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  • Désiré Heimlicher
  • Aktualisiert am

Deutsche in Basel: beliebt oder nur geduldet?

Laut einer neuen Studie der Universität Bern fühlt sich ein fünftel der in der Schweiz lebenden Deutschen bei uns nicht willkommen. Nicht wenige davon empfinden sogar Feindseligkeit von Seiten der Schweizerinnen und Schweizer. Wie erleben das Deutsche, die seit vielen Jahren in Basel leben? Sind die in direkter Nachbarschaft zu Deutschland lebenden Bebbi offener und toleranter? Wir haben vier Deutsche zu ihren Erfahrungen und Empfindungen befragt. Neben den zugewanderten Deutschen arbeiten in Basel aber auch viele Grenzgänger. Wie sieht es mit deren Befindlichkeiten aus? Auch dazu einige Stimmen.

Eigentlich wären die Voraussetzungen für ein gutes Verhältnis gegeben. Vor allem was die Sprache betrifft. Denn Deutsche werden von uns Einheimischen auf Anhieb problemlos verstanden. Das ist aber eine Einbahnstrasse, für deutsche Ohren ist Baseldeutsch eine Fremdsprache, die erst einigermassen verständlich wird, wenn man mindestens ein, zwei Jahre in Basel verbracht hat. Viele Deutsche sehen es als grossen Nachteil, nicht Dialekt sprechen zu können. Schliesslich ist die Sprache ein wichtiges Integrationsmittel.

Zu schnell, zu resolut, zu erfolgreich

Umgekehrt wirkt Hochdeutsch auf viele Baslerinnen und Basler arrogant, was hauptsächlich am Tempo und an einer gewissen geschliffenen Bestimmtheit des gesprochenen Vortrags liegt. Der Abwehrhaltung der Deutschschweizer liegt aber oft auch eine gewollte Abgrenzung der nationalen Identität aufgrund der ethnischen Ähnlichkeit zu den Deutschen zugrunde. Die Konkurrenzsituation um Arbeitsplätze spielt auch eine gewichtige Rolle. Wie erleben Deutsche das Leben in Basel?

Frank, 60 Jahre alt, Künstler

Frank stammt ursprünglich aus Wuppertal und lebt seit 23 Jahren in Basel, genauer im Kleinbasel, wo er sich richtig wohl fühlt. Die ersten 5 Jahre seines Aufenthaltes bewegte er fast ausschliesslich unter Nichtschweizern. Als eher wortkarger Mensch empfand er seine Integration als sehr schwierig. «Dort wo ich herkomme, wirst du auch unangemeldet von Freunden und Bekannten zu Hause besucht und umgekehrt. Das ist mir hier noch nie passiert. Wenn du dich mit jemandem verabreden willst, wird erst einmal die Agenda oder das Handy gezückt. Spontanität geht anscheinend nicht. So werden auch Freundschaften schwierig. Die meisten Menschen, mit denen ich näher zu tun habe sind auch nach all den Jahren immer noch Nichtschweizer.»

Wenn Frank sich gegenüber Einheimischen zu politischen oder sozialen Themen äussert, bekommt er oft (im Schnitt alle zwei Wochen) zu hören, dass er ja nach Deutschland zurück könne oder den Mund halten solle. Das er trotz seines offensichtlich westdeutschen Dialektes häufig für einen Ex-DDRler gehalten wird, zerrt zusätzlich an seinen Nerven. Ganz zu schweigen von der Faschistenkeule, die auch ab und zu ausgepackt wird, nur weil er Deutscher ist.

«Was mich an den Baslern und allgemein an den Schweizern stört, neben vielen Dingen, die ich gut finde, ist diese Verschlossenheit. Nähe oder Körperlichkeit findet im täglichen Umgang, auch mit Freunden kaum statt. Als Deutscher der Nachkriegsgeneration stört es mich auch immens, wie wenig die Schweiz über die eigene Geschichte nachgedacht hat. Geschichtsaufarbeitung hat hier nie stattgefunden. Und jede auch noch so zarte Kritik am Schweizer Wesen wird auf das barscheste zurückgewiesen. Uns Deutschen wird ja oft Arroganz vorgeworfen, dieses «Kompliment» kann ich aber zurück geben; denn auch kritische Schweizer verstehen sich als das fleissigste, pünktlichste, strebsamste und aufrichtigste Völkchen der Welt. Ich begreife den Ort an dem ich lebe allerdings nicht so sehr als «die Schweiz» sondern als Basel oder präziser als Kleinbasel. Ich lebe sehr gerne im Kleinbasel. Hier fühle ich mich wohl. Ob das an einem anderen Ort der Schweiz auch so wäre, wage ich zu bezweifeln.»

Ruth, 46 Jahre alt, Bekleidungsingenieurin/ Textilentwicklerin

Seit 8 Jahren lebt Ruth nun in Basel. Ihr Heimatort Grafenau im Ruhrpott gehört zur umfangreichen Gemeinde Bottrop. Nette Menschen, viel Wald, und viel graue Nachkriegsarchitektur. Letzteres vermisst sie natürlich nicht. Die offenen, bescheidenen Menschen mit dem Herz auf der Zunge schon. Bedingt durch ihren Job ist Ruth viel in der ganzen Welt unterwegs. Darum brauchte sie auch länger um sich in Basel einen Freundeskreis aufzubauen: «Mittlerweile kenne ich eine Handvoll Leute. Für mehr Kontakte fehlt mir die Zeit, aber die Sehnsucht nach Freunden, die wie früher in Grafenau spontan bei mir Zuhause vorbeischauen ist geblieben.»

Auf offene oder versteckte Ablehnung wegen ihrer Nationalität ist sie nie gestossen. Sich zu integrieren fiel ihr auch nicht schwer: «Aber wäre ich nicht so viel auf Reisen, hätte ich natürlich viel mehr und tiefere Freundschaften schliessen können. Zudem sind die meisten Leute ab Ende Dreissig mit Familie und ihrem festem Freundeskreis ausreichend bedient.». Mit direkt auf sie bezogene Vorurteilen wurde Ruth auch nicht konfrontiert. Aber das es allgemein solche gibt, bekommt auch sie immer wieder mit: Deutsche sind laut und es sind zu viele.

Basel gefällt ihr sehr. Die Stadt, die Menschen, der Rhein, das viele Grün. Was ihr weniger gefällt: «Das ich nicht wählen kann, obwohl ich hier lebe, arbeite, Steuern zahle.»

Steve, 25 Jahre alt, Fachmann Gesundheit in Ausbildung

Steve kam vor zehn Jahren aus Rathenow an der Havel nach Basel. Anfangs bereitete ihm die Integration Mühe. Das lag auch daran, dass er eigentlich keine Lust verspürte sich anzupassen. Dazu war er zu sehr in seiner Heimat verwurzelt. Zudem hatte er bei der Entscheidung nach Basel zu ziehen kein Mitspracherecht. Inzwischen kann Steve sich nicht mehr vorstellen zurück nach Deutschland zu gehen. Mit Vorurteilen hat er nur selten zu kämpfen. Gelegentliche Ausfälle seiner Freunde wie :«…die arrogante Schwoobe…» kontert er mit einem bösen Blick, worauf dann gewöhnlich der Satz: «Du doch nit, du bisch eine vo uns.» folgt. In der Regel überhört er solche Dinge einfach. «Mich selber nicht so wichtig zu nehmen, gelassen zu bleiben und nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, hat mir die Integration schon erleichtert.» Dazu beigetragen haben auch das Musik machen und die Liebe zur Basler Fasnacht.

Nur wenn jemand während eines Gespräches auf Hochdeutsch umschaltet, wird Steve ungehalten. Für ihn bedeutet das nämlich: «Du kapierst es sonst ja doch nicht.» Zu seinem Freundeskreis zählen nur wenige Deutsche: «Oft erwarten sie, dass ihnen die gebratenen Tauben in den Mund fliegen, sie gehen kaum von sich aus auf die Einheimischen zu, haben keine Lust den Dialekt zu lernen und setzen sich zu wenig mit den Gegebenheiten ihrer neuen Heimat auseinander.».

Udo, 53 Jahre alt, Journalist

Udo, seit 35 Jahren in Basel, kommt aus Essen. Ihm fiel es ausgesprochen leicht, sich in Basel zu assimilieren und einen Freundeskreis aufzubauen. Abgesehen von ein paar Zwischenfällen mit alkoholisierten Rowdys, Baselbieter Nazi-Skins und mit Ressentiments behafteten Gesetzeshütern stiess er auf keine Feindseligkeit aufgrund seiner Herkunft. Auf die Frage, ob er sich mit Vorurteilen herumschlagen müsste, antwortete er: «Herumschlagen ist ein starkes Wort. Natürlich erlebe ich das immer noch, vor allem von alten und bildungsfernen Menschen. Aber das interessiert mich nicht. Ich kann die nicht leiden und sie mich nicht. Was soll’s? Umgekehrt erlebe ich öfter, dass Deutsche völlig bescheuerte Vorurteile gegenüber der Schweiz und den Schweizern haben. Alles was sie über Land und Leute zu wissen meinen, scheinen sie aus Asterix zu haben.»

Sein Urteil über Basel und die Schweiz fällt ebenso klar aus: «Ich mag die Schweizer. Und an einem Volk generell stört mich sowieso nichts. An der Schweiz? Höchstens die Lebenshaltungskosten, die Steuererklärung. Die Schweizer gibt es meiner Ansicht nach nicht. Nebst den vielen Dialekten und vier Sprachen trifft man auf sehr engem Raum auf völlig unterschiedliche Mentalitäten und Temperamente. Das gefällt mir. Mal mehr, mal weniger. Manchmal wünsche ich mir ein bisschen mehr Offenheit und Konfliktbereitschaft. Aber nobody is perfect. Dafür sind die Schweizer, hat man sie erst mal für sich gewonnen, sehr verbindlich und loyal.»

Für seine Landsleute hat Udo folgende Botschaft: «Das klingt jetzt vielleicht etwas seltsam. Aber daran, dass die Deutschen sich zum Teil abgelehnt fühlen, sind sie oft selber Schuld. Ich merke das, wenn ich Besuch habe oder neu zugewanderte kennenlerne. Deutsche sind es nicht gewohnt als Arbeitskräfte Ausländer zu sein. Wir erwarten automatisch, dass man es uns recht macht, wohin wir auch kommen. Oft verstehen wir nicht, dass man Sachen auch anders (und erst noch besser) organisieren kann als in Deutschland. Generell erlebe ich die Schweiz trotz SVP und tatsächlicher Masseneinwanderung als deutlich toleranter und weniger rassistisch als Deutschland. Das geht übrigens auch meinen südländischen und aussereuropäischen Freunden so.»

Wanderer zwischen den Grenzen

In Basel ist dies seit vielen Jahrzehnten ein vertrautes Bild: Täglich strömen tausende Frauen und Männer aus Deutschland über die Grenze um hier ihre Brötchen zu verdienen. Die mit der fast schon poetischen Bezeichnung «Grenzgänger» versehenen Arbeitskräfte halten den Wirtschaftsstandort Basel in Schwung. Niemand stellt das in Frage. Bestehen da überhaupt noch irgendwelche Animositäten von Seiten der Baslerinnen und Basler? Wir werden sehen.

Manuel, 50 Jahre alt, Art Director

Seit rund 23 Jahren pendelt Manuel an jedem Arbeitstag von Lörrach nach Basel und abends wieder zurück. Oft mit dem Velo, mal mit dem Auto und nur wenn’s nicht anders geht per ÖV. Ausschlaggebend für die Wahl des Fortbewegungsmittel ist die Wettersituation. Probleme am Zoll in Form von langen Wartezeiten erlebt er, abgesehen von den inzwischen üblichen Staus,  sehr selten. Seine Entscheidung in Basel zu arbeiten hängt eng mit seinem Beruf als Grafiker zusammen: «In einer Grossstadt wie Basel habe ich bedeutend mehr und attraktivere Möglichkeiten. Ausserdem hatte ich schon immer ein Faible für Schweizer und im speziellen für Basler Grafik und Typografie, die ja in ihren Glanzzeiten weit über die Grenzen Zeichen setzte.»

Vorbehalte, Vorurteile oder sogar Feindseligkeiten wegen seiner Nationalität hat er noch nie erlebt: «Mit meinen Schweizer Kolleginnen und Kollegen habe ich ein sehr gutes Verhältnis. Ich schätze die typisch Schweizerische diplomatische Höflichkeit sehr. Viele meiner besten und engsten Freundinnen  und Freunde sind Basler, beziehungsweise Schweizer.» Manuel spricht Hochdeutsch. Ab und zu passiert es, dass Basler mitten im Gespräch ins Hochdeutsche wechseln: «Das irritiert mich manchmal, wobei ich aber auch weiss, dass dies bei viele unbewusst und automatisch geschieht.»

Auch die Stadt selber hat sein Herz erobert: «Basel gefällt mir sehr. Die Kombination von historischem und modernem, der man in Basel überall begegnet, finde ich sehr spannend. Und obwohl ich nicht in der Schweiz wohne, ist Basel für mich der Mittelpunkt unserer Region.»

Andrea, 33 Jahre alt, Assistentin

Die Lörracherin Andrea arbeitet seit 8 Jahren in Basel. Durch Zufall, wie sie betont. Ihren täglichen Arbeitsweg legt sie mit dem öffentlichen Verkehr,  genauer mit der S-Bahn zurück. Dies führt immer wieder zu Verzögerungen beim Grenzübertritt. An ihrem Arbeitsplatz fühlt sie sich ausgesprochen wohl: «Mit meinen Kolleginnen und Kollegen gibt es keinerlei Unstimmigkeiten. Vorurteile oder dumme Sprüche wegen meiner Herkunft habe ich noch nie erlebt.»

Ausserhalb des Arbeitsalltags pflegt Andrea ebenfalls viele Kontakte mit Einheimischen, von denen sie einige zu ihrem Freundeskreis zählt. Die Stadt Basel hat es ihr angetan: «Ich fühle mich hier rundum wohl. Sowohl die einzigartige Ambiance als auch die vielen Möglichkeiten seine Freizeit zu verbringen schätze ich sehr.»

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