Scherenschleifer, Kessel respektive Pfannenflicker früher fanden Fahrende leichter Arbeit. © Keystone
Scherenschleifer, Kessel respektive Pfannenflicker früher fanden Fahrende leichter Arbeit. © Keystone
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Bloss keine Fakten schaffen: Basel hat kein Herz für Fahrende

Tolerant, weltoffen und international, so gibt sich Basel gerne. Stur, paragrafenreiterisch und hilflos wird das gleich weltoffene Basel, wenn es um Fahrende geht. Nach dem Hick-Hack um den gesetzlich vorgeschriebenen Standplatz will die Stadt den Fahrenden nun wirtschaftlich an den Kragen.

An der Rigistrasse gehörten die Scheren- und Messerschleifer in meiner Kindheit vor vierzig Jahren noch dazu. Zwar gruselten die etwas rauh gekleideten Männer, oft mit Bart und Schnauz, Grossmami und uns Kinder ein bisschen. Aber der Besuch der «Zigeuner», wie man damals sagte, gehörte im Frühling und im Herbst dazu. Unterdessen ist das Leben für die Fahrenden und ihren Lebensstil nicht nur wirtschaftlich schwieriger geworden. Denn nicht einmal mehr die Grossmamis lassen eine Schere oder ein Messer schleifen. Nach langem Streit um einen Standplatz zeigt Basel-Stadt nun wieder wenig Herz für die Fahrenden: Bei einer Vernehmlassung des Bundes zur «Verordnung über das Gewerbe der Reisenden» beantragt der Stadtkanton zusammen mit Bern und Aargau, dass Reisende explizit von Tätigkeiten auf dem Bau- und dem Baunebengewerbe auszuschliessen seien.

Wenig Herz, viele Paragrafen

Auf Anfrage von barfi.ch antwortet der zuständige Abteilungsleiter des Amtes für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (AWA), Michael Mauerhofer, ausweichend und mit vielen Paragraphen: «Gemäss Artikel 2 Absatz 1 Bst. a der Verordnung sind Reisende natürliche Personen, die im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a oder b des Gesetzes Waren oder Dienstleistungen anbieten. Somit umfasst der Begriff 'Reisende' nicht 'Fahrende' und umgekehrt.» Alles klar? Nicht ganz, sagt Simon Röthlisberger von der «Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende»: «Das von den drei Kantonen Basel-Stadt, Bern und Aargau geforderte Verbot würde direkt an die Lebensweise von Jenischen, Sinti und Roma anknüpfen: nämlich zu reisen und als reisende Arbeiter den Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb würde dieses Verbot die in der Schweiz anerkannte Minderheit diskriminieren.»

Die Basler Regierung begründete ihren Antrag an den Bund wie folgt: «Wir stellen auch fest, dass die Reisenden in diesen Bereichen Umweltvorschriften nicht immer einhalten oder führen Elektroarbeiten ohne entsprechende Bewilligung durch. Auch halten sich die Reisenden an die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz und verfügen oft über gar keine Versicherungen.» Simon Röthlisberger entgegnet auf diese Vorwürfe: «Offenbar seien Konsumenten 'übervorteilt' worden. Zudem sei die Einhaltung von Umwelt- und Bewilligungsvorschriften nicht immer tadellos. Das sind Themen, die mit der Anwendung des geltenden Rechts angegangen werden müssen. Die Behörden sind da mit der Umsetzung des geltenden Rechts gefordert. Neue Gesetze helfen nicht weiter.»

«Zwei Schritte in die Vergangenheit»

In diese Richtung argumentiert Michael Mauerhofer vom AWA. Es gehe nicht um Fahrende, sondern um alle «Reisenden». Mit dem Verweis auf «Zirkusbetreiber» und «Schausteller» umgeht das AWA die Problematik der Fahrenden. Für Simon Röthlisberger gefährdet die Überarbeitung der Verordnung die Existenzgrundlage der Fahrenden. Er sagt: «Früher erschwerte das sogenannte Patentwesen die Arbeit von Jenischen, Sinti und Roma. Um arbeiten zu dürfen, mussten sie in jedem Kanton ein Patent lösen. Das behinderte ihre Arbeit. Seit dem 2003 in Kraft getretenen Reisegewerbegesetz können sie eine einzige, schweizweit gültige Bewilligung lösen. Der Ausschluss von Jenischen, Sinti und Roma aus dem Bauhaupt- und Nebengewerbe würde deshalb bedeuten, zwei Schritte zurück in die Vergangenheit zu machen.»

Die Fahrenden in der Schweiz stehen mit dem Rücken zur Wand. Antiquitäten bringen kein Geld mehr, der Verkauf von Lederjacken oder Orientteppichen kann es auch nicht mehr sein und das Scherenschleifen und Pfannenflicken ist Nostalgie. Würden die Fahrenden vom Bau- und Baunebengewerbe ausgeschlossen, befürchtet die Stiftung von Röthlisberger, dass durch diese Ausgrenzung «einem Prozentsatz der Schweizer Fahrenden im zweistelligen Bereich» die Lebensgrundlage entzogen würde. Nach dem langen Gerangel um einen Standplatz ist es aber vielleicht nicht verwunderlich, dass Basel-Stadt den ungeliebten Fahrenden das Leben schon wieder schwer machen will.