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D’Mäss anno dazumal: Wilde Tiere, stärkste Männer, Damen ohne Unterleib

«Herrrrrreinspaziert, sehen sie die Meerjungfrau, die Riesen und die Zwerge, die Kannibalenbraut sowie den stärksten Mann der Welt!» So tönte es einst auch an der Basler Herbstmesse, bevor die Maschinen das Feld übernahmen. 

Arme Ponys aus Fleisch und Blut

In den allerersten Karussells, Ressliritty, wie man z’Basel sagt, mussten arme Ponys aus Fleisch und Blut noch stundenlang im Kreis laufen – oder ein Wagenrad wurde durch Menschen- bzw. Eselsmuskelkraft in Drehung versetzt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in England dann die ersten Karusselle gebaut, die von Dampfmaschinen angetrieben wurden. Erst in den 1920-er Jahren hielten die Elektroantriebe auf den Rummelplätzen dieser Welt Einzug. Dabei waren die Auto Scooter, Butschauteli, wie man z’Basel sagt, die Vorreiter. Etwas später öffneten elektronische Antriebe das Feld für zunehmend wildere Attraktionen. Doch wie war das vorher? Schliesslich gibt es die Herbstmesse seit dem 15. Jahrhundert. Rummelplätze an sich gibt es bereits viel länger.

Clowns, Tanzmädchen, Musikanten

Schon im Altertum zogen Schaustellertruppen durch die Lande, Artisten, Zauberer, Clowns, Dresseure, Tanzmädchen, Musikanten. Bekanntlich hatten die Gemeinden, in denen solche Truppen gastierten, immer ein äusserst zwiespältiges Verhältnis zu den Schaustellern. Man liebte die Unterhaltung, die sie brachten, hechelte den schönen Frauen nach, die sie mitbrachten. Gleichzeitig schätzte man sie als gefährlich, diebisch, unehrlich, als Gesindel ein – und wollte sie, kaum war der Rummelplatz abgebaut, möglichst schnell aus dem Stadtmauern haben.

Exotisch, sensationell, erotisch, abwegig

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kristallisierten sich typische Attraktionen heraus, die auf Messen und Rummelplätzen für lange Zeit besonders grosse Beliebtheit geniessen sollten. Das Exotische, das Sensationelle, das Erotische und das Abseitige dominierten dieses Genre. Da gab es etwa Tiermenschen aller Art, die Affenfrau, den Pinguinbuben, den Mann mit der Löwenmähne, die schwer tätowierte Dame, die als lebende Kunstgalerie verkauft wurde. Auch Tänzerinnen spielten auf den Jahrmärkten der Vergangenheit eine grosse Rolle, sie traten oft in Buden auf, zu denen nur erwachsene Männer (!) Zutritt hatten, leicht kann man sich vorstellen, was dort geboten wurde. Sehr beliebt waren zudem die grössten und die kleinsten, die dicksten sowie natürlich die stärksten Menschen der Welt.  

«Der König der Gaukler»

In Basel war ein starker Mann besonders berühmt, auch im Rahmen der Herbschtmäss: Pius Buser (1898 – 1968) aus Sissach. Er war ein Ausbrecherkönig, wie der weltberühmte Entfesslungskünstler Harry Houdini, dem er fleissig nacheiferte. Zudem vollbrachte er erstaunliche Kraftakte, zog Lastwagen, verbog Eisenstangen. Er war Vollblut-Schausteller, man nannte ihn «Der König der Gaukler», er war weit gereist und mit allen Wassern des Schaustellertums gewaschen; ein Mann, den einst alle Basler Buben bewunderten.

Der Rufer auf der Messe

Fast wichtiger als das gegen Geld Gebotene waren die Aussenbühnen der Schaustellerbuden. Sie waren die Wirkungszone der Rufer, die die Welt-Sensationen und Kuriositäten anpriesen, in den buntesten Farben, die man im Inneren des Panoptikums, auch so ein schönes altes Wort, zu sehen bekommen würde: «Sehen Sie die Kannibalenbraut, aus dem tiefsten Dschungel Afrikas. Sehen sie den dünnsten Mann der Welt, der sich nur von reiner Luft ernährt und die dickste Dame des blauen Planeten, die unserer Bühne schon sieben Mal zum Einsturz brachte!! Sehen Sie die Frau ohne Unterleib, das Wunder der Wissenschaft!!!» So tönte es über die Messeplätze. Auf der Aussenbühne wurden ganz kurze Auftritte der Sensationen gezeigt – und meistens war die Schau des Rufers aufregender, als alles, was nachher drinnen zu sehen wurde. Aber das gehörte dazu.

Dame ohne Kopf und Unterleib

Eine Darbietung, die bis in die späten 1970-er Jahre hinein auf der Herbschtmäss gezeigt wurde, waren «Die Dame ohne Kopf» und «Die Dame ohne Unterleib», als «grosse Rätsel dieser Welt, die auch die berühmtesten Professoren verblüffen». Die Tricks, die dahintersteckten, stammen aus dem 18. Jahrhundert, erstaunlich ist, wie lange sie das Publikum in Bann zogen. Draussen wiesen auch hier grossformatige bunte Plakate auf die Sensationen hin, die alles übertrafen, was in Fleisch und Blut gezeigt werden konnte.  

Niedergang bei uns, Renaissance in den USA

Bis in die 1980-er Jahre hatten die Schaubuden auf der Basler Herbschtmäss ihren festen Platz, einige von ihnen boten wirklich hervorragende Hellseher- und Zaubershows. In den 1990-er Jahren sind sie dann langsam ausgestorben. Anfangs des 21. Jahrhunderts gab es auf dem Kasernenareal nochmals einen Versuch mit einer wunderschönen Zauberbude aus München, die danach jedoch – mangels Erfolg – leider nie mehr am Rheinknie auftauchte. Grosse Erfolge feiert eine neue Generation von Schaubuden seit den späten 1990-er Jahren hingegen in den USA, man nennt sie dort «Sideshows». Ganz nach dem alten Rezept preist dort ein Rufer, auf englisch «Barker» genannt, die Sensationen an, blutige Fakir-Auftritte, Burlesk-Tänze, Zaubereien. Und das Publikum strömt. Bis jetzt hat es dieser Trend nicht bis nach Basel geschafft. Aber was nicht ist, das kann ja bekanntlich noch werden.

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