Nur rein damit: Neuer Glühwein muss ins alte Stiefelchen. © A. Schwald
Nur rein damit: Neuer Glühwein muss ins alte Stiefelchen. © A. Schwald
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Glühwein am Basler Weihnachtsmarkt: Eine vernichtende Mischung

Das Zeug klebt an allem, das Zeug ist süss und nach drei Schlucken fühlt es sich im Magen an wie ein Gummiball. Glühwein ist das Gesöff der dunklen Winterstunden. Wobei die Bezeichnung Wein für die Grundzutat fast schon übertrieben ist.

Maria war schon etwas angeheitert, als sie sich aufs Münsterbänkli setzte. Dabei hatte sie doch erst zwei Tässchen Glühwein inhaliert, es begann gerade lustig zu werden. Da beklagte sie sich über einen leichten Kopf und Spuren von Übelkeit. Das Zeug hatte sie flachgelegt, bevor etwas anderes hätte zu knistern beginnen können. Glühwein, Weib und Weihnachtsmarkt (oder halt Mann), eine schwierige Sache. Nach einer Tasse langsam heiter, nach zwei Tassen offen wie mein Notizbuch, nach drei Tassen irgendwo in der Ecke. Dabei hat das Zeug doch kaum Alkohol drin, oder was? Verdunstet doch alles beim Heissmachen, nicht?

Augenschein bei Tageslicht, kurz vor Mittag auf dem Barfi. Das Glühweinparadies: Abends bechern wie weiland die Mönche, weil der Wein war ja damals viel weniger dreckig als das Wasser, auch wenn es einem ob der Säure die Kutte irgendwo reinzog, deshalb mussten ja auch Gewürze rein. Der Schreibende aber schreitet am hellichten Tag zur Tat, er will ja wissen, was genau ihm da den Kopf und später den Magen verdreht.

Also erstens ist die Grundzutat ja Wein, sonst müsste das Zeug ja nicht Glühwein heissen, sondern Glühzeug. Und weil man ja nicht unbedingt Grossvaters Bordeaux mit Gewürzen versauen und verheizen will, nimmt man den guten alten Kochwein. Das sind die Flaschen mit dem Kronkorkenverschluss, da wird kein Zapfen verschwendet. Besser noch, wenn der Wein vorher nicht mal in die Flasche muss, denn angeliefert wird die Glühweinzubereitung meist in kartonverpackten Zehnliter-Plastiktüten.

Nur ein Porzellanstiefli, ich schwör

Ja, Glühweinzubereitung. Voll unromantisch. Die Gewürze oder halt Aromen wie Nelken, Zimt, Orangen- und Fruchtschalen und Zucker sind da schon drin. Hauptsache der vergorene Traubensaft schmeckt nicht nach vergorenem Traubensaft. Der Feinschmecker und Önologe darf die Lektüre jetzt gerne unterbrechen, dann können wir uns gemeinsam erst mal schütteln.

Bedenklich ist das alles aber nicht. Das Basler Kantonslabor musste noch keine Glühweinproben nehmen, wie der Kantonschemiker auf Anfrage sagt. Und wie viele Tassen vom warmen Gewürzalkohol runtergehen, muss jeder selber wissen. Der Schreibende beliess es heute bei einem oder zwei Porzellanstiefelchen, er ist jetzt nicht unangenehm leicht beduselt.

So sieht eine Glühweinzubereitung aus.

Beim neuen Glühweinwald vom Motel One am Barfi setzt man auf die Glühweinzubereitung, die vom Personal aber noch gepimpt, gekocht und vor allem gesüsst wird. Das Resultat ist bekömmlich, zuckerig und geht runter wie Öl. Lecker! Der nägeligespickte Orangenschnitz ist auch äusserst dekorativ. Für vier Franken die Tasse kann man zudem überhaupt nichts sagen, gopf, was am Wochenende scheinbar so gut lief, dass das Personal dann doch noch den Weinkeller des Motels plündern musste, um für Nachschub zu sorgen.

Und jetz sum Lühweiwurm!

Etwas herber ist das Muster bei Herzigs ewiger Glühweinecke, gleich hinter den Telefonkabinen. Sie wissen schon, dort, wo Sie am Wochenende mit diesem Typ aus dem Internet abgemacht haben. Für 4.50 Franken das Tässchen ist es hier schon etwas teurer, aber das macht auch nichts, denn «Grossmutters Rezept» ist wohl kein Markenschwindel, denn der Wein stammt immerhin aus Flaschen, wird frisch aufgekocht und das auch schon seit 35 Jahren am gleichen Ort. Der Schwindel kommt erst ein, swei, rei Tässchen schpäter, proscht.

Neben den industrieverpackten Glühweinzubereitungen der Wurststände sticht natürlich vor allem der Glühweinturm zwischen Kirche und Theaterplatz hervor. Dort erstand der Schreibende den Glühwein Marke «Goldengel» fixfertig in der Literflasche mit Schraubverschluss für zwanzig Franken. Die Tasse gibts hier für einen Fünfliber, das entspricht dem gängigen Preis der meisten Verpflegungsstände. Auf den zusätzlichen Schuss Schnaps haben wir natürlich verzichtet. Schliesslich war ja noch nicht mal Mittag.

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