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Basler Koran-Provokation an Ostern nutzte Gesetzeslücke: Wann ist ein Stand ein Stand?

Am Karsamstag verteilten Freiwillige am Basler Bahnhof Gratis-Korane – und gleichzeitig auch in Winterthur. Die Aktionen sind hochumstritten, die Handhabe problematisch: So brauchte die Basler Aktion gar keine Bewilligung, weil sie nicht als Stand galt.

Unangenehme Überraschung für Bahnreisende am Osterwochenende in Basel: Statt vom Surprise-Verkäufer werden sie von Männern in weissen Windjacken begrüsst. In ihrer Hand ist auch nicht das Strassenmagazin, sondern der Koran. Es handelte sich um eine der Koran-Verteilaktionen, die auch unter dem Jahr immer wieder umstritten sind, wie zum Beispiel auf dem Claraplatz.

An Ostern, dem höchsten Fest der Christen, ist die Sache noch verzwickter. Kommt hinzu, dass gleichentags nicht nur in Basel heilige Schriften verteilt wurden, sondern auch in Winterthur, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete.

Umstrittene Handhabe

Wie in Basel ist auch in Winterthur die Koranverteilung keine Premiere. Vergangenes Jahr wurde dort sogar gleich zwei Mal geprüft, ob die salafistischen «Lies!»-Aktionen verboten werden könnten. Ohne Erfolg: das verfassungsmässige Recht auf Religionsfreiheit macht ein solches Verbot unmöglich. In Basel unterstehen Aktionen dieser Art der Verordnung über die Nutzung des öffentlichen Raums (NöRV).

Zu «Lies!» will die Verteilaktion vom Samstag nicht gehören – weder in Winterthur, noch in Basel. Die Bücher beziehen beide trotzdem sehr wohl vom genau diesem deutschen Verlag. Obwohl die Verteiler die Verbindung zur umstrittenen Aktion dementieren, erinnert das Auftreten unleugbar an «Lies!»: Die weissen Windjacken prägen den Schriftzug «Im Namen deines Herrn,der dich erschaffen hat». Nur der goldene «Lies!»-Schriftzug fehlt, ansonsten sind die Jacken identisch.

Die Schriftarten sind vollkommen identisch.

Die Schriftarten sind vollkommen identisch.

Ohne "Stand" ist keine Bewilligung nötig

Die umstrittene Verteilaktion am Oster-Wochenende ist nach Basler Recht technisch gesehen in Ordnung. Da kein Infostand vorhanden war, brauchte es auch keine Bewilligung vom Bau- und Verkehrsdepartement. Das bestätigt Mediensprecher Daniel Hofer: «Der Vorplatz des Bahnhof SBB ist kein für Infostände vorgesehener Standort. Wer ohne Infostand Drucksachen verteilt, muss dies nicht melden.»

Die grossen Banner, welche die Verteilenden auf dem Rücken trugen werden auch nicht als Infostand definiert. Infostände seien «einfache Standbauten bis zu einem Ausmass von fünf Quadratmeter – inklusive Wetterschutz –, die über religiöse, politische, gemeinnützige oder präventive Inhalte orientieren», so Hofer.

Keine Provokation? Wer's glaubt wird selig

Religiöse Schriften zu verteilen ist damit verfassungs- und auch gesetzeskonform. Die Polizei darf erst einschreiten, wenn es sich zum Beispiel um rassistische oder diskriminierende Inhalte handelt, sagt Hofer. Dafür ist Werbung für Tabak, Alkohol und sexuelle Dienste verboten, heisst es seitens Allmendverwaltung. «Um dies zu kontrollieren, kann die Kantonspolizei auf Meldungen aus der Bevölkerung reagieren», so Hofer. «Zudem haben die kantonale Fachstellen die Möglichkeit stichprobenartige Kontrollen durchzuführen.»

Dennoch bleibt die Koranaktion vom Osterwochenende problematisch. Obwohl rein gesetzlich in Ordnung, besteht die Frage nach religiöser Tolerenz zwischen den Glaubensrichtungen. Missionieren für den Islam am höchsten Fest der Christen zeugt nicht von Fingerspitzengefühl in Sachen interreligiöser Diskurspflege. Sondern ist im Gegenteil reine Provokation und fehlender Respekt. Unglaubwürdig wer vorgibt, nicht zu wissen, dass die hier dominierende Glaubensrichtung gerade ihr höchstes Fest begeht. Wie Reaktionen auf die Berichterstattung zeigten: So säkulär sich die Gesellschaft auch geben mag, so heftig reagiert sie auf Provokationen dieser Art.