Nicht nur Briefe und Werbung zustellen: Das Aufgabengebiet der Pöstler könnte wie in Frankreich und Deutschland ausgebaut werden  ©keystone
Nicht nur Briefe und Werbung zustellen: Das Aufgabengebiet der Pöstler könnte wie in Frankreich und Deutschland ausgebaut werden ©keystone
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Deutschland zeigt wie: Mehr Sicherheit für Basels Senioren durch regelmässige Kurzbesuche der Postboten?

Die Post baut ab oder auch um, je nachdem wie man es sehen möchte. Poststellen verschwinden oder werden in Apotheken und Lebensmittelgeschäfte integriert. Doch auch die Arbeit der Postangestellten ändert sich. Und wie.

Damit Senioren länger in den eigenen vier Wänden leben können, initiiert die deutsche Stadt Bremen (rund 566'000 Einwohner) neu einen Pilotversuch namens «Herbsthelfer». Postboten sollen ihnen nicht mehr nur Briefe zustellen, sondern selbst wenn es nichts zuzustellen gibt, regelmässig bei ihnen klingeln und nach deren Wohlbefinden fragen. Zu den Aufgaben gehört auch Bargeld zu übergeben, Angehörige oder im Notfall die Sanität zu informieren. In vielen Schweizer Dörfern, wo sich Pöstler und Kunde persönlich gut kennen, ist das auch nicht verordnete Realität. Eine schöne Idee findet auch die Basler Pöstlerin R.N. (Name der Redaktion bekannt). Falls die Zeit reiche, würde selbst sie - ohne Auftrag und Wissen des Arbeitgebers - die Post älteren Menschen direkt an der Wohnungstür abgeben, schon mal den Hausmüll nach unten tragen und gelegentlich einfach mal klingeln um zu fragen, ob alles in Ordnung sei. 

Für ihre 27 Jahre ist sie mit fast zehn Jahren schon lange dabei. «Aber nicht mehr lange», wie sie meint. Es sei Zeit für etwas anderes. Der Beruf der Postbotin sei zwar schön, aber die ewigen Reorganisationen und Änderungen seien auf Dauer nervig. Die einzige kundenfreundliche neue Dienstleistung von der sie weiss, sei das Abholen der alten Nespresso-Kapseln. Und obwohl es immer weniger Briefe auszutragen gäbe, käme sie wegen der stetig steigenden Zahl von zu verteilenden Werbegeschenken kaum noch der strengen Zeitvorgabe hinterher. Erst kürzlich kam auch die Barfi-Redaktion in den Genuss eines «Mediterranen Couscous» von Knorr, unfreiwilliger Überbringer war unser Postbote.

Ob Couscous oder Waschmaschinentabs - die Post verteilt neben Briefen immer häufiger auch diese Art von Werbung.

Ähnliche Angebote, wie in Bremen, existieren in der Schweiz offiziell zwar (noch?) nicht, doch auch die Schweizer Post geht mit der Zeit und baut ihr Angebot stetig aus. Allerdings dient diese Erweiterung nicht der Sorge um die Gesundheit der Senioren, ihr geht es ums reine Geschäft. So unterstützt sie zum Beispiel Landwirte, doch nur gegen Bares versteht sich, bei der Logistik und dem Vertrieb ihrer Produkte in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet. Die Endkunden ersparen sich somit den Weg zum Bauernof und erhalten eine frische und saisonale Lieferung von Gemüse, Früchten, Brot oder Eiern an der eigenen Haustür.

©Screenshot Post CH AG

Ein allerdings wirklich vernünftiger Pilotversuch fand in Grenchen, Bettlach und Ostermundigen von November 2017 bis Ende Januar 2018 mit Esswaren statt. Die Post sammelte bei ihren Kunden übrig gebliebene Lebensmittel ein. Regelmässig holte «Tischlein deck Dich» diese dann beim gelben Riesen ab, überprüfte und sortierte sie. In Abgabestellen konnten bedürftige Menschen gegen einen symbolischen Franken geniessbare Lebensmittel beziehen.

Auch das Einsammeln von Altpapier übernimmt die Post seit dem 1. Februar 2017 wöchentlich in einigen Dörfern der Grossgemeinde Surses im Bündnerland. Zur Freude der Einwohner konnte der zunächst auf ein Jahr begrenzte Pilotversuch mittlerweile für unbestimmte Zeit verlängert werden. Ganz kostenlos ist der Service allerdings hier nicht. Rund 700 Haushaltungen bezahlen dafür eine jährliche Pauschale von 40 Franken.

Nebst dem nationalen Einsammeln alter Nespressokapseln, sowie gefüllten Texaidsäcken in Baselland, mag das Angebot der Post in unserer urbanen Gegend nicht zu berauschen. Zwar würde für die Region Basel, wie auch gesamtschweizerisch, das Angebot des Stromablesens bestehen, doch wird das Angebot nicht genutzt: Es liege im Ermessen der Energieversorgungsunternehmen zu entscheiden, wie die Ablesung der Zähler sichergestellt werde, heisst es seitens der Post AG auf Anfrage von barfi.ch.

Das Angebot regelmässig bei alleinlebenden, betagten Menschen kurz vorbeizuschauen, wie in Bremen und übrigens bereits seit vielen Jahren in Frankreich üblich, wäre auch bei den Seniorinnen und Senioren der Region Basel äusserst wertvoll. Für viele alte, einsame Menschen kommt niemand so oft an der Haustüre vorbei, wie der Postbote. Ein kurzes Klingeln und die Frage ob alles in Ordnung ist, wäre beruhigend für Betroffene und ihre Angehörigen. Es muss ja nicht gleich ausarten, wie beim Postboten Antoine, in der französischen Filmkomödie «Bievenue chez les Ch’tis». Er hält bei den meisten seiner Kunden nicht nur für ein Schwätzchen, sondern gleich auch für ein Gläschen Hochprozentigen an und kehrt jeweils stockbetrunken von seinen Botengängen zurück. Wobei es vor noch gar nicht allzu langer Zeit auch bei uns nicht unüblich war, dass für den armen Pöstler im kalten Winter auch einmal ein Kaffi fertig beim Empfänger bereitstand. 

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