Die Geschichte fängt ganz unspektakulär mit einem Bundesgesetz für Gewässerschutz an. Dieser Erlass setzte die Stadt Basel unter Druck endlich eine Kläranlage zu bauen. Nach fünf Jahren Bauzeit feierte die Stadt unglaublich spät Anfang der 1980er Jahre (!!!) die Eröffnung der Pro Rheno Ara. Der Beginn unserer Geschichte vom ersten Basler Schwimmsacks.
Endlich! Der Rhein ist wieder sauber
Anita Friedlin mitorganisierte damals den «Tag der offenen Tür» der Kläranlage. In einer Sitzung wurde die entscheidende Frage gestellt: Was kann man zu diesem Anlass machen, um den Leuten zu zeigen, dass sie nun endlich im Rhein schwimmen können? «Glaubwürdig ist es erst, wenn ganz viele Menschen im Rhein schwimmen», war die Antwort von Anita Friedlin.
Natürlich gab es immer wieder trotz der schlechten Wasserqualität und den vorbeiziehenden Fäkalien der Stadtbewohner vereinzelte Rheinschwimmer. «Vor allem junge Menschen und vor allem Männer», erinnert sich die Schwimmsack-Erfinderin. Und die hatten alle das gleiche Problem: Wohin mit den Kleidern? «Es gab einige, die ihre Textilien in einem Kehrichtsack mit in den Rhein nahmen», sagt Anita Friedlin. Doch das war keine gute Lösung, Wasser drang immer durch. Es gab auch die teure Variante der wasserdichten Säcke für Segler. Doch mit einem Preis von achtzig Franken viel zu teuer für sporadische Rheinschwimmer.
Eine Idee, die alles veränderte
«Da machte ich folgenden Vorschlag; mit einem bezahlbaren Schwimmsack ausgerüstet, der wirklich hält, kommen die Menschen wieder in den Rhein». Regierungsrat Eugen Keller war einverstanden und übergab Anita Friedlin die Leitung für die Realisierung der Idee. «Aber da hatte ich ein Problem – wie macht man das?», lacht heute Anita Friedlin heute. Und vor allem: Wie gewährleistet man die Sicherheit der Schwimmerinnen und Schwimmer?
Sicherheit an erster Stelle
Das erste Gespräch führte Anita Friedlin mit der Rheinpolizei. Danach war klar, der Sack muss eine knallige Farbe haben und eine Sollbruchstelle. Ganz wichtig war, dass der Sack keine Schwimmhilfe sein kann und sich nicht in einer Boje verfangen darf. «Das Schwimmen wäre sonst lebensgefährlich gewesen», sagt Anita Friedlin. «Denn nicht alle sind gewiefte Fluss-Schwimmer».
Dachabdeckungen im Rhein
Die Kunststoffabteilung der Ciba-Geigy half der Projektleiterin dann auch bei Frage, woraus der Sack bestehen sollte. «Ich ging zur Firma Sarnafil für Flachdachabdichtungen», erinnert sich Anita Friedlin. «Diese führen einen Kunststoff, der garantiert kein Wasser durchlässt». An den Wochenenden besuchte Anita Friedlin Taucherläden und suchte das ideale Schliesssystem für den Sack. Die Lösung war ein Verschluss, wie man ihn heute von kleinen Plastiksäckchen her kennt.
Alle Rechte abgetreten
Am Tag der offenen Tür wurden zweitausend Schwimmsäcke per Wettbewerb verschenkt. Sie waren sofort weg. Danach beschloss das Projektteam: Die Verbreitung des Schwimmsacks muss weitergehen. Aber weder die Kläranlage noch die Pharmariesen oder das Gewässerschutzamt konnten diese Aufgabe übernehmen. Viele der Rechte liefen über Anita Friedlin. «Ich trat also alle Rechte ab und übergab sie der Schweizerischen Lebensrettungsgesellschaft», erinnert sie sich. Die einzige Auflage war, dass der Sack weiter produziert und verbreitet werden muss. Zum Selbstkostenpreis. «Für mich war es wichtig, dass man kein Geschäft daraus macht und sich auch Familien den Sack leisten konnten».
Endlich Fortschritte in der Szene
Der Rest ist Geschichte: Die Behörden und die Rheinpolizei installierten Bojen, es entstanden eine Schwimm- und eine Gefahrenzone. Dann, eines Tages, kam der Wickelfisch. «Das fand ich ganz toll», strahlt Anita Friedlin. Denn sie hätte lange das Gefühl gehabt, dass ihr ein Fehler unterlaufen sei.«Ich habe immer gesagt, der Sack muss billig und sicher sein», sagt sie. «Ich habe aber nie gesagt, er muss auch poppig wirken». Dass sie die Rechte gratis abgetreten hat und heute nicht das grosse Geld mit dem Sack machte, reut sie nicht. «Ich wollte nie damit verdienen.» Deshalb war dann auch die Reaktion auf den nicht mehr nur praktischen, sondern plötzlich auch trendigen Wickelfisch: «Gott sei Dank! Es gibt Fortschritte in dieser Szene». Danke, Frau Friedlin. Sie haben für Basel mit etwas Kleinem ganz Grosses geleistet.
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