Rotlicht ahoi: Ampelnest beim Basler Centralbahnplatz. ©Keystone
Rotlicht ahoi: Ampelnest beim Basler Centralbahnplatz. ©Keystone
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Herrgott, jetzt fahr endlich: Das tägliche Gehampel mit der Basler Ampel

Na, auch gerade so schön am Warten? Kein Wunder: Basel hat 128 Lichtsignalanlagen und damit ziemlich viel Gelegenheit, rot zu sehen. Immerhin: 15 dieser Anlagen machen jetzt mit dem Segen der Regierung mal Pause. Sie blinken praktisch nur noch – doch es könnten mehr sein.

 

Ampeln sind asozial. Sie reissen dich aus dem Fluss, bremsen dich aus, knallen dir ein Rotlicht ins Gesicht und sagen: Nein, Du wartest. Dein Stress ist mir wurscht. Dein viel zu knapp eingeplantes Tram auch und dein dringender Termin erst recht. Ätsch. Echt jetzt: Ampeln sind die letzten Biester.

Und Basel ist voll davon. Die Vorstädte. Die Ausfallstrassen. Und die grossen Knotenplätze. Überall Lichter. Bist du Autofahrer: du hasst sie. Hier warten, da warten, und der Depp hinter dir fährt schon fast in deinen Kofferraum. Was denn?! Schneller gehts hier vorne auch nicht, söll öppe mol schalte, Himmel! Bist du Fussgänger: Du stehst, du frierst, du fluchst. Kein Verkehr, aber Rotlicht, bravo. Stehen? Gehen? Und wenn doch einer um die Ecke brettert? Egal, wir rennen los und bemerken das Schulkind viel zu spät, das den Verkehrspunks verdattert nachstarrt. Als Velofahrer keuchst du schon beim Gedanken ans auf und absteigen… oder du fährst das Rotlicht einfach um. Ist ja irgendwie auch egal, in Basel tun Velofahrer eh, was ihnen gerade passt. Immerhin: Sie haben jetzt ihre neuen eigenen, kleinen Velo-Ampeln erhalten, die ihnen auch mal grün geben, wenn Autos noch rot haben. Erfolgreich getestet, und es werden noch mehr.

Ja, Ampeln sind Biester und es ist grossartig, dass die Stadt jetzt wenigstens einigen von ihnen den Stecker zieht. 15 Stück dürfen seit vergangener Woche öfter mal Pause machen. Also gelb blinken. Grün und rot gibts nur noch zu Stosszeiten und wenn die Schüler unterwegs sind. Endlich wieder Vortritt für Fussgänger, das ist wunderbar, wenn die genervten Bleifüsse einen denn lassen. Anlass war ein Anzug von SP-Grossrat Stephan Luethi. Der Vorstoss ist noch nicht einmal im Parlament beantwortet, aber schon sind die Ampeln auf Blink-Modus gestellt. Gleich mehrere davon alleine im Gundeldingerquartier.

Die Wahl: Vortrittsapokalypse oder Lichtsignal

Insgesamt 128 Lichtsignalanlagen stehen in Basel-Stadt, die meisten an grossen Kreuzungen. Richtige Nester hat es an der Nauenstrasse beim Bahnhof SBB, aber auch am Voltaplatz im Norden. Da verschränken sich jeweils Autos und Trams so innig wie zwei frisch Verliebte zum Tanz. Zwischendurch kommt noch der eine oder andere Bus dazu, donnernde Vortrittsapokalypse, Leviathan der Stosszeit. Einzig die Ampel, das kleine, rotgrüngelbe Biest, hält die Blechlawine in Schach. Da haben wir sie fast schon wieder gern.

Dennoch: Niemand mag Ampeln, auch nicht rund 100 Jahre nach Inbetriebnahme der ersten Anlage im US-amerikanischen Cleveland. Heute sind die Verkehrsregler natürlich raffinierter, durch Programme gesteuert und sie lesen den Verkehr: Mit Induktionsschlaufen unter dem Boden wird das Metall gezählt, das darüber brettert, und nach einer gewissen Anzahl passierter Fahrzeuge schaltet das Licht wieder um. Weg frei für Fussgänger. Ausser der öffentliche Verkehr kommt, denn der hat immer Grün und dadurch Vortritt. Vergangenes Jahr testete der Kanton sogar Ampeln mit Wärmebildkameras, um den Verkehr noch präziser zu zählen und Wartezeiten bis zum Anschlag zu optimieren, sprich minimieren.

Aber die Arbeit führt ins Unendliche. Lichtsignale zu setzen ist nur regulierende Arbeit, also eine Reaktion auf die Verkehrslage. Wirkliche Entspannung bringen die Anlagen bedingt. Zum Beispiel am Voltaplatz: Ein fast schon unlösbares Sudoku für die Basler Ampelmänner und -frauen. Der Verkehrsknoten ist so dicht verplant und gebaut, da kommen Lichtsignalanlagen bald ans Limit und die Nerven erst recht. «Wir stossen in diesen Bereichen teilweise tatsächlich bereits an die Grenzen des Machbaren», sagt Clemens Huber, Chef der Basler Verkehrssteuerung.

Was die Menschen zu spüren bekommen, seien die Rotlichter. Das nervt. Was sie aber nicht spüren: Die Sicherheit, die ihnen Ampeln geben. «Wir überprüfen ständig sämtliche Anlagen, nehmen die Zeiten unter die Lupe und suchen nach Lösungen bei auffällig hohen Wartezeiten.» Sobald aber bauliche Massnahmen nötig würden, sind auch den Leuten von der Ampelabteilung die Hände gebunden: Dann müssten nämlich die Strassenbauer ran. Das bedeutet dann noch eine Baustelle und noch mehr Verkehrsteilnehmer und Anwohner, die ihre Hände verwerfen und sich über Baugruben und neue Strassenführungen beklagen.

Mehr Parkplätze dank Ampeln – und umgekehrt

So verhält es sich gerade bei vier weiteren Anlagen, die jetzt eigentlich auch meistens gelb blinken könnten, es aber nicht tun. Denn dort müssten unter anderem die Sichtverhältnisse verbessert werden, sagt Huber, aber das würde in mindestens einem Fall bedeuten: Parkplätze weg. Allein deshalb schalten die Lichter immer noch zwischen rot und grün hin und her. Denn in Basel auch nur einen einzigen Parkplatz zu entfernen ist in etwa so beliebt, wie eine Ampel den lieben langen Tag durchgehend auf rot zu stellen. Oder als Fussgänger am Voltaplatz leuchtsignalkonform die Strasse zu überqueren.

Bis der städtische Ampeldschungel also gelichtet ist, braucht es noch einige andere Massnahmen: Strassenbau, Parkplatzvernichtung, ja, das eine verlangt nach dem andern. Nicht einmal die einst vielgelobten Kreisel helfen immer, denn wie Lichtsignalchef Huber sagt, sei es stark situationsabhängig, welche Massnahme welcher Verkehrssituation gerecht werde: Kreisel gegen Ampel tauschen geht so einfach nicht. Zumal die Lichtsignalanlagen eben vorwiegend Reaktionen auf bereits gebaute Verhältnisse sind.

Zwischendurch hilft den Individualisten im Verkehr eben eine angepasste Routenplanung: Vielleicht doch darauf achten, wo die Ampeln nun auf Blinklicht umgestellt sind. Aber dann vielleicht bitte auch noch darauf achten, dass die Fussgänger Vortritt haben. Denn der staatliche Blinkentscheid kommt zwar allen zugute, aber es ist stets der Schwächere, für den angehalten werden soll. Und wenn sich endlich wieder Fussgänger über Autofahrer und Autofahrer über Fussgänger aufregen können, ist wenigstens die Ampel aus dem Spiel. Die blinkt dann ruhig vor sich hin und ist froh, dass sich der Zorn gegenseitig genervter Verkehrsteilnehmer nicht über ihr sonst so sattes Rotlicht entlädt.

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