Hallo, das ist Lino, er ist etwa vier Jahre alt, trägt Züge von Husky und Schäferhund in sich – und ist hier bei barfi.ch nur zu Gast. Bild A. Schwald
Hallo, das ist Lino, er ist etwa vier Jahre alt, trägt Züge von Husky und Schäferhund in sich – und ist hier bei barfi.ch nur zu Gast. Bild A. Schwald
  • barfi / ans
  • Aktualisiert am

Erwiesen: Ein Büro-Hund wirkt gegen Stress – doch Basler Firmen ziehen Stress den Vierbeinern vor

Ein Tier im Raum kann die Stimmung massiv anheben. So auch der Hund im Büro. Erwiesen ist, dass die Tiere sogar gesundheitsfördernde Wirkung auf die Arbeitnehmer haben können. Doch obwohl Nestlé und Google vorgelegt haben: Die meisten Basler Firmen wollen das nicht. Ausnahme bilden einige hiesige KMU und ein paar Bürogemeinschaften.

Jack fühlt sich wohl, denn er hat seinen Arbeitsplatz im Kleinbasel. Also «sein Arbeitsplatz», das ist jetzt vielleicht etwas übertrieben, es ist der Arbeitsplatz seines Herrchens: Daniel Seiler, Vizepräsident der FDP Basel-Stadt, Unternehmensberater und Teil einer Bürogemeinschaft. Jack ist eine feste Grösse im Büro, ein Problem mit ihm hat niemand, im Gegenteil: «Das war nie ein Thema», sagt Seiler. Einige Kunden würden sich sogar freuen.

Damit ist Seiler aber immer noch ein Einzelfall. Tiere am Arbeitsplatz sind umstritten. Obwohl immer wieder Studien belegen: Gerade Hunde im Büro würden sich positiv auf die Psyche der Mitarbeiter auswirken. Sie seien sogar ein probates Mittel gegen stressbedingte Burn-Outs, schreiben seit einigen Jahren mehrere renommierte internationale Studien, neu nun wieder eine schwedische. Sie alle bestätigen Randolph Barker von der Virginia Commonwealth University, der bereits 2002 die wissenschaftliche Bibel zu diesem Thema verfasste. Auch die topaktuellen Studien belegen, dass dies in erster Linie mit Oxytocin zusammenhängt: einem Hormon, welches zwischen Müttern und ihren neugeborenen Kindern eine bedeutende Rolle spielt. Oxytocin erhöht die Bindung und animiert zu sozialen Kontakten. Es senkt den Blutdruck, reduziert die Herzfrequenz und hilft dabei, das Stresshormon Cortisol abzubauen. Bei regelmäßigen Streicheleinheiten schütten Hunde und Menschen keine Läuse, sondern genau dieses Oxytocin aus: Dennoch werden Tiere im Büro immer noch vorwiegend geächtet.

Ein Herz für Hunde im Konzern

Ein Hund an seinem angestammten Arbeitsplatz: Hofhund Päuli vom Mathishof. Bild Mathishof/Facebook

Die grossen Konzerne kennen da meistens kein Pardon. Novartis winkt wegen seiner «Open Space»-Büros von Anfang an ab: Auf dem Campus sind Tiere in den grossräumigen Arbeitsplätzen, die sich mehrere Mitarbeiter teilen, nicht erwünscht. Und Roche schiebt wegen der strengen Hygiene-Vorschriften Tieren im Büro ebenfalls den Riegel. Kulanter ist da die Uni Basel, wo Einzelbüros Tiere immerhin dulden. Und auch in Vorlesungen wurden schon Hunde gesichtet. Einen Kontrapunkt setzte der Westschweizer Konzern Nestlé, der vergangenes Jahr offiziell Hunde in den Büros einer waadtländischen Niederlassung zuliess. Und dazu gleich noch Fressnapf und Decke sponserte. Und Google brüstet sich seit Jahren damit, Hunde begrüssen zu dürfen. Aber Google stellt ja auch marketingtaugliche Rutschbahnen und andere lustige Spielsachen in die Büros.

Kulanter sind da KMU oder eben Bürogemeinschaften wie die von FDP-Politiker Daniel Seiler. Auch in Kreativagenturen und Redaktionen lokaler Medien sind Hunde keine Unbekannten, gerade gestandene Redaktoren können sich das Privileg teilweise noch ausbedingen. Doch auch das gelangt ans Ende. Selbst in der an sich hundefreundlichen Redaktion von barfi.ch wird der Hund nur als Statist fürs Foto begrüsst. Dafür umso herzlicher. Immerhin wurden die Studien damit teilweise bestätigt: Die sonst eher vertiefte Stimmung hob sich merklich. Aber das war wahrscheinlich nur wegen des ungewohnten Besuchs. Lino beschnupperte erst einmal alle Arbeitnehmer, bevor er sich dem Inventar zuwandte.

Das riecht jetzt aber vielleicht schon ein bisschen streng

Lino mit barfi.ch-Redaktor Nathan Leuenberger: Da ist der Journalist gleich entspannter. Bild A. Schwald

Bedenken wegen des Tierschutzes gibt es ebenso, schliesslich ist das Büro ein abgeschlossener Raum, der ein Tier in Stress versetzen kann. Und schliesslich sind die Vorschriften an Arbeitsorten, wo wirklich mit Tieren gearbeitet wird, schon deutlich strenger. In der Landwirtschaft, bei der Polizei und bei Tierversuchen sowieso. In der Dienstleistungsgesellschaft ist es aber Sache der Arbeitgeber, den Umgang mit Tieren im Büro zu regeln: Ob man den Geruch mag, das schlabbernde Geräusch beim Trinken oder ob die Mitarbeiter dadurch übermässig abgelenkt werden.

Am Schluss bleibt es aber eine Frage der Toleranz, Hunde oder auch Katzen im Büro zuzulassen. Zum gesellschaftlichen Mainstream wird das trotz noch so vieler Studien kaum gehören. Egal, ob die Tiere zu einer positiven Arbeitsatmosphäre beitragen, den Stresslevel senken oder sogar Burn-Outs vorbeugen helfen können, ein Tier bleibt ein Tier. Und hat – im Sinne der klassischen Büroverhältnisse – nichts am Arbeitsplatz zu suchen. Grundsätzlich gilt daher: Wer seinen Hund regelmässig zur Arbeit bringen will, muss das mit seinem Arbeitgeber vereinbaren. Je nach Branche eben mit mehr oder – schon von Anfang an – überhaupt keinem Erfolg.

Weitere Titelgeschichten finden Sie hier

Was ist Ihre Meinung zum Thema? Diskutieren Sie mit uns auf Facebook.