• Jonas Egli
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Her mit dem Käse: Basel greift zum Caquelon!

Der Käse kommt vom Land? Unsinn, Basel hat inzwischen eine Käserei mitten in der Stadt. Alex Wirth hat eine Nase für Maréchal und Wiesengold, schon seit 60 Jahren gibt es sein Käse-Spezialgeschäft am Burgfelderplatz. Zeit für ein Fondue!

Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Käseladen hauptsächlich von alten Menschen besucht und es gab drei Sorten zur Auswahl: Tilsiter, Gruyère und Raclettekäse. Heute ist das anders. Wie es kam, dass Käse plötzlich wieder hip wurde, und natürlich, wie man das richtige Fondue hinbekommt, das haben wir den absoluten Kenner gefragt: Alex Wirth vom Wirth’s Huus an der Colmarerstrasse 10.

Bereits ein Blick auf die Auslage zeigt: Hier ist Käse nicht eine Zugabe. Reihenweise stapeln sich die Laibe und sie tragen Namen, die man noch nie gehört hat: Sennenfladen, Fürwehr-Brie, Hölzigi Geiss, Nonnenstolz, Alp Dräckloch. Das Spezialitätengeschäft hat Wirth von seinen Eltern übernommen, kürzlich feierte man das 60. Jubiläum. Die Geschichte geht aber viel weiter zurück, bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrieben seine Grosseltern eine Milchhandlung.

Barfi.ch: Herr Wirth, wie läuft das Geschäft?

Alex Wirth: Bei uns ist natürlich Saison, da geht es drunter und drüber! Eigentlich wollte ich zum Jubiläum das Geschäft meinem Sohn Lukas weitergeben.

Sie hören auf?

Ich habe eigentlich schon abgegeben. Also die Verantwortung, ich muss den Rucksack nicht mehr tragen. Mitlaufen kann ich ja noch gut.

Davonlaufen kann man nach so langer Zeit nicht einfach…

Nein. Wir wohnen ja auch im Haus und mit dem Wirth’s Huus bin ich zu eng verbunden.

Wie hat alles angefangen?

Zuerst war es eine Milchhandlung, ein Tante-Emma-Laden. Dann erlitt mein Vater einen Herzinfarkt, er war etwa 60 und alleine. Meine Geschwister sind ausgewandert, meine Schwester nach Neuseeland und mein Bruder nach Zürich. Ich war da und noch unabhängig, also hab ich halt ausgeholfen.

Die Milchhandlung der Grosseltern 1924. Auch auf dem Bild: Der erste Saurer-Laster in Basel!

Wann war das?

Ich übernahm das Geschäft 1980, also Mitte 20. Ich arbeitete damals in einer amerikanischen Bude, wo alles von oben herab aus der Ferne entschieden wurde. Ich genoss es, nicht mehr so fremdbestimmt zu sein. Dann fing gerade diese Zeit an, wo die Leute zu reisen begannen, sie gingen ins Ausland in die Ferien und lernten andere Kulturen kennen. Ich auch. Und ich stellte fest, dass Käse andernorts nicht nur das «Znüni» und «Zvieri» ist, wie man es hier kennt. Also baute ich den Laden in ein Käsefachgeschäft um. Damals ging es mit dem halbstaatlichen Milchhandel sowieso zu Ende, die Grossverteiler bedrängten die kleinen Milchhüsli.

Wie lange kann man sich mit Käse beschäftigen?

Das ist ein Riesenthema, da ist man nie fertig. Ich kam quasi autodidaktisch da rein. Wo ich auch hinging, ich wusste immer, wo noch eine Käserei ist. Man lernt tolle Leute kennen, wenn man zu ihnen in die Käserei geht. Und dann kann man auch im Laden davon erzählen, das wird geschätzt. 

Gibt es Käse, den Sie nicht haben?

Ich habe viele Käse, die die Grossverteiler nicht führen können. Weil zu wenig da ist. Ich suche mir kleine Produzenten und gehe diese auch besuchen. Alles geht aber auch nicht: Leider ist oft die Logistik das Problem bei einer Kleinkäserei im «hintersten Chrachen». Am Ende ist das Porto teurer als der Käse.

Sie haben auch regionale Produkte?

Wir hatten schon Regiokäse, als man darüber nur müde lächelte. Das interessierte damals niemanden und jetzt wollen es plötzlich alle. In den 1980ern war die nächste Käserei auf dem Passwang, inzwischen gibt es sogar eine hier in der Markthalle, mitten in der Stadt!

Ist das ein Trend, wie mit den Kleinbrauereien?

Absolut, eine richtige Welle. Vor zwanzig Jahren war das noch kein Thema. Die dachten, ich spinne. Da war Globalisierung das Schlagwort. Gross und rational wollte man arbeiten. Die kleinen Käsereien gingen zu, dafür kamen die Grossbetriebe. Erst kürzlich war ich in so einer Grosskäserei. Vorne kommt die Milch rein, dann ist da so ein Typ am Steuergerät und am Ende palettisieren Roboter den fertigen Käse. Sonst habe ich keinen Menschen gesehen.

Ihre Käse sind nicht gerade Massenware…

In den 70er Jahren kannte man nur die Käseunion, die haben den Absatz und auch die Preise komplett organisiert. Klar, dass darunter die Kreativität litt. Wie so bei allem, was staatlich organisiert ist. Am Anfang hatte ich Probleme, spezielle Käsesorten überhaupt zu finden. Nicht mal der Bauer wusste, was mit seiner Milch geschieht. Als dann die staatliche Regulierung wegfiel, haben diese Käser gemerkt, dass ihnen die Felle davonschwimmen. Und dann mussten sie sich etwas einfallen lassen.

Milben zerfressen die Rinde des Mimolette-Käse und begünstigen die Reifung. Der Käse aus Lille löste einen Sturm der Entrüstung aus, als die US-amerikanische Zollbehörde dessen Einfuhr 2013 verbieten wollte. Er schmeckt übrigens ausgezeichent.

Dann enstand der «Nonnenstolz» und «Alp Dräcksloch»?

Ja genau. Das ist sofort aufgeblüht und wurde eine tolle Szene. Wie beim Bier. Nach dem Verkauf von Feldschlösschen gab es erst auch nur noch Einheitsbrei und die Vielfalt ging verloren. Bis die Kleinen kamen und jetzt hat jedes Quartier ein eigenes Bier.

Erstaunlich, dafür, dass der Käse so in der Schweizer Kultur verankert ist...

Da staune ich immer wieder! Es gab eine Zeit in den 60er Jahren, da wurde unser Laden nur noch von alten Frauen besucht, die stets dasselbe einkauften. Doch jetzt kommen die Jungen wieder und interessieren sich sogar richtig für Käse als handgemachtes, einzigartiges Produkt. Die finden das toll. Und ich auch… [lacht]

Die wichtigste Fondueregel? Kein Schischi-Gaga-Zeug, klassisch soll es sein

Kommen wir zum wirklich wichtigen Thema: Geht die Fondue-Saison los?

Wir sind mitten drin! Sobald der erste regnerisch-kalte Herbsttag kommt, geht’s los. Die Grillsaison ist vorbei und dann freuen sich alle: Endlich ist nicht mehr schön!! Lass’ uns ein Fondue machen! [lacht]

Die Gretchenfrage: Sämig oder rezent?

Katholisch oder protestantisch, da teilen sich die Geister. Im Welschen ist natürlich moitié-moitié angesagt, wir haben das sogar noch ein wenig verschärft. Bei uns sind fünf rezente Sorten drin plus noch der Vacherin, um es abzurunden. Aber nicht zu viel!

Gibt es ein Basler Fondue?

Wir haben mit Ueli Bier ein Bier-Fondue entwickelt. Obwohl der gleiche Käse drin ist, wird es mit dem Bier milder, crèmiger. Erstaunlicherweise ist es das ideale Fondue für jene, die gerade Bier oder rezentes Fondue nicht so mögen. Es schmeckt einfach ein wenig malzig, aber gar nicht bitter. Wir verwenden ein dunkles Bier dafür.

Apropos dunkles Bier, was ist besser: Weissbrot oder ein dunkles? Oder gar ein edles Nussbrot?

Nussbrot finde ich jetzt nicht optimal. Bei den Käseplatten sind zwar immer Nüsse dabei, aber Nüsse machen jeden Wein kaputt. Optimal ist halbweisses Brot mit viel Rindenanteil. Das nimmt den Käse am besten auf. Weissbrot gibt einen Klumpen. Das Fondue ist selbst schon schwer genug.

Dafür hat man ja dann das Schnäpsli?

Genau!

Fondue kann auch zu Streit führen, wenn einer die Gabel mit dem falschen kreuzt.

Im Gegenteil, Fondue ist das ursprüngliche Gesellschaftsessen. Ich sehe diese Geschäftsleute immer wieder, die den ganzen Tag zusammenarbeiten und vielleicht nicht mehr so gut auf sich zu sprechen sind. Kaum ist das Fondue auf dem Tisch, ist die Stimmung wieder da. Es ist ja auch der Akt des gemeinsamen Essens aus dem gemeinsamen Topf. Das ist der Ursprung!

Was ist all den neumodischen Varianten, mit Crevetten, mit Früchten oder so?

Man kommt zum Glück wieder weg von diesem Schischi-Gaga-Zeug. Ein Fondue ist etwas Rustikales, etwas Währschaftes. Und es hat eine gewisse Wärme. Wir haben sehr viele Catering-Anlässe in den unmöglichsten Industriehallen. Null Ambiente! Aber: Man stellt einen Tisch hin, ein Tischtuch drauf, Stühle, Kerzen und ein Caquelon und voilà, die Halle ist plötzlich schön heimelig.

Mögen Sie Fondue überhaupt noch?

Was meinen Sie, wie viele Fondue ich schon hatte! Wenn ich wandern gehe…, auch im Sommer,… du kommst an einer Bergbeiz vorbei, und man riecht es schon so [macht eine Fingerbewegung in der Luft] …do chüzelet’s im Mage! Und dann ziehst du dir halt ein Fondue rein. Das mit dem Winter ist sowieso nur bei uns so, im Welschen essen sie das ganze Jahr Fondue, im Wallis sowieso.

Im Sommer könnte man es draussen machen. Was mach ich gegen den Geruch in der Wohnung?

Es gibt natürlich Zaubertricks. Eine grosse Salatschüssel mit Wasser und einem Schuss Essig. Das wirkt am besten. Über Nacht stehen lassen und am anderen Tag ist es wieder gut. Oder halt auf der Terasse kochen. Oder gleich am Rheinbord das Caquelon aufstellen, da kann man gleich alle «Gwundrigen» einladen!

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