Autor Guy Krneta: «Bis heute wird auf die TagesWoche projiziert, sie sei ein linkes Projekt. Das stimmt so nicht.» ©Keystone
Autor Guy Krneta: «Bis heute wird auf die TagesWoche projiziert, sie sei ein linkes Projekt. Das stimmt so nicht.» ©Keystone
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Guy Krneta von «Rettet Basel»: «Das Projekt ‹Basler Zeitung›, wie es Christoph Blocher wollte, ist rundum gescheitert.»

Gestern Basel, morgen Zürich. Sechs Jahre nach der Gründung zieht der Schriftsteller Guy Krneta von «Rettet Basel» im Interview mit barfi.ch Bilanz: «Im Medienwandel in der Schweiz nimmt Basel tatsächlich eine Art Vorreiterrolle ein.» Der Blick der Initiative richtet sich jetzt nach Zürich. Ein Gespräch über ideologische Missionare, die TagesWoche und journalistische Gründerzeiten.

Herr Krneta, seit sechs Jahren gibt es «Rettet Basel», die  TagesWoche, die aus der damaligen Situation entstanden war, feierte ihr 5-Jahre-Jubiläum mit einer Sonderausgabe vorvergangene Woche. Basel ist mittlerweile eine ganz andere Medienstadt als noch 2010 und 2011. Wie lautet Ihr Fazit seitens «Rettet Basel»? 

Guy Krneta: Das ist abschliessend schwer zu sagen, die Aktion entstand damals doch recht spontan. Der Haupteffekt von «Rettet Basel» war der eines Katalysators. Es gab viele Aktionen und Gesprächsrunden, vieles verband sich mit uns. Mittlerweile haben wir den Punkt erreicht, an dem eigentlich alles aufgedeckt und bestätigt ist, was wir damals befürchtet haben. Dazu gehören die Besitzverhältnisse der «Basler Zeitung». Und wir haben immer wieder auch versucht aufzuzeigen, wie das System «Blocher-BaZ» funktioniert, mit welchen Schreibstrategien vorgegangen wird. Spätestens seit den Oktober-Wahlen ist nun offensichtlich: Das Projekt «Basler Zeitung», wie es Christoph Blocher wollte, ist rundum gescheitert. Die Frage ist jetzt nur noch: Wie finden die Verantwortlichen da heraus? 

Und was denken Sie? 

Christoph Blocher bricht die Sache nur ab im Tausch gegen mehr publizistischen Einfluss woanders. Unser Augenmerk richtet sich deshalb auf Zürich: Was passiert gerade bei Tamedia? Was passiert bei der NZZ? Die BaZ ist Blochers strategisches Faustpfand, um in der Schweizer Medienlandschaft mitzumischen und mit den Verantwortlichen der anderen Verlagshäuser zu verhandeln.

Damit stellt sich die obligate Frage an «Rettet Basel»: Ist Basel jetzt gerettet? Oder besser: Lautet die Losung jetzt «Rettet die Schweiz»? 

Eigentlich ging es schon immer um die Schweiz oder besser um die demokratische Öffentlichkeit. «Rettet Basel» ist eine Verkürzung, die aus dem Moment entstand. Im Nachhinein merkten wir dann, dass der Name extrem wirkungsvoll war. Ironischerweise war es durch die Verkürzung eigentlich ein SVP-Titel, mit dem wir das Terrain besetzten.

Aber abgeschlossen ist noch nichts? 

Wir hätten die Aktion «Rettet Basel» gerne in die TagesWoche überführt. Es stellte sich dann heraus, dass «Rettet Basel» und TagesWoche zwei unterschiedliche Projekte sind. Die TagesWoche löste sich schon bald aus der kurzen und intensiven gemeinsamen Anfangszeit.

Was folgte darauf für «Rettet Basel»?

Wir sind eine Bürgerinnen- und Bürgerinitiative, welche die Medien beobachtet. Die Medien befinden sich in einer historischen Umbruchsituation, die Christoph Blocher dazu nutzt, seinen schwindenden politischen Einfluss zu kompensieren. Es gab immer wieder Momente, in denen wir planten, auch ausserhalb Basels Aktionen zu starten. Zum Beispiel, als Markus Somm als NZZ-Chefredaktor gehandelt wurde. Wir führten deshalb Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern aus anderen Städten wie St. Gallen, Luzern, Zürich, Bern. Es gibt in allen Regionen Künstlerinnen und Künstler, die die Medienlandschaft aufmerksam verfolgen. In den vergangenen sechs Jahren hat sich allerdings extrem viel verändert.

Zurück zur «TagesWoche». Die Aktion «Rettet Basel» wurde in der öffentlichen Wahrnehmung stark mit dem damals frisch gegründeten Medium verknüpft, das aus der gleichen Dynamik seine Startenergie zog wie «Rettet Basel». Fünf Jahre später: Welches Verhältnis hat sich zwischen «Rettet Basel» und der «TagesWoche» entwickelt?

«Rettet Basel» hatte damals doppelseitig argumentiert. Die eine Seite war: «Stopp!» – für Blocher, Tettamanti, Somm. Die andere Seite war: «Unterstützen wir etwas anderes.» Es ging also darum, etwas zu stoppen und gleichzeitig etwas zu lancieren. Das neue Projekt machte Mut und gab Anlass zur Hoffnung, dass die Bewegung, die nun ausgelöst war, in etwas münden könnte. Doch schon bald trennten sich die Wege. Die gemeinsamen Gespräche wurden seltener. Man gab uns zu verstehen, dass man uns nicht brauche, nicht wolle. Die entstehende TagesWoche war stark mit Selbstfindung beschäftigt, mit Abgrenzung, mit Ausschliessen. 

Wie standen Sie damals zur TagesWoche? 

Die TagesWoche war und ist für uns ein absolut notwendiges Medium. Dazu sind wir jederzeit gestanden. Es wäre ein grosser Verlust, wenn sie verschwindet. Aber von Anfang an schien sie Mühe zu haben mit ihrer Entstehungsgeschichte.

Warum?

Ganz einfache Dinge fanden nicht statt. Etwa, dass man in einer hochpolitisierten Situation mit einer klaren Haltung antritt. Da geht es nicht um eine parteipolitische Haltung, sondern um eine journalistische. Wir stellten viele Zufälligkeiten und Liebhabereien fest, bis heute, Journalismus, der mit Haltung wenig zu tun hat. Dann zerrieb sich das Medium in seiner ungeklärten Situation als Hybrid, zwischen Zeitung und Online, eine Idee, die eigentlich aus der alten BaZ-Geschichte stammte und mit der hochpolitisierten Situation, die dem Projekt Auftrieb gab, nichts zu tun hatte.

Das sind natürlich Dynamiken, die bei einer Medienneugründung spielen, gerade wenn das Projekt oder das Unternehmen mit so grossen Erwartungen gestartet wird. Was stört Sie daran?

Ich bedauere bis heute, dass es nicht gelang und eigentlich auch nicht versucht wurde, unsere Aktion in eine Community überzuführen. Gerade wenn immer wieder von Community die Rede ist. Hier hätte es eine riesige Community von Anfang an gegeben. 10'000 Leute hatten ein Abo für die TagesWoche abgeschlossen, ehe eine einzige journalistische Zeile geschrieben war. Das ist aus meiner Sicht eine wahnsinnig verpasste Chance. Noch nie hatte ein Medienprodukt eine so ausgezeichnete Ausgangsbasis. 

Die TagesWoche wurde doch von Journalistinnen und Journalisten gestartet. Einzig die Finanzspritze von Investorin Beatrice Oeri war wirklich gesichert. 

Nein, sie wurde eben nicht von Journalistinnen und Journalisten gestartet. Das war der Fehler. Es gab eine potentielle Leserschaft und eine gesicherte Finanzierung. Und die Journalistinnen und Journalisten wechselten bequem von der untergehenden BaZ zum neuen Medium, ohne sich gross exponieren zu müssen. Wahrscheinlich sollten neue Medienprojekte von Journalistinnen und Journalisten gestartet werden, die sagen, es geht so nicht mehr. Die sagen: Wir erkennen eine Notwendigkeit, wir müssen etwas erschaffen. Etwa so, wie es jetzt in Zürich passiert, mit dem Projekt von Constantin Seibt und Christof Moser. Zürich ist grundsätzlich in einer ähnlichen Situation, wie es Basel damals war. Daher ist es total interessant, was dort gerade passiert.

Sie erwähnten vorhin Selbstfindung statt Auseinandersetzung. Denken Sie nicht, dass die TagesWoche mit zu vielen Erwartungen starten musste als sie je hätte einhalten können? Dass also der Rucksack schlicht überladen wurde?

Doch, auf jeden Fall. Es war schwierig, all diesen Erwartungen gerecht zu werden. Das verstehe ich auch bis zu einem gewissen Grad. Aber sie hätte sich nicht drücken dürfen vor der Situation, die zu ihrer Entstehung geführt hatte und die auch eine einmalige Chance war.

Sie vermissten also die Haltung. 

Bis heute wird auf die TagesWoche projiziert, sie sei ein linkes Projekt. Das stimmt so nicht. Das war sie nie und ist sie nicht und bis heute scheint sie Mühe mit der Projektion zu haben. Aber man hätte problemlos sagen können, ja, wir sind ein linkes Projekt. Man hätte daraus die Freiheit und Unbeschwertheit nehmen können, aus einem politischen und kulturellen oder auch kulturpolitischen Blick zu schreiben. Das ist übrigens die zweite Enttäuschung. Dass es keinen zuverlässigen Kulturjournalismus gibt in der Tageswoche: Mal schreibt man über dies, mal über das. Man vergisst, dass sehr viele Kulturschaffende hinter «Rettet Basel» und hinter dem Projekt standen. Und dass die Kulturszene in Basel äusserst vielfältig ist und nicht nur aus grossen Institutionen besteht. Natürlich kann die Tageswoche nicht alles abbilden. Aber sie hätte neue Formen der Kulturberichterstattung ausprobieren und beispielsweise freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbinden können.

Der Medienplatz Basel hat sich in den vergangenen sechs Jahren massiv umgewälzt. Da war die Gründung der TagesWoche, Telebasel hat sich reorganisiert und die Internet-Präsenz gestärkt, das AZ-Imperium hat via bz Basel Berichterstattung und Fokus auf die Stadt verstärkt und gibt eine Sonntagszeitung mit einem Bund für Basel heraus, wir haben Radios. Und seit noch nicht allzu langer Zeit gibt es barfi.ch, das ebenfalls Reichweite entwickelt hat. Fühlen Sie sich jetzt in Basel besser bedient?

Ja, auf jeden Fall, keine Frage. Es gab damals diesen Moment, als die BaZ übernommen wurde, da hatte ich das Gefühl, wir sind eine abgeschlossene Stadt. Es gab so viele Tabus, so viele Themen, die nicht angesprochen werden konnten, einfach weil diese BaZ da war und mit ihrem ideologischen Kurs alles verdrängte. Der Auftrag der BaZ war ja nicht, Regionaljournalismus zu praktizieren, sondern zu missionieren. Der Plan war, von hier aus ein nationales Projekt zu starten und über die Bande mit der Weltwoche oder anderen Blocher-Medien Agendasetting zu betreiben. Das ist zum Glück weitgehend misslungen.

Über welche Plattformen hatten Sie sich damals informiert, als die BaZ die diskursive Schlüsselposition in der Region besetzte?

Zum einen war der infamy-Blog eine meiner Informationsquellen, zum andern auch Onlinereports von Peter Knechtli, der in den vergangenen Jahren leider stark abgegeben hat. Dann war es natürlich die ProgrammZeitung. Ich habe mir gewünscht, die Programmzeitung könnte auch stärker politisch ausgebaut werden. Es waren insgesamt die kleinen und spezialisierten Portale, auf denen andere Positionen zum Ausdruck gebracht werden konnten als die der Basler Zeitung. Ja, im Vergleich dazu hat sich wahnsinnig viel verändert.

Ein Beispiel? 

Gerade im vergangenen Wahlkampf war interessant zu beobachten, wie viel zwischen bz Basel und TagesWoche lief. Es war kein spektakulärer Wahlkampf…

…den die bürgerlichen Regierungskandidaten einzig mit Scheiaweia-Aktionen versucht hatten, irgendwie anzukurbeln… 

…und für mich muss ein Wahlkampf auch nicht unterhaltsam sein. Ein langweiliger Wahlkampf ist eher ein Zeichen dafür, dass man es mit tendenziell seriösen Leuten zu tun hat. Mich muss Politik nicht unterhalten. Sie ist zu wichtig, um nur ein Showprogramm zu sein. Aber da finde ich, im aktuellen Wahlkampf haben bz Basel und TagesWoche eine gute Rolle gespielt, indem sie versucht hatten, Inhalt zum Thema zu machen.

Braucht es «Rettet Basel» in Zukunft? 

«Rettet Basel» ist ja eine Aktion von «Kunst + Politik», die sich verselbstständigt hat. Es ist immer noch eine Gruppe von Menschen engagiert, die sich sehr stark untereinander austauschen und die sich immer wieder überlegen: Wann muss man reagieren – und wie? Ich gehe davon aus, dass es nächstens bei der BaZ wieder zu einer grösseren Veränderung kommt. Wir sind bereit. Die Gefahr ist allerdings grösser vonseiten Tamedia und auch NZZ.

Inwiefern?

Heute findet in Zürich etwas sehr Ähnliches statt wie vor sechs Jahren in Basel. Es ist schwer abschätzbar, was sich da gerade entwickelt. Etwa wie René Scheu bei der NZZ mit der Kultur umgeht. Und was Chefredaktor Eric Gujer schreibt, ist schlicht unsäglich. Vielleicht gibt es irgendwann die Aktion «Rettet Zürich», «Rettet die Schweiz» oder etwas ganz anderes. Wir betreiben seit Kurzem einen Medienblog auf infosperber.ch, Leute von «Rettet Basel», aber auch darüber hinaus. Im Medienwandel in der Schweiz nimmt Basel tatsächlich eine Art Vorreiterrolle ein.

Also: «Gestern Basel, morgen Zürich». Korrekt?

Klar ist, bei der NZZ und Tamedia kann man nicht zum dritten Mal so plump vorgehen wie zuvor bei Weltwoche und BaZ. Bei Tamedia boomt das Geschäft mit den Plattformen, andererseits zerfällt das publizistische Geschäft. Und die Frage stellt sich: Wie lange führt Tamedia noch die Parallelstrukturen in Zürich und Bern weiter? Wann kommt der Punkt, an dem es plötzlich heisst: Schluss, wir verkaufen jetzt alles – wer ist dann da und kauft?

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Guy Krneta (Jahrgang 1964) wurde in Bern geboren und lebt heute als freischaffender Autor in Basel. Er engagiert sich im Rahmen für «Kunst + Politik» und war im Jahr 2010 Mitinitiant von «Rettet Basel». Ebenso war er Initiant des Schweizerischen Literaturinstituts in Biel. Für seine kulturpolitischen Tätigkeiten erhielt er 2012 den Prix Suisseculture. Am 9. November liest er im Rahmen der «buchbasel» um 17 Uhr im Globus. Ab 17. Dezember 2016 läuft im Zürcher Schauspielhaus die Inszenierung seines neuen Theaterstücks «In Formation» zur Informations- und Mediengesellschaft, unter anderem mit dem Basler Slam Poet Laurin Buser.

Andreas Schwald (Jahrgang 1981) ist seit Oktober 2016 Redaktor von barfi.ch. Er arbeitete vom Oktober 2014 bis Februar 2016 selbst für die TagesWoche, zuletzt als Stv. Chefredaktor. Zwischenzeitlich Tätigkeiten als freischaffender Autor.