Basler Marktplatz 1830. (Bild: Wikimedia Commons).
Basler Marktplatz 1830. (Bild: Wikimedia Commons).
  • Christian Platz
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Dr Basler Märtplatz, ein Stadtzentrum, das keines ist

Ursprünglich hiess der Platz, an dem das Basler Rathaus steht, Kornmarkt. Hier trafen sich die Basler Bürgerinnen und Bürger jeden Tag, wickelten Geschäfte ab, klatschten, tratschten und kauften ein. Der Kornmarkt war das brummende Zentrum der Talstadt. Heute hat der Märt hier keine grosse Bedeutung mehr, der Marktplatz ist vor allem eine grosse Tramstation, eine Durchgangszone, die – sobald der Abend anbricht – vor allem eins ist: Gespenstisch leer.

Im alten Basel wurde auf dem Marktplatz alles verkauft, was die Bürgerinnen und Bürger im Alltag benötigten; ein Warenhaus unter freiem Himmel: Fleisch, Obst, Getreide, Holz, Putzmittel, Seile, Wein, Stroh, Stoffe, alles zu normalen, marktüblichen Preisen. Er war der wichtigste Handelsplatz der Stadt. Vorher war dies der Münsterplatz gewesen. Schon hier ergibt sich ein bemerkenswerter Kontrast zur heutigen Situation, denn heute ist der Märt eine Art Lebensmittel-Boutique. 

Kaum regionales, sondern teure Allerweltsprodukte

Ganz im Gegensatz zu den Märkten in unseren badischen und elsässer Nachbarorten werden hier kaum regionale Landwirtschaftsprodukte oder gar Spezialitäten angeboten, sondern teure Allerweltsprodukte, die lediglich von einer Stammkundschaft geschätzt werden. 

Erste bekannte Siedlung

Am unteren Ende der Freien Strasse entstand schon um das Jahr 1000 eine Siedlung, der Boden war damals noch feucht und schlammig, der Birsig floss hier dem Rhein entgegen. Im späten 12. Jahrhundert wurde das Gebiet trockengelegt. Mit der Absicht, einen neuen grossen Marktort zu schaffen, einen dritten neben dem Fischmarkt und dem Rümelinsplatz. 

Offener Birsig

Anfänglich war der neue Platz noch durch den offen fliessenden Birsig in zwei Teile getrennt. Wahrscheinlich wurde er aber schon in den 1230-iger Jahren erstmals abgedeckt. Diese Abdeckung erhöhte das Niveau der Marktgasse um einige Meter, deshalb wurden mehrere Treppenstufen angelegt, die zu den Geschäften und Wohnhäusern hinunter führten.

Vom Richthaus zum Rathaus

1290 wurde hier das erste Basler Rathaus, damals Richthaus genannt, gebaut, an der Ecke zur Sporengasse. Es wurde, mitsamt allen Akten und Unterlagen, beim Basler Erdbeben von 1356 zerstört, kurz darauf wurde es durch einen, wenig spektakulären Neubau ersetzt, der den schönen Namen «Palast des Herren» trug. 

Fast quadratisch

Nach dem Beitritt der Schweiz zur Eidgenossenschaft, der Vertrag wurde am 13. Juli 1501 auf dem Kornmarkt, wie der Marktplatz – noch bis ins 19. Jahrhundert hinein – offiziell hiess, unterzeichnet, wollte Basel ein repräsentativeres Rathaus. So entstand ein Teil des heutigen Gebäudes, später wurde es dann nochmals massiv ausgebaut. Der Platz war damals noch eher klein und fast quadratisch. 

Massive Abruchaktion

1891 wurde der Kornmarkt dann vergössert, durch eine massive Abbruchaktion, ein halbes Innerstadtquartier musste daran glauben. Jetzt stand das Rathaus frei, zudem hatte der Markt eine beträchtlich grössere Fläche zur Verfügung – und schon vier Jahre später rollte das erste Tram über den, wie er jetzt hiess, Markplatz.

Zentraler Ort der Basler Geschichte

Was hat dieser Ort nicht alles gesehen, öffentliche Schauprozesse, Regierungsverkündigungen, Zwangsversteigerungen, Hinrichtungen von Tätern, die sich politischen Verbrechen schuldig gemacht haben, auch die Basler Schandsäule, eine Art Pranger, stand hier. Gleichzeitig war er auch ein Ort des Lebens, Marktszenen, Musikanten, Feste, Wandertheater, Schankstuben, Bordelle überall. Eigentlich ist der Märtplatz der zentrale Ort der Basler Geschichte. 

Wartende als Dauerkulisse

Und heute? Gerade mal ein Traditions-Café, ein Restaurant und eine internationale Hamburgerkette haben hier Stühle auf der Strasse. Leider sitzt man nicht besonders gemütlich, denn sieben Tramlinien halten unmittelbar vor den Restaurantgästen, also jede Minute ein Tramzug pro Fahrtrichtung. Wer hier sitzt, hält sich immer zwischen wartenden, pressanten, ungeduldigen Passagieren und Passagieren auf. Der eigentliche Märt steht am Morgen, gegen Mittag läuft hier kaum noch etwas. Das einzige Unterhaltungsangebot am Märtplatz ist das Singerhaus, ein schönes Art-Déco-Gebäude, einst Variète, Edelpuff, Restaurant, Kino und Tanz-Café, das seit einiger Zeit von niemandem mehr erfolgreich bespielt werden kann.

Tote Hose

Und nachts ist hier, ausser an der Fasnacht, sowieso tote Hose. Nicht einmal die Herbstmesse manifestiert sich an diesem Ort. In jeder anderen Stadt wäre dieser Marktplatz ein städtisches Zentrum, gesäumt von Restaurants und Strassen-Cafés. In Basel ist er eine undefinierte Zone, dauernd blockiert durch die vielen Trams, schön zwar, aber keineswegs lebendig. Wenn man sich die historische Bedeutung des Märtplatz überlegt, dann ist dieser Zustand ein Ausdruck von Respektlosigkeit – der eigenen Geschichte gegenüber. 

Trambahnhof mit Alibi-Märt

Der zentrale Schauplatz unserer städtischen Geschichte ist ein Trambahnhof mit einem Alibi-Märt. Das ist die unangenehme Wahrheit – und daran wird sich wohl, in absehbarer Zeit, auch nichts ändern. 

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