Der IBM 1620, der erste Computer der Basler Verwaltung. Bild: Wikipedia/Roger Dudley
Der IBM 1620, der erste Computer der Basler Verwaltung. Bild: Wikipedia/Roger Dudley
  • Jonas Egli
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Die Anfänge der Digitalisierung vor 50 Jahren: Basel mietet den ersten Computer

Vor genau 50 Jahren schlugen vier namhafte Basler Persönlichkeiten vor, die Stadt endlich mit einer «elektronischen Datenverarbeitung» auszustatten. Was aus dem Vorschlag wurde.

  

Ihr eigentliches Ziel war nicht der schlanke Staat, sondern die gemächlichen Beamten selbst. Sie wollten dem Schlendrian in der Verwaltung an den Kragen: «Die Zeit des beschaulichen Beamtentums ist schon lange vorbei», stellten Lukas Burckhardt, August Flubacher Adolf Rapp und Franz Hess 1968 in einem Artikel fest. «Der moderne Beamte», so fordern sie, «darf nicht mehr am Gestrigen haftenbleiben und alles so machen, wie es immer schon gemacht worden ist.» Deswegen, so die vier Vorreiter, soll Basel auf ein eigenes EDV-System umstellen. Ein solches System soll «Grunddaten, [die] sich vielfach wiederholen, entsprechend überschneiden und an mehreren Orten geführt werden» vereinheitlichen und zentralisieren. 1968 sei gemäss Schätzungen rund ein Drittel des administrativen Apparates alleine mit der Bearbeitung solcher Daten beschäftigt. Mit enormen Kosten: Zwischen 1957 und 1967 stellten sie eine Zunahme der Anzahl städtischer Beamter von 32 Prozent fest. Tendenz steigend.

Quelle: www.baslerstadtbuch.ch/stadtbuch/1968/1968_1248.html

Eine Rechenstunde, bitte. Zum mitnehmen.

Damals kannte Basel zwar bereits ein EDV-System, musste die dafür nötige Rechenleistung allerdings in Form von einzelnen Rechenstunden bei der Uni abkaufen, welche eine 1968 bereits 10 Jahre alte IBM 1620-Anlage mit eingebauter Schreibmaschine betrieb. Die teuer bezahlten Ergebnisse wurden dann auf Lochkarten gestanzt in die Verwaltung zurückgetragen und sorgten dort für überquellende Aktenschränke. Der Kredit von 150’000 Franken jährlich für die Stunden am Uni-Rechner sollte 1969 auslaufen, weshalb die vier Pioniere darauf pochten, für die Folgeperiode doch bitte ein eigenes System anzuschaffen. Die Beamten könnten sich dank der «Entlastung von serienmässigen und mechanischen Arbeiten» wichtigeren Dingen widmen.

Ziel erreicht, Beamtenstaat verschlankt

Was die Basler Verwaltung vor 50 Jahren anschaffen wollte, tragen wir heute alle in vielfach leistungsfähigerer Ausführung in der Hosentasche und von aussen betrachtet sehen die meisten Jobs gleich aus: Computer, Bildschirm, Maus, Tastatur, Emails. Listen voller Zahlen. Kein Problem, welches nicht mit Excel abstrahiert und per Email kommuniziert werden könnte. Das Ziel wurde erreicht: Die Grösse des Beamtenapparates ist seit 1968 um fast 18% zurückgegangen. 

Heute, 50 Jahre später, scheint die Vision der drei Herren erfüllt zu sein: Am Spiegelhof ziehen wir einen Zettel, bevor ein Bildschirm uns dazu aufruft, sich beim entsprechenden Schalter zu melden, damit dort jemand an einem anderen Bildschirm unsere Daten aufruft und das entprechende Formular, die entsprechenden Daten aus dem System ausliest, ohne den Platz zu verlassen. Den Termin haben wir auf einer Internetseite per Smartphone gebucht. Die «elektronische Datenverarbeitung», kurz EDV, heisst heute schick «e-Government». Steuer-IDs, Registernummern, Online-Konten und Logins sind in unser Leben eingedrungen. Doch ist damit alles einfacher geworden?

Das Resultat des IBM 1620: unendlich viele Lochkarten. Screenshot von www.youtube.com/watch?v=N12pQBiRd7A

Vereinheitlichung mit Schwierigkeiten

Wunsch und Wirklichkeit stehen in Konflikt. Die Einführung der einheitlichen Swiss-ID wird, bereits im zweiten Anlauf, nicht etwa vom Bund koordiniert, sondern von der Post, welche bisher nur die SBB für die Idee gewinnen konnte. Trotz SwissID, deren gesetzlicher Rahmen diesen Sommer ausgearbeitet werden soll, distanziert sich die Stadt Basel vom Traum der Zentralisierung vorsichtig: Zwar immer noch in der städtischen Informatikstrategie als einer der drei Pfeiler der Umsetzungsplanung verankert, sei Standardisierung nicht etwa «gleichzusetzen mit Vereinheitlichung oder Zentralisierung». 

Wird sie je kommen, die SwissID? Bild: Keystone

Auch Daten machen Ärger

Die Autoren fragten schon 1968: «Wie fühlt sich der Mensch als Objekt der Rationalisierung?» Die richtige Frage lautet: Wie verhält sich der Mensch angesichts der rationalisierten Datenbanken? Was Burckhardt, Flubacher, Rapp und Hess in ihrem Eifer nicht ahnten: Wann immer viele Daten an einem Ort zusammenkommen, entstehen Gefahren. Berühmt wurde im letzten Jahr der Fall eines Basler Polizisten, der sich im EVD-System der Kantonspolizei frei an den privaten Nummern seiner jüngeren Kolleginnen bediente. Zentralisierte Daten stellen sich als heikler heraus, als die Visionäre erhofften, die wahre Macht von persönlichen Daten wurde uns erst in den letzten Jahren richtig bewusst. Dass Daten zu einem globalen Handelsgut werden, konnten die vier nicht voraussehen.

Die Zentralisierung ist auch heute, 50 Jahre später, noch die grösste Hürde und der Passierschein A38 gehört auch im digitalen Zeitalter noch nicht der Vergangenheit an. Wie Burckhardt und Kollegen festgestellt haben: «Die Konfrontation mit dem Computer hat uns Menschen gezeigt, dass wir sehr viel Wissen, Erfahrung und Eifer aufbieten müssen, um dieses Hilfsmittel optimal einsetzen zu können.» Das heisst nicht, dass das Projekt gestorben wäre: Das Informatikleitbild 2018+ der kantonalen Verwaltung hält trotzdem fest: «das zentrale elektronische Behördenportal des Kantons Basel-Stadt wird weiter ausgebaut».

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