• Binci Heeb
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Die neuen mächtigen Basler Familien: Heute Stephan Kestenholz, Patron Kestenholz Gruppe und Mercedes-Papst

Was ganz klein begann, entwickelte sich in knapp einem halben Jahrhundert zu einer grossen Basler Familiensaga: Kestenholz. Der Anfang war hart, es wurde Tag und Nacht in dem kleinen Dreimann Betrieb gearbeitet. Nach einer Geschäftspause des Gründers gab es 1976 einen Neustart, der eigentliche Anfang einer unglaublichen Erfolgsgeschichte. Durch ein Beratungsengagement bei der Nutzfahrzeugmarke Hanomag-Henschel entstand Mercedes-Benz in der Nordwestschweiz. Das Geschäft entwickelte sich gut: Ein Basler-, oder genauer ein Baselbieter Familienbetrieb getragen vom Patron und seinen beiden Söhnen. 

Erwin Kestenholz (1966) / Vater von Stephan Kestenholz

Einsatz, Zusammenhalt und dadurch wachsender Erfolg machte diverse Übernahmen und Ankäufe weiterer Firmen möglich. Aus der einst bescheidenen Garage im Oberbaselbiet wurde ein expandierendes, immer breiter abgestütztes Unternehmen. Zunächst noch unter den alten unterschiedlichen Namen entstand die heutige Kestenholz Gruppe. 1992 übernahm Stephan Kestenholz die Verantwortung für die Unternehmensleitung von seinem Vater. Und weiter ging es Schlag auf Schlag. 2003 eröffnete seine Frau Lilo die erste Mercedes Spot Caffè-Bar an der Schneidergasse in Basel und 2008 konnte das von Herzog & de Meuron entworfene Autohaus beim St. Jakob-Park bezogen werden. 2010 wurde das Classic Center in Birsfelden eröffnet, nur ein Jahr später folgte das Gebrauchtwagencenter in Pratteln (Rüttiweg). 2013 wurde das Nutzfahrzeug Center von Basel in einen Neubau nach Pratteln verlegt. Zwei Jahre später konnte auch das Gebrauchtwagencenter auf das Magnetareal in Pratteln integriert werden. 2015 eröffnete Kestenholz die AMG Lounge in Basel.

Im Mai 2015 unterschrieb die Familie den Kaufvertrag für die Werksniederlassungen in Freiburg im Breisgau und Bad Säckingen mit rund 320 Mitarbeitenden. Seit Anfang Jahr laufen die neuen deutschen Betriebe unabhängig vom Hersteller Daimler. Höchste Zeit also, um mit Stephan Kestenholz, dem Delegierten des Verwaltungsrates der Kestenholz Holding AG, zu sprechen.

Wir haben Stephan Kestenholz nach Freiburg in Breisgau begleitet, wo er uns den neuen Standort präsentierte. Auf stolzen 55 000 Quadratmetern sind dort Verkaufsräume für Neuwagen, Occasionen, Karosserie und Lack, Reparaturwerkstätten für PW und LW und die Ersatzteillogistk untergebracht.

Barfi.ch: Der Mai scheint ein wichtiger Monat für Ihre Familie zu sein. Vor 64 Jahren gründete Ihr Vater die Firma und letztes Jahr im selben Frühlingsmonat verdoppelte sich mit dem Kauf der beiden Werksniederlassungen in Freiburg und Bad Säckingen über Nacht die Mitarbeiterzahl auf 664. Wie lange haben Sie an diesem Vorhaben gearbeitet?

Stephan Kestenholz: Es passierte nicht von einem Tag auf den anderen, es gab eine lange Analyse- und Entwicklungsphase. Mein Vater wollte in den 80er Jahren ins Wallis, Aargau oder nach Zürich expandieren, die Expansionsgelüste konnte ich zwar teilen, nicht aber die Wahl der Standorte. Damals war ich auch noch davon überzeugt, dass die Schweiz dem EWR und der EU beitreten würde. Ich schlug meinem Vater nach einer intensiven Marktanalyse vor ein klares, strategisches Leitbild zu entwickeln. Ich ging davon aus, dass die Automobilhersteller nach der Phase «Lean Production» das Thema «Lean Distribution» angehen. Hersteller, Händler, Kunde ohne Importeur, ohne Lokalhändler: ganz kurze Wege. Aus dieser Überlegung hätten wir dann als Schweizer Betrieb unsere Jahresbestellung direkt im Werk machen müssen. Mit dazumal rund 350 Neuwagen wären wir aber ein sehr kleiner Kunde von Mercedes-Benz gewesen.

Familie Erwin Kestenholz (1955)

Mit einem Zirkel machte ich den Kreis um Basel-Stadt und habe das Dreiland als unser Wachstumsgebiet festgelegt. Mit diesem Leitbild war auch der Senior einverstanden und so haben wir uns dann in den 90er Jahren in der Nordwestschweiz, im Elsass und in Lörrach ausgedehnt. Innert 10 Jahren konnten wir Ende der 90er dort die Zahl der Neuwagenverkäufe auf 4’500 erhöhen. Ein grosser Erfolg, wobei weder die Schweiz in den EWR ging, noch der Hersteller den schlanken Vertrieb einführte.

Nach dem Kauf der Bühler Automobile in Lörrach vor 18 Jahren sahen wir, dass viele andere Autohäuser in der deutschen Nachbarschaft von den Schweizer Kunden lebten. Wir wollten das Gebiet konsolidieren. Wenn Kundschaft schon nach Deutschland geht, dann zu uns, war die Devise. Wir planten den Kauf anderer Familienbetriebe im Hochrhein, diese wollten aber nicht verkaufen. Speziell interessierte uns der Erwerb der ältesten Mercedes-Niederlassung in Deutschland in Bad Säckingen mit 40 Angestellten. Doch sie war damals nicht zu haben.

Nach zehn Jahre in Mulhouse und der Betreuung von Mercedes-Benz im Gebiet Haut-Rhin mussten wir einsehen, dass Frankreich nicht so einfach zu führen ist. Unser Expansionsschritt war nicht von einem guten Stern begleitet. Es endete in einer riesen Schlappe. Die beiden Betriebe PW und Nutzfahrzeuge mussten verkauft werden und ein herber Verlust musste abgeschrieben werden.

Wir brauchten einige Jahre, um den Verlust zu verkraften und suchten dennoch nach weiteren Standorten. Ein neues Unternehmensleitbild 2010 wurde geschrieben, diese Mal kein «Expansionspapier» sondern ein Qualitätsleitbild. Im dritten Unternehmensleitbild 2020 haben wir uns dann neben der Qualität auch mit einer erneuten Wachstumsstrategie auseinandergesetzt. Einige Betriebe in der Schweiz wurden uns angeboten, alle Optionen waren uns aber zu weit weg von der Stamm-Region.

Und dann kam plötzlich die Chance des grossen Ausbaus in Deutschland. Doch es soll Mitbewerber aus der ganzen Welt gegeben haben?

Kestenholz in Freiburg in Breisgau auf über 55 000 Quadratmetern

Da muss ich etwas ausholen. Vor 1.5 Jahren kam das Gerücht auf, dass Daimler, der Hersteller von Mercedes, Niederlassungen in Deutschland privatisieren wollte. So kam plötzlich auch Bad Säckingen und die Hochrhein-Konsolidierung wieder ins Spiel. Der Mutterkonzern Daimler wollte die beiden Standorte Freiburg und Bad Säckingen nur zusammen veräussern. Es gab eine Ausschreibung und ich konnte eine Offerte abgeben. Die Freiburger Niederlassung mit 280 Mitarbeitenden war aber schon ein grosser Brocken, weshalb wir zunächst einen Partner suchten. Ein Partner der Freiburg und die nördliche Region übernehmen sollte, Kestenholz hätte dann ein neues Gebiet Hochrhein bis und mit Müllheim, inkl. Bad Säckingen übernommen. Gemeinsam mit diesem Partner wurde ein erstes Angebot gemacht. Es handelte sich um eine weltweite Ausschreibung. Selbst das US-Unternehmen Penske, der grösste Garagist der Welt, und der stärkste Händler Chinas boten bei den angebotenen Mercedes Niederlassungen mit. Nach der ersten Bieterrunden haben wir uns dann von unserem Partner getrennt. Nach nochmaliger Situationsanalyse und einer neuen Bewertung haben wir uns entschlossen alleine weiterzubieten. Nach einer abschliessenden dritten Runde hat sich die Daimler AG entschlossen, das Gebiet Südbaden in die Hände unserer Familie zu geben.

Sie kämpften gegen die mächtigsten Händler der Welt um die Übernahme, was gab den Ausschlag für den Zuschlag an Kestenholz. Der Preis, bei solcher Konkurrenz?

Ich glaube es war unser gutes Renommee. Wir konnten vorweisen, dass wir seit 18 Jahren erfolgreich in Lörrach arbeiteten. Das hat wohl auch für die positive Einstellung der Mitarbeiter in Freiburg den Ausschlag gegeben. Die chinesischen und amerikanischen Bieter kannten sie nicht. Zudem war es dem Vorstand von Daimler/Mercedes in Stuttgart ganz recht, dass nicht einer der bereits bestehenden, sehr grossen Händler in Deutschland noch stärker wird. Sie wollten lieber einen Mittelständler, von dem mehr Engagement erwartet werden konnte.

Wie funktionierte die Integration der zuvor dem Hersteller selber gehörenden Betriebe in die Kestenholz Gruppe? Prallten anfänglich nicht zwei Kulturen aufeinander?

Als wir den Zuschlag erhielten, bemühten wir uns erfolgreich um das Einverständnis der IG Metall und des Betriebsrates. Am Morgen unterschrieben wir in Stuttgart den Kaufvertrag und am Nachmittag war um 15.00 Uhr bereits die erste Betriebsversammlung. Ich stellte unsere Familie, die Firma und unsere Strategie vor. Von Mai bis Dezember haben wir dann die Übernahme vorbereitet. Das ganze IT-Systeme war natürlich vollständig von Daimler und mit Stuttgart und Berlin gekoppelt. Per 31.12. wurde aber dieses System gekappt und wir mussten ab dem 1.1.2016 eine eigene IT Landschaft aufgebaut haben. Ebenfalls von Mai bis Dezember 2015 mussten wir mit allen neuen Mitarbeitern Arbeitsverträge abschliessen und uns auf die Zusammenarbeit einigen. Die Teams hatten also gleichzeitig in dieser Phase zwei Chefs: Daimler und uns. In dieser Zeit konnten wir die Mitarbeiter kennenlernen. Sie waren sehr aufnahmefähig und legten viel Freude an den Tag. Aber man muss sich das einmal vorstellen: Am 1. Januar hatte ein Drittel der Mitarbeiter in den übernommenen Betrieben bereits über 30 Dienstjahre beim Hersteller als Arbeitgeber hinter sich, Ihre Väter arbeiteten zum Teil bereits dort, auch der eigene Sohn war mittlerweile im Betrieb. Wir sind Daimler hiess es immer, die, die besten Autos bauen, Teil des Mutterkonzerns.

Und nun gehören wir zu Kestenholz. Das sind schon zwei verschiedene Kulturen. Da komme ich als Chef, gebe jedem Mitarbeiter, dem ich begegne, die Hand. So etwas kannte man nicht. Doch die Grundkultur der Südbadener ist wie die der Baselbieter, das gefällt mir natürlich sehr. Wir sind nun einer der grössten Arbeitgeber in der Umgebung Freiburg mit 320 Mitarbeitenden.

In den ersten acht Monaten hatte ich Begegnungen mit Kunden, unter anderem auch mit dem Freiburger Oberbürgermeister Salomon, die sind so beeindruckend, dass ich schier ausflippe. Da macht man Geschäfte noch mit Handschlag und es funktioniert. Auf der menschlichen Ebene sehe ich tatsächlich keine Unterschiede zwischen der Schweiz und Südbaden. Doch ganz anders verhält es sich bei der Führungsstruktur. Da trennen uns Welten. Der deutsche Konzern Daimler ist sehr hierarchisch strukturiert mit diversen Abteilungsleitern, pyramidenförmig geregelt. Einen Niederlassungsleiter sehen die Mitarbeiter fast nie, so direkten Kontakt wie bei uns gab es eher wenig. Das erste, was wir einführten, war eine flache Hierarchie analog unseren Schweizer Betrieben. Es gibt nun einen Geschäftsleiter, darunter die Abteilungsleiter und fertig. Dadurch müssen Entscheidungen selbständig gefällt werden, was Ihnen bis heute manchmal noch etwas schwerfällt. Selber Verantwortung übernehmen und führen ohne grosse «Konzernweisungen» muss noch geübt werden. Am 2. Januar 2016 kam ich morgens um 7 Uhr nach Freiburg, begrüsste jeden Mitarbeiter per Handschlag und wünschte ihm ein gutes neues Jahr. Das ging bis 10 Uhr. Die Führungscrew konnte es fast nicht glauben.

Nun ist die Wirtschaftslage aber derzeit alles andere als rosig, wie entwickelt sich Ihr Geschäft seit der Integration der deutschen Niederlassungen?

Erfreulicherweise gut, sehr gut. Am 1. Januar 2016 fingen wir bei null an, hatten einen Superstart im Januar und die Verkaufszahlen im ersten halben Jahr entwickelten sich viel besser als erwartet. Was bei uns unterschätzt wird: Der Süddeutsche Raum hat im Moment deutlich mehr Dynamik als die Schweiz. Wir starteten in eine gute Zeit. Das gilt auch für die LKW-Sparte, das Geschäft dort läuft sehr gut. Nur die Personenwagen-Werkstatt kommt erst langsam in Fahrt.

Währenddem der Marktanteil von Mercedes Benz in der Schweiz bei sieben Prozent liegt, sind es in der Region Basel 10. Was machen Sie besser?

Ich glaube, dass unsere «Drei-Punkte-Strategie», die wir bereits vor 20 Jahren eingeführt hatten mit Oberwil (Leymen und dem Birstal), Pratteln (Oberbaselbiet) und der Stadion Garage in der Stadt noch immer die richtige ist. Unsere Konkurrenten BMW und Audi hatten so etwas nicht. BMW hat dies in der Zwischenzeit korrigiert und Audi ist ganz fest am Investieren. Mit unserer Aufstellung waren und sind wir sehr nah beim Kunden. Weiteren Erfolg bringt wohl unser aktives Marketing, in diesem Zusammenhang nenne ich explizit auch das Mercedes Caffè, wo wir die Kundennähe mir grosser Freude zelebrieren. Vielleicht liegt unser Erfolg im Mix aus all dem.

Sie verkaufen und unterhalten alte und neue Personenwagen und LKWs, führen Reparaturen aus, haben ein grosses Classic Center, wo verdienen Sie am meisten und wo könnten Sie noch zulegen?

Der grösste Bruttogewinn liegt eindeutig in der Werkstatt. An zweiter Stelle kommt das Ersatzteillager. Am wenigsten verdienen wir, wegen der schmalen Margen, beim Verkauf.

Ihr Sohn Thomas ist Leiter des Wirtschaftsraums Hochrhein mit den Standorten in Lörrach und Bad Säckingen. Wie fühlt er sich in Deutschland?

Eigentlich war Thomas die treibende Kraft bei der Erweiterung. Seit fünf Jahren bereits Leiter des Standorts Lörrach hat er das Expansionsprojekt mit sehr viel Freude begleitet und ist völlig integriert. Als Wirtschaftsraum-Verantwortlicher Hochrhein ist er auch erste Ansprechperson in unserem Betrieb in Freiburg. Der deutsche Markt, als grösster Europas, ist natürlich unglaublich spannend für ihn. Ohne seinen Druck hätte ich wohl nicht expandieren wollen, da ich auch schon über 60 bin und mein Bruder Peter bereits in Pension ist. Er hat mich aber voll mitgerissen und jetzt macht es mir auch unheimlich Spass.

Daniel Kestenholz, der Sohn Ihres vor gut zwei Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgetretenen Bruders Peter ist ebenfalls im Verwaltungsrat. Was sind seine Aufgaben im Familien-Betrieb?

Er ist der Cousin meines Sohns, also genauso Familienmitglied und führt seit drei Jahren den Gebrauchtwagenmarkt in der Schweiz. In diesem Jahr sind das fast 1000 Autos. Mit meinem Sohn und ihm funktioniert das ausgezeichnet. Das darf nicht verwundern. Man muss sehen: In dreissig Jahren des Zusammenarbeitens mit meinem Bruder gab es nicht einmal ein böses Wort zwischen uns, das möchte ich an dieser Stelle unbedingt betonen.

Kestenholz ist ein Familienunternehmen alter Schule. Bruder, Neffe, Schwager, Sohn und seine Frau und Ihre Tochter arbeiten alle im Betrieb. Wann übergeben Sie die Zügel?

Darüber habe ich mir natürlich auch Gedanken gemacht und es wurde alles geregelt. Als meine Frau und ich uns entschlossen die Abenteuerreise von Peking nach Paris zu fahren, fragte ich meinem Bruder, was passieren würde, sollte uns ernsthaft etwas zustossen, es keine Rückkehr geben würde. Wir brauchten eine Regelung. Denn seit dreissig Jahren gehen Peter und ich einmal in der Woche über Mittag zusammen in die Sauna und besprechen das Geschäftliche. Genau dort entschieden wir dann auch, dass Ehe- und Erbschaftsverträge gemacht werden mussten. Die Nachfolgeregelung wurde getroffen. Definitive Stabsübergabe an meinen Nachfolger wird im Jahr 2020 an meinem 65. Geburtstag erfolgen. Die operativen Geschäfte gehen an Thomas und Daniel, die Immobilien bleiben als Familiensilber bei beiden Familienstämmen.

(Fast) aktuelles Familien-Foto der Familie Kestenholz

Wie und wo fällen Sie als Familienoberhaupt ausserhalb der Sauna Grundsatzentscheide für das Gesamt-Unternehmen? Im Sitzungszimmer, zuhause am Küchentisch oder in den Ferien?

Viel in der Nacht oder unter der Dusche, auch beim Joggen. Ich stehe manchmal nachts auf und schreibe mir Ideen auf. Ich habe die Eigenheit dies am nächsten Tag richtig in einem Papier festzuhalten. Entweder zerreisse ich später das Blatt dann wieder oder meine Idee wird an die Geschäftsleitung verteilt. Im Militär lernte ich als Hauptmann das einfache Befehlsschema:  Orientierung, Absicht, Auftrag. Das ist geblieben. Jede Idee notiere ich nach diesem Schema. Das Geschriebene muss immer auf einer Seite Platz haben.

Jetzt bitte auch hier ganz ehrlich: ist es nicht billiger, wenn ich eine Wartung oder einen Blechschaden bei Ihnen in Lörrach oder Freiburg reparieren lasse? Weshalb soll ich es trotzdem in Basel tun?

Ersatzteile sind in Deutschland natürlich 30 Prozent billiger und die Löhne um die Hälfte tiefer, aber die Leistungen unter dem Strich für unsere Kunden überall dieselben. Denn Mit dem Swiss Integral bieten wir eine 3-jährige Vollgarantie und für 10 Jahre oder 100 000 Kilometer ein Servicepaket. Dies gibt es in Deutschland nicht und so hat unser Schweizer Kunde sehr viele Vorteile. Kostenlose Reparaturen können damit die Kunden an uns binden. Das rechnet sich für beide Seiten. Und der Irrglaube, dass Neuwagen in Deutschland günstiger seien, stimmt ebenfalls nicht, denn Mercedes-Benz hat die Verkaufs-Preise 1:1 angepasst. da sind wir nicht frei. Dennoch bedienen wir in Lörrach 25 Prozent der Kunden aus der Schweiz. In Bad Säckingen sind es über die Hälfte. In Freiburg dagegen fast keine. Diese Kunden haben Fahrzeuge mit vielen Kilometern und sind alle älter als 10 Jahre.

Tesla, BMW und andere bieten Elektrofahrzeuge an. Mercedes jetzt nach deutlichem Zögern auch. Liegt hier die Zukunft?

Während die Entwickler von Mercedes-Benz lange nicht an die elektrischen Fahrzeuge glaubten, waren sie Vorreiter in Sachen Brennstoffzellen und Wasserstoff. Heute verkaufen wir die vollelektrische B-Klasse und den Smart. Von jeder Klasse gibt es zudem eine Hybridvariante. Noch sind die Reichweite und die Geschwindigkeit beim Aufladen der Batterie aber Probleme, die von keinem Hersteller wirklich gelöst wurden. In der Stadt und für kürzere Strecken denke ich, dass elektrische Fahrzeuge die Zukunft sind. Nur ist und bleibt die Entsorgung der Batterien ein noch ungelöstes Problem. Hybride dagegen sind eine gute Alternative. Doch trotzdem sehe auch da nicht die Zukunft. Mercedes-Benz investiert im Moment 300 Millionen Euro in Wasserstofftankstellen in Deutschland. Das zeigt, in welche Richtung man gehen will. In Japan zum Beispiel fahren alle Lastwagen, Baumaschinen und frühere Dieselloks bereits mit Brennstoffzellen.

Selbstfahrende Autos sind das Medienthema, die S-Klasse von Mercedes soll bereits heute teilweise von alleine fahren können. Wird das irgendwann Standard?

Ja, die neue E-Klasse kann sogar selbständig überholen. Wenn der Verkehr gleichmässig rollt können wir heute schon mit meinem Fahrzeug auf der Autobahn selbständig fahren und lenken (leider musste ich nach 30 Sekunden das Lenkrad wieder in die Hand nehmen). Ich bin überzeugt, dass in den nächsten 10 Jahren auf Schnellstrassen autonom gefahren wird: Schalter gedrückt, Stuhl gekehrt, Jass klopfen und erholt ankommen, so sehe ich die Zukunft.

Was hat Mercedes-Fahrer sonst noch in der Hinterhand?

Mercedes möchte alle Segmente abdecken. Von der A bis zur S-Klasse. Seit wenigen Tagen gibt es jetzt zum Beispiel auch die C-Klasse Cabriolet mit Allrad. Und Shooting Breaks sind im Kommen. Da wird es für jedes Segment etwas geben. Auch der legendäre Zyklus von Neuwagenvorstellungen einer Klasse nach jeweils immer 7 Jahren wurde aufgegeben. Die Kundschaft möchte bereits nach drei Jahren das Nachfolgemodell fahren. Der Prozess verkürzt sich massiv, die Welt ist viel kurzlebiger geworden.

2019 planen Sie mit Mercedes-City in Pratteln wieder etwas Grosses. Und es soll nicht dabei bleiben hört man.

1981 haben wir den Personenwagen-Betrieb in Pratteln 1981 von der Garage Wöhrle übernommen und periodisch angepasst. Das zweistöckige Gebäude ist nun in die Jahre gekommen. Für einen A-Service erlaubt uns der Hersteller gerade einmal 0.7 Stunden Arbeit. In dieser Zeit muss das Auto entgegengenommen worden sein, in die Werkstatt gehen, Ölfilter ersetzt, andere Arbeiten ausgeführt, das Auto gereinigt und wieder abgeliefert werden. Sie können sich vorstellen, dass das so ohne Anpassung der Liegenschaft zeitlich nicht gehen kann, auf 2 Stockwerken ist das unmöglich. Deshalb haben wir uns entschlossen auf dem Magnet Areal neben unserem Nutzfahrzeug- und Gebrauchtwagenpark einen nach modernsten Erkenntnissen neuen Personenwagenbetrieb zu erstellen. Drei Jahre wurde das nun geplant. Die Baubewilligung erwarten wir demnächst und Mitte 2019 soll das Ganze bezugsbereit sein. Neben diesem Neubau wird in den alten «Schindler Hallen» unser Classic Center eingebettet. Eine Zusammenführen von Neuwagenverkauf, Occasionsverkauf, Service und dem Classic-Center mit riesigem Showroom und vier Mal so grosser Werkstatt, wie bisher, wo ein Mitarbeiter drei Arbeitsplätze erhält und nach jeweiliger Verfügung der Ersatzteile an einem von drei Autos ohne Wartezeiten arbeiten kann. Das gibt es weltweit noch nirgends. Zudem wird es einen Classic-Tresor für 40 Plätze geben, wo Kunden ihren Oldtimer-Liebling abgeben können und wir uns darum kümmern, dass die Batterien jederzeit aufgeladen und das Auto fahrbereit ist. Daneben das Nutzfahrzeuggeschäft mit Transporter bis 3.5 Tonnen. Die LKW-Abteilung bis 41 Tonnen und eigene Abteilung für Busse, sowie ein Karosserie- und Lackwerk sucht seinesgleichen. Deshalb können wir den Standort Pratteln an der Hohenrheinstrasse verkaufen und das bisherige Classic-Car Center in Birsfelden mit Wohnungen überbauen.

Im Januar 2017 schliesslich beginnen die Bauarbeiten für das neue Nutzfahrzeug-Center in Weil am Rhein beim Autobahnzoll. Lörrach wird zu einem reinen Personenwagen-Betrieb mit Karosserie und Lackwerkstatt. Und schliesslich wird die Filiale in Bad Säckingen komplett neu gebaut.

Gott sei Dank wird die Familie Kestenholz immer grösser: vor zwei Wochen bin ich zum zweiten Mal Grossvater geworden. Und darüber noch viel glücklicher, als über all die erfreulichen bestehenden und künftigen Betriebe. 

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