Meyer’s Frauen-Modeblatt: Nr. 24. 11. Juni 1938. Foto: Hanro-Sammlung, Archäologie und Museum Baselland
Meyer’s Frauen-Modeblatt: Nr. 24. 11. Juni 1938. Foto: Hanro-Sammlung, Archäologie und Museum Baselland
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Heute Abend Rheinschwimmen: Weshalb nicht im Stil der Liestaler Hanro-Bademode der 30er-Jahre?

In seiner Art einzigartig auf der ganzen Welt und heute ist es wieder soweit: Ab 18 Uhr startet das 37. Basler Rheinschwimmen am Schaffhauserrheinweg 93. Ob im Bikini, Badekleid oder dem Neoprenanzug werden sich wieder tausende Enthusiasten in des Baslers liebstes Nass begeben. Doch bereits in den 30er-Jahren, mehr als doppelt so lang vor dem offiziellen ersten Event gab es in der Region Bikini und Badekleid. Die Designs der damaligen Liestaler Firma Hanro waren damals topmodisch und wären es wohl heute Abend wieder.

Das ehemalige Textilunternehmen Hanro Liestal wird fälschlicherweise oft als reiner Unterwäschehersteller verkannt. Das Gegenteil ist wahr: Noch bis in die 1980er-Jahre stellte man hier auch Oberbekleidung her. Und - das darf unter keinen Umständen vergessen werden - die Top-Bademode der 1930er-Jahre.

1884 von Albert Handschin-Freivogel in Liestal gegründet, beschäftigte das Unternehmen Handschin und Ronus – später Hanro – in den Spitzenzeiten rund 1'000 Mitarbeitende. Unter einem Dach befanden sich Strickerei, Konfektionsnäherei, Bänderabteilung, Designabteilung für Unterwäsche, Nachtwäsche, Oberbekleidung, wie erwähnt Bademode sowie die wichtige Werbeabteilung. 1991 wurde Hanro an die Huber Holding in Österreich verkauft und die Produktion in Liestal eingestellt.

Die Gründe für das Aus bei der Kleiderherstellung waren bereits damals die Globalisierung. Billigbekleidung aus Fernost, sowie die teuren Löhne in der Schweiz. Dann noch gleich beides zusammen, machte der heimischen Textilindustrie das Überleben schwer. Hanro produzierte fortan nur noch Unterwäsche und Nachtwäsche. 

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Die Geschichte der Hanroschen Bademode

Madeleine Kriesemer Handschin, Tochter von Carl Handschin, dem Direktor der Textilfabrik Hanro, stieg ohne fertige Ausbildung nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters 1933 mit nur 17 Jahren in den Familienbetrieb ein. Ihr Bruder Eric wurde Co-Direktor der Firma. Bis 1945 war Madeleine dort als Designerin tätig und entwarf neben Damenbekleidung auch Bade- und Strandmode. Ihr Interesse am Modedesign wurde bereits als Kind geweckt, als sie Schnittmuster und Kleidung für ihre Puppen entwarf. Inspirationen holte sie sich auf Reisen nach Paris, Cannes, Nizza und St. Tropez. Ihr Stil war innovativ und modern.

Madeleine Kriesemer Handschin. Bild: Hanro-Sammlung, Archäologie und Museum Baselland.

Frauenbild und Schönheitsideal hatten sich seit den 1920er-Jahren extrem verändert: Frauen absolvierten nun Ausbildungen und fingen an zu arbeiten. Sie mussten sich nicht mehr in Korsette zwängen. Die neuen Strickstoffe kamen dem Lebensgefühl sehr entgegen: Am Strand zum Beispiel trug man nun Hosen mit leichten Oberteilen – damals Strandpyjamas genannt. Die weiten Hosen gefielen den Frauen ganz besonders. Bequeme Kleidung war etwas Neues. Ganz im Gegensatz zum Alltag, in dem für Frau immer noch der klassischen Jupe Pflicht war. Deshalb galt die Strandmode damals auch als absoluter Renner.

Inserat für Strandmode 1940. So flanierte man am Strand. Bild: Hanro-Sammlung, Archäologie und Museum Baselland.

Eigens für die Hanro Bademode entwickelter Stoff

Die von Madeleine Kriesemer Handschin enworfenen Designs wurden in Stoffen gefertigt, die noch ziemlich dick waren. Das lag daran, dass damals vor allem mit Wolle gearbeitet wurde, in die zwecks besserem Komfort mit Garnen umwickelte Naturgummifäden («Lastex») eingestrickt wurden. Damit gewannen Badekleider an Elastizität und blieben bei Nässe formstabil. Dieser neuartige Stoff wurde speziell und nur von Hanro entwickelt. Bis sich die Kunstfaser bei der Bademode in den 50er-Jahren durchsetzte, wurde vorzugsweise Wolle verarbeitet. 

Auch wenn man vermutet zweiteilige Badekleider seien eine Erfindung der Neuzeit, so waren sie bereits in den 30er-Jahren nicht selten anzutreffen. Der eigentliche «Bikini» wurde dann 1946 vom Designer Louis Réard entworfen und aus nur vier kleinen Stoffdreiecken angefertigt. Diese damals umstrittene, knappe Kreation hatte eingeschlagen wie eine (Sex-)Bombe und wurde darum von Réard nach dem Bikini-Atoll benannt, weil dort fast zeitgleich die ersten Atombombentests nach dem Krieg stattfanden. Eine recht kranke Idee, doch der Name steht noch heute.

Einige Hanromodelle erinnern stark an die heutige Mode. Auch die wieder aktuellen Monokinis, eine Mischung zwischen Bikini und Badekleid, gab es bereits vor 80 Jahren. Leider beschränkt sich die Bademode von Hanro ausschliesslich auf diese 30er-Jahre. Mit dem Kriegsausbruch 1939 wurde die Fabrikation der Badekleider wegen der knapp gewordenen Wolle eingestellt und nicht wieder aufgenommen.

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Öffentliche Führungen im Museumsdepot der Hanro-Sammlung finden regelmässig statt. Infos hier. (www.museum.bl.ch). Individuell buchbare Führungen für Gruppen: museum@bl.ch. Ein Rückblick auf die dreijährige Erschliessungsphase und Einblicke in Themen zu Hanro sind zu sehen in einem Teil der Dauerausstellung «Bewahre! Was Menschen sammeln». Museum.BL, Zeughausplatz 28, Liestal.

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