Es begann aus Protest
Im Jahr 1995 versammelten sich rund einhundert Personen auf Basels Strassen, um tanzend gegen das französische Testsprengen von polynesischen Korallenriffen zu demonstrieren. Aus der politischen Veranstaltung namens Jungle Street Groove wurde in den folgenden Jahren ein Fixpunkt im Basler Hedonistenkalender. Und blieb es bis heute. Acht- bis zehntausend Feiernde besuchen den Jungle Street Groove jedes Jahr, über zwei Jahrzehnte nach den Atomtests bebt der Boden in Basel mehr als je zuvor. Genauer gesagt, jedes zweite Jahr. Denn was einmal eins war, wurde zwei.
Kernspaltung
2005 kam es zu Unstimmigkeiten in der Organisation des Jungle Street Groove und zur Abspaltung einer kleinen Gruppe, die fortan unter dem Namen Beat on the Street auftraten. Um organisatorische und rechtliche Probleme zu verhindern, teilte man die Anlässe im Jahreswechesel auf und sicherte so den Frieden untereinander. Beide Veranstalter bestätigen, man pflege eine freundschaftliche Koexistenz. Jesse Rufle, der selbst über ein Jahrzehnt beim Jungle Street Groove mitwirkte, ist froh, dass es so gut funktioniert. Er selbst war es, der die Trennung veranlasste, aber natürlich liegen ihm nach wie vor beide Anlässe am Herzen. Mit gutem Grund: Gibt einer ein schlechtes Bild ab, hat dies auch Einfluss auf die Schwesterveranstaltung. Für die Rufle und die Organisatoren des Beat on the Street war die Trennung notwendig, man hatte andere Ziele und Vorstellungen, die Spaltung eine Massnahme, den Frieden zu wahren. Es zeigt sich, dass nicht jede Trennung im Rosenkrieg enden muss. Auch Alain Szerdahelyi, Präsident des Jungle Street Groovebestätigt, es gäbe «kein böses Blut deswegen». Für die Besucher ist der Unterschied ohnehin gering.
Simples Grundrezept
Wie bei allen dieser Musikparaden geht es auch bei den Basler Ausgaben darum, mit übermässig bassbestückten Nutzfahrzeugen langsam einen Strassenzug abzufahren, das willige Partyvolk leichtbekleidet im Gefolge. Ohren nach vorn, Hände in die Höh’, Haare von den Boxentürmen frisch geföhnt, es kann so einfach sein. Offenbar braucht eine moderne Stadt diesen Ausdruck der Freizügigkeit: Ein Jahr bevor die Basler überhaupt anfingen, versuchte Zürich bereits wieder, ihre schon etablierte Parade zu verbieten. So weit kam es nicht, das vom damaligen Polizeivorsteher Robert Neukomm geforderte Verbot stiess auf Widerstand von allen Seiten. Die Stadt stellte sich, links wie rechts, geschlossen hinter den sommerlichen Ausflug der Federboas. Dieser Präzedenzfall hat die hiesige Szene in ihrem Vorhaben sicher beflügelt.
Ehret den Anfängen
Was Beat on the Street und die Ur-Veranstaltung Jungle Street Groove auszeichnet, ist nicht nur die private Athmosphäre, sondern auch das musikalische Programm, welches sich von anderen Paraden unterscheidet. Man ist, auch wenn längst nicht mehr ausschliesslich, mehrheitlich bei den namensgebenden Anfängen geblieben, bei Drum and Bass und Jungle, die mit dem Umzug die Entstehungsjahre teilen. Ein Grundbestandteil dieser (und etlicher anderer) Musikrichtungen ist der «Amen Break», eine kurze Schlagzeugsequenz aus einem Song der Winstons von 1969. Wer in der Stadt ist, wird ihn am Samstag öfter hören. Die Erfinder wussten von ihrem Erfolg lange nichts und erst 2015 gelang es, mittels einem Crowdfunding mindestens dem einen der beiden Urheber einen Betrag von 25’000 Dollar zu überweisen. Ein kleiner Ausgleich für einen der meistverwendeten Samples überhaupt.
Nicht Anti-, sondern einfach lokale Küche
Auch die Basler Paraden gehen mit der Zeit und haben inzwischen neben Breakbeats auch Techno, Dubstep und House im Programm. Doch Beat on the Street ist keine Anti-Street-Parade, wie Rufle betont, sondern vor allem ein städtischer Anlass für ein lokales Publikum und lokale Labels, von Freiwilligen organisiert. Am Ende des Umzugs ist zudem eine Anschlussveranstaltung im Hafen bewilligt, um auf drei Floors zwischen Sommerresidenz und Patschifig die letzten ungeschüttelten Glieder weichzuwackeln. Darunter dann doch auch etwas internationalere Bekannheiten wie Der Dritte Raum, ein deutscher Produzent und DJ aus den Anfangsjahren der elektronischen Musik, ein Pionier der Acid-, Goa- und Trance-Musik der frühen 1990er, auf deren Basis praktisch alle der Techno-Paraden begonnen hatten.