Bilder: barfi.ch
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  • Christian Platz
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Basler Flops und Fehlplanungen (2): Kunstpissoir, Verkehrsdelirium, Fusions-Verstopfung

In dieser Serie stellt barfi.ch Basler Flops und Fehlplanungen vor, die sich – für alle sichtbar – in unserer Stadt manifestieren. Im zweiten Teil geht es um Kunstfehler, Schlechtverkehr und zänkische (Dif)fusion. 

Serra-Plastik: Ein Pissoir für Millionen

Richard Serra aus San Francisco, California, was für ein Name: Begleitet von einem Ruf wie Donnerhall, einer der einflussreichsten Künstler unserer Zeit, einer, der mit wetterfestem Stahl und einem räumlichen Ansatz arbeitet, ja, einer der sich gewaschen hat. Im Fall seiner Plastik auf dem Theaterplatz ist zumindest die Wasserfestigkeit eine Tugend. Und gewaschen werden muss sie regelmässig. Denn hier wurde eine Raumhülle geschaffen, welche einen Teil der Bevölkerung vor allem zur Linderung einer Not einlädt; der Notdurft nämlich. Schön versteckt können vornehmlich Herren zwischen Stahlschalen ihr Geschäft verrichten – und verursachen damit nicht einmal Rost. Nur gegen den Geruch, an einen Fischmarkt kurz vor Feierabend erinnernd, der das Kunstwerk umschwebt, kann keine Kunst etwas ausrichten.

Die Skulptur «Intersection» ist ganz gewiss das teuerste Pissoir der Basler Stadtgeschichte, da haben es die Berliner mit ihrem massiven «Block for Charlie Chaplin» besser, den kann man nämlich höchstens von aussen anseichen. Aber vielleicht gehört das flüssige Innenleben von «Intersection» ja zum Konzept des Meisters, als postironischer Gag und inhaltlicher Grenzgang, bei dem die Wahrnehmung der Kunst von unmittelbaren, körperlichen sowie auch psychischen Erfahrungen begleitet wird. Und die Kunst überdauert bekanntlich das Leben, ganz unter dem berühmten Motto: Vita brevis, ars longa, das immerhin dem legendären griechischen Arzt Hippokrates zugeschrieben wird, der sich gewiss auch mit der Wichtigkeit des regelmässigen Wasserlassens befasst hat.

Bankverein: Tram-Haltestellen-Zwangsstafette

Eine Tram wird kommen..., ganz gewiss, doch wo es halten wird, steht in den Sternen. Lang ist die Warteinsel, lang ist die Liste der Linien, die hier anlegen, kurz ist die Zeit, die den wartenden Passagieren bleibt, wenn sie erfolgreich zusteigen wollen. Denn niemand weiss, wo hier welches Drämmli anhalten wird. Schnelle situative Reaktion wird hier vorausgesetzt. Leute mit Gehhilfen, Tripel-Kinderwagen oder massivem Einkaufsgepäck sind bei dieser Laufstaffette extrem im Nachteil. Die cleveren Wartenden postieren sich in der Mitte der Insel.

Aber auch dies ist nur bedingt erfolgreich. Denn sie machen sich keine Vorstellung, wie weit hinten der 8er oder 14er hier manchmal halten können, so weit, dass man den Eindruck bekommen könnte, dass sie eigentlich einfach den Aeschenplatz zweimal bedienen. Immerhin, nach vorne ist der Raum durch ein Rotlicht begrenzt. Doch ganz vorne zu warten, ist auch keine Option, denn hier wird das erfolgreiche Zusteigen garantiert zum Roulette – und es wird NIE deine Linie sein, die zuvorderst ihren Halt macht. Beim Roulette, wir wissen es alle, gewinnt wenigstens immer das Casino. Beim Bankverein gewinnt niemand. Eine poetische Grundsituation, die direkt aus der Feder eines Samuel Beckett («Warten auf Godot», «Endspiel») stammen könnte.

Freie Strasse: Fussgängerzone geht anders

Eine Fussgängerzone, in der man sich frei bewegen, in der man nach Herzenslust flanieren und lädele darf, die zum sorglosen Lustwandeln einlädt, ist die Freie Strasse eben nicht. Leider. Dabei war sie einst die erste Strasse unserer Stadt, die mit grosser Geste zur Fussgängerzone ernannt wurde. Eigentlich ist die «Freie» ja ein Berg, was das Flanieren leicht erschwert, doch wir Baslerinnen und Basler sind ja bekanntlich Bergbauern, wie es schon jenes alte Lied aus dem Theater Fauteuil auf den Punkt bringt: «Dr Spaalebärg duruff, dr Spalebärg duurab», also stellt die Steigung höchstens für Touristinnen und Touristen ein ernsthaftes Problem dar. Schon schmerzhafter macht sich die Tatsache bemerkbar, dass diese Strasse für ein bekanntes Basler Virus besonders anfällig ist, für den galoppierenden Baustellen-Ausschlag, nämlich.

Hier wird nämlich permanent gebaut, was der Fussgängerzone den sportlichen Charme eines Hindernis-Parcours verleiht. Zudem ist der Ladenmix hier inzwischen derart abgedroschen international, dass er in etwa dem Angebot eines Duty Free-Shops an einem mittelgrossen Flughafen entspricht. Originellere Geschäfte können die horrenden Mieten leider nicht mehr bezahlen. Hinzu kommt ein Signal, das uns alle sofort auf den Gedanken bringt, dass die Sache mit der Fussgängerzone dann doch nie so richtig ernst gemeint war: Die Freie Strasse hat Trottoirs. Was, ums Himmels Willen, haben Trottoirs in einer Fussgängerzone zu suchen?

Wettsteinplatz: Im Glaibasler Todeskreisel

Ach, wenn er doch nur ein echter Kreisel wäre, der Wettsteinplatz, dann könnte man hier wenigstens auf Kreisverkehr machen. Und der läuft ja immerhin nach – einigermassen allgemeinverständlichen – Regeln. Gut ist die Verkehrsregelung an diesem Ort eigentlich nur für jene Damen und Herren der Motorfahrzeugkontrolle, die ihre Prüflinge an die Grenze führen wollen, an die Grenze zum Durchfallen nämlich. Hier strömt der Verkehr von allen Seiten, alles fährt wild über weisse Linien, die Autofahrer kämpfen ums Durchkommen, die Velofahrer gehen die Sache im Zirkusartisten-Stil an, die Trams und Busse fahren einfach zu, ohne Rücksicht auf Verluste – und jene, die zu Fuss gehen, haben schon von Anfang an verloren. Wenn man öffentliche Plätze versichern müsste, würde hier wohl keine Versicherungsgesellschaft einen Vertrag anbieten, diebezüglich ist der Wettsteinplatz gleichsam die Eigernordwand unter den baselstädtischen Verkehrssituationen. Hier gibt es nur eine Regel: Augen zu und durch – und auf das Prinzip Hoffnung bauen.

Kantonsfusion: Die unendliche Tragödie

Es war einmal ein Kanton, der durch einen Streit in zwei Hälften geteilt wurde, gar nicht so lange ist das her. Gut wäre es, das sehen die meisten Leute ein, wenn sie wieder zusammenwachsen würden. Wegen den Synergien, den Kosten, den Regeln und Regulationen. Und jener bizarren Verdopplungen, die hier – auf kleinstem Raum – den Alltag erschweren. Wie oft wurde es schon probiert, auf wirtschaftlichen und politischen Wegen und Trampelpfaden. Viele gescheite Bewohnerinnen und Bewohner unserer Region haben sich dem Wiedervereinigungsgedanken schon angenommen – und alle haben sie kläglich versagt. Die Versuche aus eins wieder zwei zu machen, haben die beiden Hälften einander paradoxerweise nicht näher zusammen, sondern jeweils nur noch weiter auseinander gebracht. Daraus kann man inzwischen nur noch einen Schluss ziehen: Wir haben es hier nicht mit einem politischen Problemfeld zu tun, sondern mit einem physikalischen. Bei Basel-Stadt und Baselland muss es sich um so genannte gleiche Magnetpole handeln – und die stossen einander bekanntlich gegenseitig ab.

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