Entlang des alten Rheinwegs und unter dem alten Rheinweg sind noch immer drei Chemieschlammdeponien. Pressebild: BASF
Entlang des alten Rheinwegs und unter dem alten Rheinweg sind noch immer drei Chemieschlammdeponien. Pressebild: BASF
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Gift im Klybeck: Basler Amt für Umweltschutz tappt im Dunkeln

Überraschung: Im Klybeck-Areal stiess man 1999 auf «rosarotes Grundwasser». Das Gebiet, wo bald 20’000 Menschen wohnen könnten, ist ein chemischer Adventskalender. Das könnte nicht nur gefährlich, sondern auch teuer werden.

Auf dem Industrieareal von Novartis, der Ciba Spezialitätenchemie und später der BASF im Klybeck wurde bis 1980 in grossen Mengen mit Chemikalien hantiert. 1999 kamen bei der Untersuchung von undichten Abwasserleitungen Anilin, Mesidin und Arsen oder auch Dichlorbenzol zum Vorschein. So zeigt ein interner Altlasten-Plan der Ciba, der barfi.ch vorliegt, dass etwa entlang des Altrheinweges drei Deponien mit Chemieschlamm zu finden sind. Das Amt für Umwelt und Energie (AUE) erklärt auf Anfrage, dass man diesen hydrogeologischen Bericht kennen würde. Amtsleiter Matthias Nabholz sagt: «Da es sich bei diesem Chemieschlamm, wie Sie ihn bezeichnen, um eine Mischung von Abfällen aus der Chemie, Bauschutt, Schlacken und Aschen der Kesselhäuser handelt, die bis Ende des zweiten Weltkrieges dort abgelagert wurden, gehen wir nicht davon aus, dass alles harmlos ist.» Mit anderen Worten: an der Hochbergerstrasse in Kleinhüningen hat man auch keine Ahnung. Dass der Kanton anscheinend nichts über den Inhalt Chemieschlammdeponien weiss, erstaunt Martin Forter, Geschäftsleiter der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU): «Der Kanton behauptet, es gäbe auf keine sanierungsbedürftigen Altlasten? Offensichtlich hat er diese zwei Gifthalden gar nicht untersucht, obwohl sie bekannt sind.»

Rosarotes Grundwasser

Matthias Nabholz verweist darauf, dass die Ciba Spezialitätenchemie und die spätere Nachfolgerin BASF und Novartis aufgefordert wurde, einen Bericht zu erarbeiten: «Im Jahr 1999 wurde der Bericht <Historie zur Entsorgung von Chemierückständen der ehem. Ciba-, Geigy-, Sandoz- und Durand-Huguenin-Werke> von Mitarbeitern der Firmen erarbeitet und beim Amt eingereicht.» Daraufhin habe das Amt eine «umfangreiche historische Untersuchung» durchgeführt. Das heisst, es wurde überprüft und dokumentiert, welche Stoffe auf dem Areal gelagert oder produziert worden waren.

Anstoss für diese Untersuchung war «rosarotes Grundwasser», auf das man in diesem Jahr beim Bau der Nordtangente gestossen war. Als Quelle erwies sich schliesslich eine undichte Abwasserleitung bei einem Ciba-Produktionsgebäude. Von 1999 stammt auch eine interne Abschätzung der Ciba, undichte Leitungen auf dem Areal könnten der Grund für 9'500 Tonnen organische Schadstoffe und Salze sein, die im Boden versickert sein könnten. Unter diesen Stoffen das Blutgift Nitrobenzol oder das krebsauslösende «o-Toludin», eine Substanz, die zur Herstellung von Farbpigmenten benötigt wurde.

Intensive Sondierungskampagne

Im Grunde genommen kann also niemand sagen, man sei nicht gewarnt gewesen. Matthias Nabholz glaubt allerdings, die Lage sei im Griff: «Im Zusammenhang mit der Umnutzung des Areals wurde 2015 eine intensive Sondierungskampagne des Untergrundes und des Grundwassers aller Arealteile eingeleitet. Die Schlussberichte liegen allerdings noch nicht vor. Wir gehen nicht davon aus, dass neue sanierungsbedürftige Hot Spots gefunden werden, erhoffen uns aber detaillierte Informationen, so dass die bekannten, zum Teil hohen Belastungen des Untergrundes näher eingegrenzt werden können.» Die Offenlegung der Resulate aller bisherigen Untersuchung haben AefU verlangt. Das haben BASF und Novartis abgelehnt. Dazu AefU-Geschäftsleiter Forter: «Wieso legen sie diese angeblich unproblematischen Analyseresultate denn nicht offen? Haben BASF und Novartis doch etwas zu verstecken?» 

Im März des letzten Jahres sagte Kantonsbaumeister Beat Aeberhard bei einer Begehung des Riesenprojekts Klybeck Plus: «Das Projekt hat nationalen Modellcharakter». Auf 300'000 Quadratmetern Industrieareal soll ein neues Stadtquartier aus dem Boden gestampft werden. Von «Zukunft», von einem «Glücksfall» sprachen die Verantwortlichen, denn im Stadtkanton ist der Boden sehr knapp. Die Landeigentümer BASF und Novartis brauchen das Gelände nicht mehr, sie haben ihre Produktion längst an andere Standorte ausgelagert. Jetzt wollen die Chemiefirmen das Land loswerden. Mit der Testplanung Klybeck Plus sollen die politischen und zonenrechtlichen Fragen geklärt werden, so dass der Weg für das neue Quartier mit 20'000 Bewohnern und 30'000 Arbeitsplätzen frei würde.

Teuer für Steuerzahler?

Bei solch ambitionierten Plänen erstaunt, dass die Berichte nach über zwei Jahren noch nicht vorliegen und das Amt für Umweltschutz und Energie die ganze Geschichte gelassen nimmt. Zwar räumt das Amt zum Teil «hohe Belastungen» des Untergrundes ein. Gleichzeitig warnen die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (aefu) davor, dass der Kanton auf dem Sondermüll und den hohen Kosten für eine Sanierung sitzenbleiben könnte. Dies ist möglich wegen der «Bauherrenaltlast». Diese gilt bereits jetzt für die Stellen mit dem Chemieschlamm, denn dieser liegt unter zwei öffentlichen Strassen. Würde hier gebaut, so müsste der Bauherr für die umweltgerechte Entsorgung bezahlen. Die AefU weist daraufhin, dass es bei einem Projekt einer solchen Grösse eine gesalzene Rechnung für den Steuerzahler werden könnte. 

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