• Christian Platz
  • Aktualisiert am

Heute vor 205 Jahren entdeckte der Basler Scheich Ibrahim die Felsenstadt Petra

Indiana Jones, Kara Ben Nemsi, Phileas Fogg: Auch der Basler Orientreisende Jean Louis Burckhardt (1784 bis 1817) war ein Abenteurer im romantischen Grossformat, doch – im Gegensatz zu den eingangs erwähnten Gestalten – war er real. 

Im August 1812 marschierte Napoleons Grande Armée auf Moskau zu, versuchten die USA, Kanada zu erobern, und in England nahm die erste Zahnradbahn der Welt ihren Betrieb auf. Derweil reiste der Basler Reisende Jean Louis Burckhardt, der im Orient das Pseudonym Scheich Ibrahim Ibn Abdallah trug, den Nil aufwärts, mit einem Schutzbrief des ägyptischen Vizekönigs im Gepäck.

Reiche Erkenntnisse

Es war ein mühseliges, beschwerliches, gefährliches Reisen, dem sich der Mann aus dem Basler Patriziergeschlecht Burckhardt verschrieben hatte, und das an Orte führte, die in jener Zeit nur selten von Europäern besucht wurden, ein Reisen allerdings, das dem Abenteurer reiche Erkenntnisse brachte.

Über die Menschen des arabischen Kulturraums, ihren Alltag, ihre Sprachen und ihre Religion. Und genau auf diese Entdeckungen hatte es der Mann vom Rheinknie abgesehen.

Radikale antifranzösische Haltung

Jean Louis Burckhardt hatte in Deutschland Naturwissenschaften, Sprachen, Geschichte und Geographie studiert. 1905 reiste er dann aus Göttingen nach Basel zurück. Doch der 21-Jährige hatte Mühe, hier beruflichen Anschluss zu finden. Seine radikale antifranzösische Haltung, die er mit seinem Vater Johann Rudolf Burckhardt, einem lautstarken Anhänger des vorrevolutionären Ancien Régime teilte, war der Grund dafür.

Die «African Association» in London

Also reiste Jean Louis 1806 wieder ab. Zunächst nach London. Sein Ziel in der britischen Hauptstadt war die African Association, die immer wieder Forschungsaufträge in den nordafrikanischen Raum organisierte. Tatsächlich gab ihm diese Gesellschaft den Auftrag, eine Expedition zum Niger zu leiten, dem drittlängsten Fluss Afrikas.

Talent für die arabische Sprache

Zur Vorbereitung auf dieses Abenteuer begann Burckhardt damit, massiv Sport zu treiben, er studierte Arabisch und besuchte in Cambridge Vorlesungen in Astronomie, Medizin, Chemie und Mineralogie. Es erwies sich, dass er für die arabische Sprache besonderes Talent hatte. Nur wenige Jahre später übersetzte er den Robinson Crusoe von Daniel Defoe vom Englischen ins Hocharabische.

Pseudonym und neue Identität

Im Februar 1809 schiffte sich unser Protagonist ein, zunächst nach Malta, das damals unter britischer Kontrolle stand. Von dort aus begab er sich nach dem syrischen Aleppo, er wollte den Islam studieren und seine Arabischkenntnisse verbessern. Alsbald legte er sich eine arabische Identität zu – viele europäische Reisende pflegten sich in jener Zeit auf Reisen in ferne Länder unter Pseudonymen und dem Mantel einer angenommenen Identität zu tarnen.

Burckhardt war von nun an Sheikh Ibrahim Ibn Abdallah und gab an, ein muslimischer Handelsreisender zu sein.

Den islamischen Glauben angenommen

Wenn er auf den leichten Akzent angesprochen wurde, der in seinem Arabisch hörbar war, sagte er, dass er diesen in Indien angenommen habe, wo er lange tätig gewesen sei. In dieser Zeit habe er auch den islamischen Glauben angenommen. In den folgenden Jahren erkundete Burckhardt unter seinem arabischen Namen Palmyra, Damaskus, den Libanon und viele heilige Stätten des Islams. 1812 ging er östlich am Toten Meer vorbei über die Sinai-Halbinsel nach Kairo.

Reise nach Petra

Auf seinen Reisen trotzte er vielen Gefahren, reiste durch Territorien, in denen sich Stämme bekämpften, litt unter Sandstürmen, sengender Hitze und schweren Krankheiten. Doch all das konnte ihn nicht aufhalten. Als er von Kairo Richtung Dongola aufbrach, mit jenem Schutzbrief des ägyptischen Vizekönigs im Gepäck, waren es wieder volkskundliche und kulturelle Interessen, die in leiteten.

Es war diese Reise, die ihn als Entdecker unsterblich machen sollte. Denn am 22. August 1812 – also heute vor 205 Jahren – stand er plötzlich vor der jordanische Felsenstadt Petra. Die letzten Europäer, die sie gesehen hatten, waren Kreuzritter gewesen. In Europa bezweifelte man sogar die Existenz der Stadt und sprach von einer Legende.

Abu Simbel und Mekka

Zwei Jahre später entdeckte er in der nubischen Wüste den berühmten Tempel von Abu Simbel wieder. Auf dieser Reise zog er auch nach Mekka und nahm an der Pilgerfahrt Haddsch teil. Dabei bereiste er Gegenden, die seit Jahrhunderten von keinem Europäer mehr besucht worden waren.

Unterwegs hatte Burkhardt immer wieder Aufzeichnungen gemacht, 350 Bändchen umfassen seine gesammelten Werke. Dabei hatte er sich vor allem mit volkskundlichen, kulturellen, politischen und religiösen Themen befasst, dies sehr scharfsinnig und weitblickend.

Grosse Pläne und Tod durch die Ruhr

Die Ruinen, die ihm später seinen Entdeckerruhm einbringen sollten, interessierten ihn nur am Rande. Zurück in Kairo, plante er eine weitere Reise, die ihn – per Karawane – nach Fessan bringen sollte, über die Transsahara-Route, also über Mursuk, Timbuktu und Bornu. Doch dieses Abenteuer konnte er nicht mehr antreten, denn 1817 erkrankte Jean Louis Burckhardt an der Ruhr, der er am 15. Oktober erlag, kurz vor seinem 33. Geburtstag.

Seinem Wunsch folgend wurde er unter arabischem Namen auf einem islamischen Friedhof begraben. Seine Schriften vermachte er testamentarisch der Universität von Cambridge. 1822 erschien sein Tagebuch in London, unter dem Titel «Travels in Syria and the Holy Land».

Das Grab des Scheich Ibrahim galt einige Jahre lang als verschollen, 1857 wurde es durch die Forschungsreisenden Theodor Billharz und Richard von Neimans wiederentdeckt. In der Aula des Museums an der Augustinergasse findet man eine Marmorbüste des Abenteurers. 

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