Bilder: Keystone, Verschwundenes Basel
Bilder: Keystone, Verschwundenes Basel
  • Andy Strässle
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Basler Schneeepisoden: Von der Sehnsucht nach dicken, weissen Flocken

Die Wetterfrösche prophezeien ihn jetzt erst recht, die Kinder warten sehnsüchtig darauf und der Himmel rückt ihn einfach nicht raus. Zwar soll Frau Holle morgen ihre Leintücher endlich richtig ausschütteln. Aber falls es schief geht, erinnern wir uns wenigstens an richtig verschneite Zeiten.

Birsfelden, 70er Jahre

Wenn die Strassenlampen angingen, mussten wir Kinder früher rein. Ich war wahrscheinlich zehn Jahre alt. Der Himmel leuchtete schwer und gelblich, der Wind war klar und hart. Im dritten Stock kochte unsere Mutter das Abendessen. Bald würde Vater nach Hause kommen. Essen, Badewanne und ab ins Bett. Aber endlich kam in dieser Dezembernacht der Schnee. Es schien, als müsse der Himmel sich von den schweren, seltsam strahlenden Wolken erleichtern. Die Flocken fielen schwer und weiss. Bald waren Strasse, Autos und Dächer weiss eingehüllt, ein paar Tage vor Weihnachten war der Schnee doch noch gekommen. Nach dem Essen ging die ganze Familie nochmals hinaus. Eine absolute Ausnahme. Normalerweise gaben bei uns die Strassenlampen den Tarif durch. Die Welt erstrahlte unter einer dicken, weissen Schneedecke. Sie war ganz neu und still. Obwohl Schnee in der Stadt damals noch nicht so selten war wie heute, so war er doch jedes Jahr eine Überraschung. Das weisse Birsfelden war ein Versprechen, jeder Atemzug hinterliess eine Wolke, die in den Himmel stieg. Und unsere Mutter war noch so jung, dass es ihr nichts ausmachte, mit Schneebällen beworfen zu werden. 

Bruderholz, Margarethenhügel, die 80er Jahre

Fünfzehn Jahre später blieb er noch ein wenig, der Schnee. Schnell noch einen Bobschlitten gekauft. Mit einem Davoser-Schlitten würde man zu schnell durch die dünne Schneedecke des Margarethenhügels oder auf dem Bruderholz brechen, man würde einfach stehenbleiben. Mit dem Sohnemann den Basler Hausberg hinaufgestapft. Den Sechsjährigen am steilen Hang auf den neuen gelben Schlitten platziert. Aber irgendwie wars sehr rutschig auf der Batterie und schon rauschte das Kind alleine in rasendem Tempo den Hügel hinunter. Da hiess es dann rennen. Aber schliesslich rammte der Schlitten mit dem Jungen einen Heuballen, alles blieb stehen. Zwischen erschrecktem Weinen und erfreutem Lachen forderte der Kleine gleich die nächste Abfahrt.

Glarus, in den 90er-Jahren

Es war ein Holzhäuschen in Glarus gewesen. Unterhalb von Braunwald, nur zu Fuss erreichbar. Die Idee war, Natur und Schnee zu geniessen. Zwar Strom, aber keine Zentralheizung. Zuerst mussten wir Windeln und Kram für zwei kleine Kinder hineinschleppen, die fast schon erstarrt wirkten. Im Haus war es ein bisschen wärmer, aber nur ein bisschen. So ging ich wieder raus. Mit der Axt, um Holz zu spalten, was nicht so einfach ist, wie man denkt. Mit den Handschuhen klappte es nicht so richtig und am Ende streifte ich sie ab und hoffte, mir die Klinge nicht in einen Körperteil zu hacken. Eine ganze Woche hatten wir den Maiensäss gemietet und fluchend merkte ich, dass ich trotz schreiender Inkompetenz noch viel Holz spalten würde. Schliesslich hatte ich eine geringe Menge für Holzofen und Herd zusammen, die ich mit klammen Fingern nach drinnen schleppte. Obwohl ich am liebsten noch am gleichen Abend das Hotel in Braunwald angerufen hätte, um zu fragen, ob es noch Zimmer gäbe, blieben wir eine Woche im Haus. Und ja, nachdem wir uns daran gewöhnt hatten, war es ruhig, weiss und schön.

BS-ZH, die 2010er

Es muss vor drei Jahren gewesen sein. Der Winter kam, und das mit Gewalt. Es schneite und schneite tagelang. Nasse Füsse und eine kalte Nase wurden zur Gewohnheit. Als Pendler nach Zürich wird man hart im Nehmen. Wenn man um Sieben auf den Zug muss, stapft man unerschrocken durch den Matsch an den Bahnhof. Natürlich sind Schnee und Eis auch ein Problem für Geleise und Fahrleitungen. Darum ist die bleibende Erinnerung vor allem die: Der Zug bleibt kurz nach Zürich-Altstetten stehen. Du kannst ihn sehen, den HB, aber bist noch nicht da. Das Phänomen, das kurz nach 8 Uhr einsetzt, ist, dass sofort alle anfangen, mit dem Handy zu telefonieren. «Ich bin zu spät!», «Komme später an die Sitzung» oder: «Wir sind schon wieder stehengeblieben» und diejenigen, die etwas klaustropobhisch in ihr Smartphone murmeln: «Es wäre gut, wenn ich aussteigen könnte.» Niemand geniesst, dass der Alltag kurz unterbrochen ist. Trotz stehendem Zug, weissen Bergen vor den Fenstern geht die Hektik einfach am Handy weiter.

Heute 

Wahrscheinlich geht es über die Festtage allen gleich: Regelmässig piepst das Handy. Ein Foto auf einem braunen Hügel oder Berg mit dem Titel: «Auf der Suche nach dem Schnee». Manchmal scheint es auch eine Absprache zu geben: «Auch hier liegt fast nichts.» Kreativ dann das Foto von der Schneekanone aus Gstaad. Wenn es in Basel schneit, muss man sich mittlerweile beeilen, wenn man mit den Kindern schlitteln will. Denn meist bleibt der weisse Flaum nur kurz. Und meist reicht er dann eben doch nicht, um die Welt neu erscheinen zu lassen. Oder sie auch nur für einen kurzen Augenblick zu dämpfen, den Alltagslärm wegzustecken, still und impulsartig präzise, wie Wimpern in der Kälte verirrte Schneeflocken wegschlagen. 

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