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Fall Stöcklin: Landrat nimmt jetzt Regierungsrat Isaac Reber in die Pflicht

Die Entlassung von Polizeisprecher Meinrad Stöcklin hat ein politisches Nachspiel für den Baselbieter Sicherheitsdirektor. SVP-Landrat Paul Wenger reicht am Donnerstag eine Interpellation ein – es geht vordergründig darum, was die ruppige Freistellung den Steuerzahler kostet und um die Personalpolitik Rebers.

Nein, Meinrad Stöcklin war nie, was man einen stromlinienförmigen Mediensprecher genannt hätte. So routiniert er auch vor der Kamera auftreten konnte, so direkt ging er zuweilen mit den Journalistinnen und Journalisten um, mit denen er es zu tun hatte. Stöcklin, seinem Arbeitgeber gegenüber stets loyal, konnte gerne auch bissig sein. Wie man ihn anpfiff, pfiff er zurück. 

Kein Wunder. Stöcklin war ein Urgestein, und mit den Jahren wächst die persönliche Haltung. In der Öffentlichkeit war Stöcklin anderthalb Jahrzehnte lang das zweite Gesicht der Polizei, neben – oder vielmehr noch – vor dem Antlitz des jeweiligen Kommandanten.

Vier davon hatte der Sprecher in seinen 16 Dienstjahren gesehen: Angefangen hatte er unter Kurt Stucki, der das Korps während zwölf Jahren bis 2006 geleitet hatte, dann erlebte er Daniel Blumer, der bis 2013 das Kommando innehatte, er diente unter dem Interimskommandanten Christoph Naef im Jahr 2013 – und im Oktober 2016 entliess ihn Mark Burkhard, inklusive Freistellung. Stöcklin und Burkhard hatten in den vergangenen drei Jahren zusammengearbeitet.

Jetzt ist Schluss, und das auf üble Weise. Nicht nur wurde Stöcklin mit verbalem Nachtreten des Kommandanten aus dem Dienst spediert. Mehr noch: Die Personalie fällt jetzt auch auf Sicherheitsdirektor Isaac Reber zurück. Mehr noch: Die Personalie fällt jetzt auch auf Sicherheitsdirektor Isaac Reber zurück, der nach Informationen von barfi.ch nichts von der bevorstehenden Entlassung gewusst haben will. Was der Kommandant in Anwesenheit einer HR-Vertreterin jedoch beim Kündigungsgespräch ausdrücklich vorgab.

Ruppige Personalpolitik auf Kosten des Steuerzahlers

SVP-Landrat Paul Wenger reicht am Donnerstag im Landrat eine Interpellation zum «Fall Stöcklin» ein, wie er gegenüber barfi.ch sagt. «Das ist aus unserer Sicht auf jeden Fall eine politische Angelegenheit.» Wenger fragt im Vorstoss: Ist die Personalie Stöcklin ein Einzelfall oder gibt es weitere dieser schnell erfolgten Freistellungen durch Kommandant Burkhard? Und: Waren die Vorgänge transparent? Schliesslich muss der Kanton für solch rigide Personalmassnahmen ein striktes Protokoll befolgen. Im Gegensatz zu privaten Unternehmen ist er nämlich gegenüber den Steuerzahlern zur Verantwortung verpflichtet.

«Die Frage nach der Belastung des Steuerzahlers stellt sich durchaus», sagt Wenger. Da Freistellungen von Lohnfortzahlungen und allfälligen Abfindungen begleitet werden, sei die Kostenfolge solcher Entscheide ausschlaggebend. Je nach Lohnstufe und Höhe der Abfindungen kann sich rasch ein Betrag im sechs- bis siebenstelligen Bereich zusammenrechnen. Deshalb auch die Frage, wie viele weitere Fälle mit ähnlicher Kostenfolge sich zwischenzeitlich ereignet haben.

Der Vorstoss Wengers erfolgt in Absprache mit SVP-Fraktionspräsident Dominik Straumann, der selbst Polizist ist. Die Fraktion habe als Gesamtes nicht darüber beraten, da in den Herbstferien keine Sitzungen stattgefunden haben. «Die Fragen sind aber ganz klar berechtigt», sagt Straumann: «Hier ist der Sicherheitsdirektor in der politischen Pflicht.» 

Bei der zweitgrössten bürgerlichen Partei im Baselbieter Parlament wird voraussichtlich kein Vorstoss geplant – geschont wird Isaac Reber aber auch von FDP-Fraktionspräsident Rolf Richterich nicht: «Für uns handelt es sich zwar primär um eine Personalie im Rahmen der Polizeiarbeit, aber angesichts der Austragung in der Öffentlichkeit ist das politische Fingerspitzengefühl hierbei durchaus fragwürdig.» Stöcklin sei zwar ein streitbarer Typ gewesen, aber andererseits sei es aus seiner Sicht nicht schlecht, eher jemanden «mit Ecken und Kanten» auf dieser Position zu wissen als eine blasse Verwaltungsperson.

Führungsprobleme in den Sicherheitsdepartementen beider Basel

Aus seiner Sicht handle es sich um ein klares Kommandantenproblem, sagt Richterich: «Wenn der Kommandant es nicht schafft, jemanden, der so im Korps verankert ist, in Würde abzusetzen, zeigt das Führungsprobleme auf.» Denn: «Wer am längeren Hebel sitzt, trägt auch immer die grössere Verantwortung.»

Dass Kommandant Burkhard und Sprecher Stöcklin miteinander Mühe bekundeten, zeigte sich auch in der Tatsache, dass Burkhard die neue Stelle als Kommunikationsleiter der Polizei ausschreiben liess – und Stöcklin trotz dessen Bewerbung auf den Posten am Schluss nicht berücksichtigte. Die Situation eskalierte, als sich Peter Knechtli von onlinereports.ch bei Kommandant Burkhard über eine Bemerkung von Stöcklin beschwerte. Der Wortlaut der Bemerkung lautete: «Geht es Ihnen gut?». Grund für eine offizielle Beschwerde eines verdienten Journalisten, der Fairness predigt. Doch Stöcklin und Knechtli kennen sich bereits seit Jahrzehnten, beide sind im Basler Regionaljournalismus tief verwurzelt: Knechtli als Journalist und im Jahr 1997 früher Onlinepionier, Stöcklin als ehemaliger Lokal- und Sportredaktor und schliesslich Polizeisprecher.

Über die Modalitäten der Trennung von Polizei und Stöcklin wurde nach Angaben der Sicherheitsdirektion Stillschweigen vereinbart. Die Sache totschweigen wird der Grüne Sicherheitsdirektor Isaac Reber aber nicht können. Einmal eingereicht, muss der Regierungsrat die Interpellation von Paul Wenger auch beantworten. Zumal schützt die zitierte Stillhaltevereinbarung nur die administrativen Umstände der Trennung, über das Andere hat Meinrad Stöcklin keinen Maulkorb von vorgesetzter Seite erhalten. Da dürfte noch einiges auf die Landschaft zukommen.

Der Zeitpunkt wird durch die Führungsprobleme bei der baselstädtischen Polizei zusätzlich ungünstig beeinflusst. Rebers Amtskollege Baschi Dürr, der sich am Sonntag zur Wahl als Regierungspräsident antreten muss, gerät dadurch etwas aus dem Schussfeld. Doch die Affären um die Dienstwagen-Verrechnungen und den kürzlich publik gewordenen Sexskandal bei den Städtern werden die Einheit des städtischen Kommandanten Gerhard Lips auch nach den Wahlen im Griff halten.

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