• Christian Platz
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Basler Turm der Schmerzen, vom finsteren Innenleben des Spalenschwibbogens

Der Spalenschwibbogen stand bis 1838 am oberen Ende des Spalenbergs. Er war ein Bestandteil der inneren Basler Stadtmauer und hatte ein wahrhaft gruseliges Innenleben. 

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde der Spalenschwibbogen erstmals schriftlich erwähnt. Er war eines der Tore zur Stadt, ein Bestandteil der so genannten inneren Stadtmauer, die ziemlich exakt dem Verlauf jener noch älteren Stadtmauer folgte, welche um das Jahr 11'000 durch den Bischof Burkhard von Fenis errichtet worden war. Vor dem Bau der neueren äusseren Stadtmauer spielte der Bogen jene Rolle, die später das – grössere – Spalentor erfüllte.

Vor der inneren Stadtmauer lag ein Graben, über den zunächst eine hölzerne Zugbrücke zum Spalenschwibbogen führte, danach wurde ebendort eine gemauerte Brücke gebaut.

Ein freistehender Bogen

Ein Schwibbogen ist übrigens ein freistehender Bogen, der waagrecht verläuft und zwei Mauerteile miteinander verbindet. Er ist meist so übermauert, dass oben ein gerader Abschluss entsteht, der in der Regel gedeckt ist. Als der Bau der äusseren Stadtmauer um das Jahr 1400 abgeschlossen war, trat der Spalenschwibbogen seine Verteidigungsfunktion an das Spalentor ab. Er verband dann auch keine Mauerteile mehr miteinander, sondern schöne alte Stadthäuser.

Dreigeschossiges Verlies

Er war hübsch anzuschauen, der Spalenschwibbogen, wie die anderen Basler Tore, Bögen und Türmli auch. Leider sind die meisten von ihnen dem Abrisswahn des 19. Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Doch in seinem Inneren barg dieses Tor einige ausgesucht grausame Einrichtungen. Als er nämlich kein Bestandteil der Stadtverteidigung mehr war, wurde der Spalenschwibbogen zu einem dreigeschossigen Verlies.

Sechs verschiedene «Gefangenschaften», wie man damals zu sagen pflegte, waren auf seinen drei Stöcken untergebracht. Zwei davon waren einigermassen erträglich. Die anderen vier hingegen, waren höllische Einrichtungen, ganz im Sinne jenes Strafsadismus, der im christlichen europäischen Spätmittelalter gang und gäbe war.  

Das «Gewahrsamsstübli»

Für die besseren Gefangenen gab es das «Gewahrsamsstübli», das über einen Ofen verfügte. Für vornehme Figuren, die in Gefangenschaft weilten, war das «Herren Küfer-Stübli» bestimmt, welches sogar einen Kachelofen zu bieten hatte.

In einem dieser Verliese wurde beispielsweise der Erzbischof von Kraina untergebracht, er hiess mit bürgerlichem Namen Andrea Zamometić. Er war als kaiserlicher Gesandter beim Papst in Rom tätig. In dieser Rolle polemisierte er öffentlich gegen Korruption und Prasserei beim Heiligen Stuhl, worauf der Kaiser ihm seine Privilegien entzog. Nach mehreren Inhaftierungen in der Engelsburg konnte Zamometić nach Basel fliehen, hier wurde er vorerst in Ruhe gelassen. Als Rom Wind davon bekam, wurde die Stadt am Rheinknie allerdings mit dem Kirchenbann bedroht, deshalb wurde der abgesetzte Würdenträger im Spalenschwibbogen inhaftiert. Im November 1484 erhängte er sich im «Gewahrsamsstübli». Sein Leichnam wurde in ein Fass eingenagelt und flugs in den Rhein geworfen, danach war Rom wieder zufrieden.

Folterwerkzeuge, «Hexenkäfig», «Eichenwald»

Dabei hat es Zamometić in diesem Verlies vergleichsweise gut gehabt. Denn die Zellen in den oberen Stöcken des Bogens waren von ganz anderer Natur. Gleich unter dem Dächlein waren die Folterwerkzeuge untergebracht. Darunter folgte eine klaustrophobisch enge Zelle, die man im Volksmund ironischerweise als «der Saal» bezeichnete.

Gleich nebenan war der enge «Hexenkäfig», ein schwebender Eisenkäfig, in den jene bemitleidenswerten Frauen gepfercht wurden, die der christliche Aberglaube als Hexen verfolgte. Diese Frauen wurden im Turm auch gemartert und zu Geständnissen gezwungen, die sie dann auf den Scheiterhaufen brachten.

Einen Stock tiefer gab es eine unmöblierte Zelle, die ganz und gar aus steinhartem Eichenholz gefertigt war. Die Sträflinge wurden – nur mit einem Hemd bekleidet – monatelang hier eingesperrt. Etwas Unbequemeres kann man sich kaum vorstellen. Die Basler nannten diese Zelle «Eichenwald». Nebenan war das Hurenkämmerlein, ein richtig übles Loch, in das Prostituierte gezwängt wurden, die meisten von ihnen seien in dieser Gefangenschaft schwer erkrankt.

Verkauf und Abbruch

So war das alte Törlein während Jahrhunderten ein Ort des Schreckens. In der Neuzeit wurden die Folterzellen zwar abgeschafft, doch der Spalenschwibbogen blieb bis ins Jahr 1822 ein Gefängnis. 1837 verkaufte die Stadt das Gebäude an den Maurermeister Remigius Merian, für 7200 Franken. Und der liess es ein Jahr später kurzerhand abreissen. Dies war der Auftakt für den Abriss der Basler Stadtmauern. Ein Jahr später wurde dann das Rhytörli abgebrochen – und bald schon war von mittelalterlichen Basel kaum mehr etwas übrig.

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