Auch ungenügend steril ausgeführte Tätowierungen können zu einer Hepatitis C führen. Bild: keystone
Auch ungenügend steril ausgeführte Tätowierungen können zu einer Hepatitis C führen. Bild: keystone
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Durchbruch im Kampf gegen Hepatitis C: Krankenkasse übernimmt jetzt Kosten neuartiger Medikamente

Es war die Sensation: Hepatitis C ist plötzlich heilbar. Bisher war die Behandlung aber nicht allen vergönnt: Die Therapien sind wahnsinnig teuer. Nun hat das Bundesamt für Gesundheit BAG die Einschränkung der Vergütung für zwei wegweisende Medikamente aufgehoben. Seit 1. Oktober 2017 können alle Infizierten mit chronischer Hepatitis C unabhängig von Virentyp und Krankheitsstadium behandelt werden. 

Bisher wurden die teuren Arzneimittel namens HARVONI und EPCLUSA nur vergütet, wenn die schwere Lebererkrankung Hepatitis C fortgeschritten war oder bereits weitere Symptome der Erkrankung auftraten. Der Entscheid des Bundesamts für Gesundheit ist nun wegweisend für das Gros der Erkrankten. Wir haben darüber mit Professor Philip Tarr, dem Co-Chefarzt und Leiter Infektiologie und Spitalhygiene der Medizinischen Universitätsklinik am Kantonsspital Baselland gesprochen.

Herr Tarr, was bedeutet die Vergütung der Therapien nun in der Praxis, welche Hepatitis-C-Patienten profitieren von dieser Zulassung?

Philip Tarr: Es können neu viele Personen mit chronischer Hepatitis C behandelt werden, die bisher nur unter bestimmten Bedingungen behandelt werden konnten.

Wie wurde bisher verfahren?

Damit die Krankenkasse die Medikamente zahlt, brauchte es bisher meist eine Leberbiopsie oder zwei sogenannte Fibroscan-Untersuchungen, die zeigten, dass die Leber durch die Hepatitis C bereits einen gewissen Schaden genommen hat. Konkret: Es brauchte also einen «Fibrosegrad» von mindestens «F2» in zwei separaten Fibroscans und das im Mindestabstand von drei Monaten.

Da war also sehr viel Aufwand nötig. Um welche Medikamente handelt es sich dabei?

Um die neuen, hochwirksamen, teuren Hepatitis C Medikamente, die man als Pille einnehmen kann.

Klingt simpel, die Therapie kostet aber immer noch sehr viel. Wer entscheidet denn darüber, wer die neuen Medikamente erhält?

Letztlich immer noch die Krankenkasse – da die Medikamente immer noch sehr teuer sind, wird der verschreibende Facharzt vor der Verordnung zur Sicherheit trotzdem eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse einholen.

Hepatitis C kann man jetzt endlich heilen. Aber gegen Hepatitis C kann man sich nicht impfen. Wird eine Impfung in Zukunft möglich sein?

Nicht in den nächsten paar Jahren – wann genau, das kann heute aber noch niemand sagen.

Hepatitis C haben ja nicht nur Personen, die intravenösen Drogenkonsum pflegen. Auch ungenügend steril ausgeführte Tätowierungen, Piercings, sogar eine Pédicure kann dazu führen. Welche Ursachen sind bei uns am häufigsten?

Gute Frage. In der Schweiz liegen leider keine genauen Zahlen über die jeweilige Ursache der chronischen Hepatitis C vor. 

Die Erkrankung ist jetzt also heilbar, doch sie verläuft bei circa 80 Prozent der Betroffenen ohne Symptome. Worauf sollte man also achten?

Das Wichtigste ist: Sich testen lassen, wenn früher Risikoverhalten oder Risikosituationen bestanden. Zum Beispiel kann man sich im Rahmen eines Check-ups testen lassen. Es handelt sich um einen einfachen Bluttest. Risikosituationen sollen dabei breit gefasst werden: Dazu gehören beispielsweise auch Herkunft aus Afrika und anderen armen Ländern, medizinische Eingriffe inklusive Spritzen und Impfungen in solchen Ländern, Bluttransfusionen in den 90er-Jahren, Dialyse usw. – der Arzt oder die Ärztin wird behilflich sein bei der Beurteilung ob solche Risikosituationen bestanden.

40'000 Menschen haben in der Schweiz Hepatitis C. Jährlich erkranken konservativ gerechnet 1'500 neu daran. Weil die Erkrankung

Philip Tarr, Facharzt Allg. Innere Medizin u. Infektiologie FMH. Bild: Kantonsspital Baselland

meist ohne Symptome verläuft ist die Zahl wohl weitaus höher. Müssen diese Fälle dem Bundesamt für Gesundheit BAG gemeldet werden?

Ja, Hepatitis C ist eine meldepflichtige Krankheit. Gemeldet wird allerdings dem Kantonsarzt und dieser wiederum meldet ans BAG.

Die Krankheit ist zwar heilbar, aber nur, wenn sie früh genug erkannt wird. Was also tun, um es früh zu erkennen?

Sich testen lassen. Das ist das A und O.

Ist die von Hepatitis Schweiz propagierte Hepatitis-Strategie, wonach bis 2030 durch konsequenteres Impfen und vermehrtes Testen und Behandeln die virale Hepatitis in der Schweiz eliminiert werden soll, eine Illusion?

Nein, das ist keine Illusion. Aber es ist ein vielleicht etwas zu ehrgeiziges Ziel

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