© Verschwundenes Basel/Alte Ansichtskarte der ETH
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Grosser Rat grosszügig: 4,4 Millionen Kredit für eine «neue» Stadtgeschichte

Es ist so weit: Basel erhält nach 99 Jahren eine neue Geschichtsschreibung. Besonders das für Basel wichtige Mittelalter wird jetzt ernsthafter aufgearbeitet, sagt Robert Labhardt vom Verein Basler Geschichte. Der Grosse Rat winkte den Kredit heute Morgen ohne nennenswerten Widerstand durch.

«Die einzige Angst war noch, dass jetzt ein Heckenschütze kommt und ein Referendum erwirken würde», sagt Robert Labhardt, Präsident des Vereins Basler Geschichte. Doch die Angst war unbegündet, denn heute hat der Grosse Rat den Unterstützungskredit von 4,4 Millionen Franken für eine neue Basler Geschichte bewilligt. Weitere 1,6 Millionen wird der Kanton zusätzlich aus dem Lotteriefonds springen lassen.

Insgesamt veranschlagt der Verein knapp zehn Millionen Franken für das Mammut-Projekt zur Basler Geschichte. Die sechs Millionen vom Kanton werden durch weitere Geldgeber ergänzt, so trägt die Christoph-Merian-Stiftung einen Beitrag dazu, ebenso Firmen wie Novartis. Um auf die zehn Millionen zu kommen, fehlen noch knapp 1,2 Millionen Franken, die von privaten Geldgebern beigetragen werden sollen.

Die Finanzierung führte im Grossen Rat zu einigen Diskussionen: Die LDP beantragte, die Kantonsgelder erst zu sprechen, «wenn das Projekt finanziell wirklich gesichert ist», wie Fraktionssprecher Heiner Vischer sagte. Die anderen Parteien verstanden das als Verhinderungsantrag, weil nicht absehbar sei, ob die offenen knapp 1,2 Millionen aufgebracht werden können.

Martin Lüchinger (SP) von der Bildungs- und Kulturkommission betonte allerdings, dass Baselland für seine Kantonsgeschichte damals sogar neun Millionen aus der eigenen Kasse aufgewendet habe. Regierungspräsident Guy Morin (Grüne) betonte, dass das Projekt auch ohne die privaten knapp 1,2 Millionen Franken gesichert sei, falls der Grosse Rat das Geld spreche. Somit löse sich der LDP-Antrag von alleine auf. Wirklich gegen das Unterfangen mit Kantonsgeldern war von den Fraktionen nur die SVP. Sie fand das Projekt überflüssig, es gebe bereits genügend Geschichtsbücher, zudem würden die Wissenschaftler an der Universität Basel ohnehin arbeiten.

Andere Blickwinkel auf Bischöfe und Jahrhunderte

Alle Einwände und Anträge nützten nichts: Der Grosse Rat sprach den Kredit für die neue Basler Stadtgeschichte mit 70 Ja- gegen 11 Nein-Stimmen bei acht Enthaltungen. Damit kann der Verein Basler Geschichte das Mammutwerk nun in Angriff nehmen. Und das sei auch nötig, wie Robert Labhardt sagt. Das Bedürfnis nach einer neuen Basler Geschichte bestehe: Das letzte grosse Werk über die Geschichte unserer Stadt sei nun doch 99 Jahre alt und decke nur die Zeit bis zur Reformation ab. Bei der «neuen» Basler Geschichte geht es aber nicht nur darum, die seitherigen Jahrhunderte aufzuarbeiten. Ziel ist es, andere Blickwinkel in die Vergangenheit Basels einzubringen.

«Der erste Unterschied zum Werk von Wackernagel ist, dass wir die Stadt in ihren regionalen und weltweiten Verflechtungen zeigen möchten», erklärt der Historiker Labhardt. Das reicht von der Zeit der Kelten bis ins 21. Jahrhundert. «Zudem soll die Geschichte der Bischöfe und ihrer kulturellen wie politischen Bedeutung vertiefter gewürdigt werden, als bisher.» Neue Schwerpunkte setzt das Projekt zudem in der Wirtschafts- und Migrationsgeschichte vor allem im 19. und 20. Jahrhundert.

Drei Geschichten in einer – und viel Ehrgeiz

Die Besonderheit der neuen Basler Geschichtschreibung ist, dass diese in drei verschiedenen Publikationsformen umgesetzt werden soll. Zum einen werden zehn Bände umfassend die Basler Historie abhandeln. Gleichzeitig wird dem breiten Publikum ein Überblicksband angeboten. «Dieser wird attraktiv gestaltet, mit vielen Bildern und Grafiken», freut sich Robert Labhardt. Ohne ein Onlineportal geht es in der heutigen Zeit natürlich nicht: Dieses macht die Daten und Quellen und den neuesten Forschungsstand hinter der Historienschreibung zugänglich. Zudem stellt die Plattform Unterrichtsmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer bereit. «Diese Plattform planen wir mit viel Ehrgeiz», betont Robert Labhardt.

Das Projekt ist breit abgestützt. Das Herausgebergremium besteht aus Vertretern des Departements für Geschichte und des Departements für Altertumswissenschaften der Universität Basel, aber auch des Staatsarchives und anderen historisch-interessierten Institutionen. Nach dem Grossratsbeschluss intensiviert der Verein die Feinarbeit: «Nach dem heutigen Entscheid wissen wir, dass im November endlich die vorbereitenden Sitzungen stattfinden können», freut sich Robert Labhardt. Die jahrelange Kampagne für das Projekt hat sich gelohnt – jetzt muss in den nächsten acht Jahren nur noch tüchtig daran geschrieben werden.

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