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Ende einer grossen TV-Karriere: Historisches TV-Streitgespräch der Basler Heiner Gautschy/Peter Uebersax: Aktueller denn je?

Wir schreiben den 5. Mai 1984: Die Schweiz wartet vor dem Röhrenfernseher auf eine der beliebtesten Sendungen ihrer Zeit. Noch hat sie keine Ahnung, gleich Zeuge eines Stücks Schweizer Mediengeschichte zu werden. Die Atmosphäre der Direktsendung ist bieder: Im Wohnzimmer des Gastgebers, sitzen sich zwei ältere Herren gegenüber. Werner Gautschy, prominentestes Schwergewicht der SRG und Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Ihm gegenüber Peter Übersax, erfolgreichster Blick-Chefredaktor in der Geschichte, der bis heute grössten Bezahlzeitung des Landes. Beide überdurchschnittlich gescheit, beide mit Basler Wurzeln, beide heillos zerstritten...

Hier spricht Heiner Gautschy aus New York

Rechts, im Origialwohnzimmer seines Interviewpartners, nahm Heiner Gautschy vor den Kameras Platz. Der Basler war einer der berühmtesten Radio- und Fernsehmoderatoren seiner Zeit. Die Ausnahme-Karriere begann 1949 als US-Auslandskorrespondent des Schweizer Radios. Für viele Schweizer stellte seine markante Radiostimme die einzige Verbindung ins damals unerreichbar weit entfernte Amerika dar. Gautschy verliess die SRG 1952 nur für einen kurzen Unterbruch: Als Direktor des echten ersten Schweizer Fernsehens in Münchenstein BL (!). 1967 erhielten die Schweizer Zuschauer sein Gesicht dann endlich auch auf den inzwischen verbreiteten Bildschirmen zu sehen. Gesprächssendungen wie «Link», «Unter uns» und verschiedene Unterhaltungsformate (z.B. «Muggedätscher») machten ihn schnell zum Grandseigneur des SRF. Das sollte sich am besagten Frühlingsabend vor bald 30 Jahren ändern: innerhalb einer Stunde verlor er zunächst seine Fassung und zwei Tagen später seinen Job. 

«Sex sells»

Peter Übersax

Denn gegenüber dem Gesprächsleiter sass nun einmal kein Geringerer als Peter Uebersax, in zwei Amtszeiten steigerte er bis 1986 die Auflage der noch heute grössten Bezahlzeitung des Landes autoritär um satte 40 Prozent. Ihm verdankten die Blick-Leser markige Worte und halbnackte Damen auf Seite 3. Peter Uebersax wusste früh: «Crime and Sex sells».

Rücksichtnahme auf persönliche Befindlichkeiten ist keine Stärke des Blicks, aber Grund für seinen Erfolg. Das hatte Übersax († 20. Oktober 2011) rasch begriffen und zementiert. Schlagzeilen wie «Die Erektorin – US Schulleiterin fliegt wegen Sex» oder «Hier kommt das Hinternet» verwundern heute niemanden mehr. Selbst vor dem F-Wort schrecken weder Macher noch Leser der digitalen Zeit zurück. Wo heute der Zweihänder eingesetzt wird, erzielte der Blick früher mit dem Degen eine ungleich stärkere Wirkung.

Doch bereits diese Art stiess dem ansonsten fast zu vornehm rücksichtsvollen, besonnenen Vollblutjournalisten Gautschy mehr als sauer auf. Während den 60 Minuten verlor er die Fassung, nur zwei Tage später seinen Fernsehjob.

Heute, über drei Jahrzehnte später, sind Heiner Gautschys Äusserungen aktueller denn je. Geändert haben  sich erst Anfang dieses Jahr mit der Aera Christian Dorer als neuer Chef der ganzen Gruppe  quasi über Nacht Stil, Inhalt und Auftritt, seine ersten Gehversuchen in dieser Position sind sehr vielverprechend. Der mutige Auftritt würde Heiner Gautschy neben dem Grimmepreis jede Menge andere bedeutende Auszeichnungen und grosse Achtung bei den Berufskollegen und Zuschauern eintragen. Doch geblieben ist nur die Aufzeichnung der historischen Direktsendung, aus welcher Ihnen barfi.ch jetzt einen Ausschnitt zeigt.

Heiner Gautschy starb am 28. Oktober 2009 vereinsamt in Zürich.

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