Nostalgie: Das zum zweiten Mal auferstandene Gundeli-Casino, hier wurde gejodelt und geboxt. Bild: 30 Jahre Gundeli-Casino AG
Nostalgie: Das zum zweiten Mal auferstandene Gundeli-Casino, hier wurde gejodelt und geboxt. Bild: 30 Jahre Gundeli-Casino AG
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Gundeli-Casino – Das Herz des Quartiers, das niemand mehr kennt

Proteste wegen juchzenden Jodlern, Boxkämpfe, eine einstürzende Decke und finanzielle Querelen: Das Gundeli-Casino war lange das umstrittene und umkämpfte Herz des Quartiers am Tellplatz. Heute sind die Finanzen gut und es ist ruhig. Vielleicht zu ruhig.

Im Juni 1989 stürzte die Decke des grossen Saales gleich ganz ein. Damit war das Ende des zweiten Casinos besiegelt. In der Jubiläumsschrift von 2015 zum dreissigjährigen Bestehen des jetzigen Gundeli-Casinos schrieb schon Alt-Regierungspräsident von diversen Rettungsaktionen es Projektes. Immer wieder musste die Regierung der Casino-Gesellschaft respektive der Gundeli-Casino AG finanziell unter die Arme greifen. Noch heute ist das Gundeli-Casino mit 226 Aktionären und einem einbezahlten Aktienkapital von 1,6 Millionen Franken eine eigentliche Publikumsgesellschaft. Die Aktienmehrheit liegt allerdings beim Kanton Basel-Stadt. Dass das 1871 aus dem Boden gestampfte Quartier «hinter den Geleisen» so sehr am Casino hängt oder hing, liegt daran, dass bei der ersten Inkarnation 1901 noch Gundoldinger Kasino hiess und als Veranstaltungsort und Treffpunkt damals schon 10'000 Menschen diente. Vor allem der Männerchor Gundeldingen und der Appenzeller Verein waren damals eifrige und erfolgreiche Nutzer. Nach langen Streitereien über die Vergrösserung des Beizen-Saales folgte schliesslich der Rückschlag, Quartierbewohner Peter Neuhaus erinnert sich:  «Als 9 jähriger Schüler, auf dem Heimweg vom Thiersteinerschulhaus, sah ich das alte Gundeldinger-Casino 1944 in Brand. Ich erinnere mich an die Geräusche, als der grosse Kronleuchter in die Tiefe stürzte.»

Grösser, schöner, besser

1946 feiert das Casino die Wiedergeburt. Alles ist grösser, schöner besser. Ein Saal mit 600 Plätzen. Wohnungen, zwei Läden, Konferenz- und Sitzungszimmer, eine riesige Beiz und eine Kegelbahn sorgen für einigen Betrieb am Tellplatz. Zwar ging es festlich zu und her mit vielen Tanzveranstaltungen und Bällen, aber die Sitten waren streng, wie Peter Neuhaus in der Jubiläumsschrift berichtet: «Unter dem Wirt Fritz Nussbaumer wurden bei den Tanzveranstaltungen ein Plakat ausgehängt <Kopf an Kopf tanzen verboten!>» Mitte der 60er Jahre übernahm die Basler Wirte-Legende Otti Baeriswyl das Gundeli-Casino. Er erinnert sich: «Am Schlimmsten waren die Jodlerabende der verschiedenen Vereine: sie zogen viele Menschen an, alle kamen mit dem Auto, parkierten alles voll und manch einer juchzte auf dem Nachhauseweg weiter. Die Nachbarn waren nicht begeistert. Und eines Abends beschossen erboste Menschen die nächtlichen Heimgeher mit rohen Eiern. Die Fenster wieder sauber zu putzen war harte Arbeit!»

Als Baeriswyl das Casino 1975 verliess sei er Mitglied in 60 Vereinen gewesen, sagt Baeriswyl. Sogar im Eisenbahnerfrauenchor. Die 70er waren wilde Zeiten, in denen am Tellplatz Boxkämpfe und Rock- und Jazzkonzerte stattfanden und 1978 sogar einmal das «Glaibasler Charivari». Allerdings kam das Haus in die Jahre, es verlotterte mit der Zeit. So genügte die Küche den Anforderungen des Lebensmittelinspektorates 1980 nicht mehr und auch das Bauinspektorat zog wegen des Lärms die Schrauben immer mehr an. Nach einer Unterschriftensammlung, die mit 6'000 Unterschriften eingereicht wird, kauft die Einwohnergemeinde Basel-Stadt das Gebäude. Die Küche wird zwar noch renoviert, doch das Casino veraltet zusehends und bis zum Deckensturz fristet es ein eher trauriges Dasein.

Turbulenzen gehen weiter

Es ist ruhiger geworden, rund ums Gundeli-Casino. Bild: Webseite Gundeli-Casino.

Mit dem Neubau, der im Mai 1995 eröffnet wird, gehen die Turbulenzen am Tellplatz weiter. Schon der Flügel im Festsaal ist den Mietern des Hauses zu laut. So dass die Mieten auf ein Sperrkonto eingezahlt werden. Auch die hohen Stromkosten des grossen Saales sorgen für Unstimmigkeiten und für die von Guy Morin erwähnten finanziellen Turbulenzen. Trotz verschiedenen Wirtewechseln kommt auch die Gastronomie nie auf Touren. «Die Einnahmen seien niedrig, aber immerhin stabil», bilanziert die unzufriedene Gundeli-Casino AG.

Mittlerweile hat sich das Konzept geändert. Im ersten Stock des Hauses befindet sich die Bibliothek der GGG als Ankermieter. Der grosse Saal wurde umgetauft in Event Hall Basel, die seit 2015 bis 2020 an die Event-Firma 3forEvents aus dem aargauischen Herznach vermietet ist. Auf Anfrage von barfi.ch sagt Geschäftsführer Uwe Fassnacht, er sei mit der Auslastung des Saales zufrieden. Es seien rund 80 Veranstaltungen, die im Casino stattfinden würden. So würde etwa das Basler Kammerorchester das Gundeli-Casino 20 Mal zum Proben nutzen. Für Verwaltungsrat Andrea Tarnutzer ist klar, dass es für die AG nie genug Vermietungen geben könnte. Er sagt: «Da ist man nie zufrieden.» Auf Facebook fragt Alt-Grossrätin Beatrice Isler: «Warum wissen heute nur noch wenige Menschen, dass es im Gundeldinger-Casino noch den grossen Festsaal zu mieten gibt.»

Alles auf Anfang

Für Uwe Fassnacht ist ein Grund, dass seine Event-Firma vor drei Jahren «von vorne» beginnen musste. Mit der Auslastung des Saales sei er zufrieden. Von der Theateraufführung bis hin zu Vermietungen an den Pharmariesen hätten schon alle möglichen Anlässe stattgefunden. Er schätzt die Kosten für den Saal mit 400 Plätzen als «vergleichsweise günstig» ein. Einen konkreten Preis könne er aber nicht sagen, da 3forEvents immer individuell kalkuliere. So ist er stolz etwa auf die Weihnachtsgeschenkverteilaktion, bei der man die Halle fast umsonst hergebe.

Nach einer langen und turbulenten Geschichte steht das Gundeli-Casino nach vielen Umstrukturierungen immerhin finanziell auf gesunden Beinen. Das Zentrum im Quartier ist es wohl nicht mehr. Da kommt eher das Gundeldingerfeld in Frage, denn dort ist einfach mehr los.

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