassen die Räppli fliegen. Aber halt: Heisst das etwa, dass unsere wunderbare, sich ewig wandelnde Fasnacht unter die Käseglocke kommt? Dass ihre Wächter bald festschreiben werden, was wir zu tun haben? Dass wir Fasnächtler, wie der Taj Mahal, immer aussehen sollen, wie wir jetzt aussehen?

«Nein, ganz im Gegenteil», sagt Felix Rudolf von Rohr. Der ehemalige langjährige Obmaa des Fasnachts-Comités ist der Tambourmajor der Bewerbung um den Unesco-Eintrag. Er dirigiert und beschreibt die Fasnacht durch alle Anträge und Formalitäten hindurch bis zur Aufnahme im Register. Er sagt: «Der Bewerber muss belegen, dass die Tradition auch weitergeführt wird. Und: Dass sie sich weiterentwickelt.» Ja, unsere Fasnacht müsse eine stete Evolution durchmachen. Sie steht damit im Gegensatz zu Bräuchen, bei denen die teils jahrhundertealte Befolgung von Protokollen das Entscheidende ist.

Sind wir würdig?

E Gugge! E Gugge! ©Keystone

Felix Rudolf von Rohr formuliert daher drei Hauptpfeiler, die unsere Fasnacht ausmachen und damit die Unesco überzeugen sollen:

  1. Die Kernaufgabe der Fasnacht ist die Hofnarren-Rolle: Die Basler Fasnacht ist eine Sujet-Fasnacht. «Wir persifliere mit der feinen Klinge und thematisieren so die grossen Probleme der Welt.»
  2. Die soziale Komponente: Alle machen Fasnacht. Sie ist keine Angelegenheit einer Elite oder primitive Volksbelustigung. «Alle kommen hier zusammen. Toleranz ist unsere wichtigste Grundfeste.»
  3. Die Pflege der Kunst. Also der darstellende Kunst: Laternen, Larven, Kostüme. Der Wortkunst und der musikalische Kunst, «wie das weltweit einmalige Trommeln.»

Ist das der Unesco würdig? Darüber entscheiden im Dezember nicht nur Franzosen und Deutsche, sondern auch Delegierte aus Reykjavik und Ouagadougou. Und das nicht im uns nahe gelegenen Paris, sondern im südkoreanischen Seoul. Was hat das mit Fasnacht zu tun? Wenig. Aber die Schweiz hat sich mit der Ratifizierung der Unesco-Richtlinien verpflichtet, wichtige immaterielle Kulturgüter einzureichen. In der letzten Runde wurde das Winzerfest von Vevey geadelt. Jetzt ist die Fasnacht dran.

Tradition. Keine Folklore.

Ja, das hatte mit Fasnacht viel zu tun: Der Basler Mandolinen-Club anfangs des 20. Jahrhunderts. ©Verschwundenes Basel

Am Schluss ist der Unesco-Titel, den unsere geliebte Fasnacht mit höchster Wahrscheinlichkeit in Bälde erhalten wird, aber vor allem eine Plakette, die wir uns neben der Blaggedde ans Revers heften können. Die uns sagt: Ja, was wir hier machen, ist eine grosse Sache. Fasnacht ist Tradition. Wir tragen dazu Sorge und die Eidgenossenschaft steht hinter uns.

Aber Fasnacht ist keine Folklore. Sie streift ihre alten Wachslarven ab und ersetzt sie durch kaschierte Kunstwerke. Sie legte schon die Mandolinen zur Seite, griff zum Piccolo, sie adaptierte Kostüme aus ganz Europa, sie erschuf den Blätzlibajass, den Waggis und den Pierrot. Sie glänzt mit in der Erneuerung durch jede Generation, die sie wieder und wieder durchlebt.

Der Puls von Basel

Die Fasnacht ist der Puls dieser Stadt und die Stadt ist das Blut, das durch die Adern von Frau Fasnacht pumpt. Das balsamiert man nicht einfach so ein. Daran ändert auch eine Unesco-Listung nichts, obwohl sie marketingtechnisch natürlich super ist.

Das Leben und den Zauber zieht die Fasnacht nicht aus Titeln und Registrationen, sondern aus ihren Widersprüchen. Aus ihren tobenden, lärmenden, pfeifenden, trommelnden und räpplitrunkenen Fasnächtlern. Denn wie sagte unser Ryslaifer, aufs Thema angesprochen, noch am Donnerstagmorgen so schön: «D Fasnacht in mym Kopf isch e anderi als d Fasnacht in dym Kopf. Und so muesses sy.» Sic!

Bewerbungsvideo der Basler Fasnacht als immaterielles Unesco-Weltkulturerbe.

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