• Christian Platz
  • Aktualisiert am

LSD, das Sorgenkind aus Basel, wird 75

Die hippen Zürcher konsumieren jetzt wieder LSD. In Kleinstmengen. Um ihre Kreativität anzuheizen. Da können wir Basler nur lachen. Denn hier wurde der Stoff erfunden, aus dem die Visionen sind. 

Unter Hirnarbeitern

Das gute alte LSD, so berichtet der Tagesanzeiger vom Donnerstag auf der Titelseite und gleich zwei weiteren Artikeln, sei unter Hirnarbeitern im Silicon Valley inzwischen usus und – eben – auch im Millionenzürich plötzlich wieder der letzte Schrei. Es würde in minimalen, geradezu homöopathischen Dosen eingenommen, per Spray, um die Hirntätigkeit anzukurbeln. Dabei ist die Wirkstoffmenge offenbar fast schon lächerlich gering. Deutlich geringer jedenfalls als jene, die der berühmte Chemiker Albert Hofmann (1906 – 2008) einst bei seinen Selbstversuchen am Rheinknie eingenommen hatte. Denn das genauso begehrte wie berüchtigte Diethylamid LSD-25 ist eine lupenreine Basler Erfindung. Auf die wir durchaus ein bisschen stolz sein dürfen!  

Das Derivat Nummer 25

Nach Abschluss seines Chemiestudiums in Zürich im Jahr 1929, begann Hofmann bei der Sandoz in Basel zu arbeiten. Es handelte sich um eine Lebensstelle, die er bis zu seiner Pension im Jahr 1971 behalten sollte. 1938 arbeitete er mit Mutterkorn, einem Getreidepilz. Sein Ziel war es eigentlich, ein Kreislaufmedikament zu finden. Also synthetisierte er verschiedene Ableitungen des Stoffs. Das Derivat Nummer 25 sollte es in sich haben. Doch in Tierversuchen zeigte die Reihe anfänglich keine besondere Wirkung. Also wurde sie zunächst auf Eis gelegt.

Eigentümliche Visionen

Fünf Jahre später stellte Hofmann den Stoff nochmals her. Im Labor muss er aus Versehen ein wenig davon eingenommen haben. Diese Dosis löste bei ihm eine gewisse Unruhe und etwas später eigentümliche Visionen aus. Deshalb nahm der Herr Doktor am 19. April 1943 nochmals eine höhere Menge des Stoffs ein. Schon auf dem Heimweg, er war mit dem Velo unterwegs, kamen die ersten Halluzinationen. Zuhause angekommen, erschien im die Nachbarsfrau plötzlich als gefährliche, furchteinflössende Hexe. Danach beruhigte er sich wieder und hatte wunderbare Farbvisionen. Nach dieser ersten Erfahrung beschäftigte sich Hofmann noch mit weiteren halluzinogenen Substanzen. Sein grosses Anliegen war es immer, dass diese Stoffe ernsthaft medizinisch untersucht würden. Er vermutete in den Stoffen heilsame Wirkungen, die in der Medizin und in der Psychiatrie segensreiche Wirkungen entfalten könnten.

Underground Philosophen

Doch da hatte er seine Rechnung ohne die Hippies gemacht, die einige Jahre spätere einen recht fröhlichen, alles andere als wissenschaftlichen Umgang mit der Substanz fanden. In den 1960er Jahren propagierten Underground-Philosophen wie der Psychologe Timothy Leary (1920–1996) oder der Autor Ken Kesey (1935–2001) – er hat unter anderem den Roman «Einer flog übers Kuckucksnest» verfasst, der 1975, mit Jack Nicholson in der Hauptrolle, höchst erfolgreich verfilmt wurde – den Gebrauch von psychedelischen Drogen als Erleuchtungshelferlein und Befreiungsmittel. Am Anfang dieses riesigen weltweiten Booms im Zeichen der so genannten Bewusstseinserweiterung waren LSD und Co. noch legal. Bald folgte allerdings eine überzogene Dämonisierung der Stoffe. Sie wurden schlagartig verboten. Leary wurde verhaftet und flüchtete in die Schweiz. Hier wohnte er einige Zeit in Binningen, bei einer Grossfamilie. – Ein weiterer Bezug der LSD-Geschichte zur Region Basel.

Hofmann hatte keine Freude

Hofmann hatte an Leary und Co. allerdings überhaupt keine Freude. Für ihn waren die hippiesken Auslöser der Anti-Drogen-Hysterie der entscheidende Faktor dafür, dass eine ernsthafte wissenschaftliche Prüfung und Weiterentwicklung des Stoffes ausblieb. Allerdings muss man einräumen, dass die Visions-Beschreibungen, die Hofmann in seinen eigenen Büchern publizierte, etwa im Bestseller «LSD, mein Sorgenkind» (1979), wohl auch so manche Leserinnen und Leser auf den Versuchs-Trip gebracht haben dürften. Jedenfalls war es ihm eine grosse Genugtuung, als der Psychotherapeut Peter Gasser aus Solothurn im Jahr 2007 die Erlaubnis erhielt, mit LSD als Therapeutikum Versuche durchzuführen.  

«Brainticket» und eine Sphinx

Es gibt durchaus noch weiter Bezüge zwischen Basel und LSD. So war unsere Stadt 1970 die Basis der psychedelischen Band «Brainticket», deren legendäres erstes Album «Cottonwoodhill» (1971) im Ruf stand, durch Musik Halluzinationen auszulösen. 1975 gründete Dieter Hagenbach (1943–2016) hier die Buchhandlung Sphinx sowie den gleichnamigen Verlag, der viele Klassiker der magischen, psychedelischen und okkulten Literatur in grossartigen deutschen Ausgaben veröffentliche, etwa Bücher von Leary, Aleister Crowley oder die abgefahrene «Illuminatus»-Trilogie von Robert A. Wilson und Robert Shea, die später im Film «Matrix» abgekupfert wurde, oft übersetzt von einem weiteren interessanten (Wahl-)basler, dem Autor Udo Breger.

Auf psychedelischen Pfaden

In seinen Teenager- und Zwanzigerjahren wandelte auch der Autor dieser Zeilen mit seinem Freundeskreis zusammen oft und gerne auf psychedelischen Pfaden. Vor allem in den frühen 1980er Jahren war LSD auf der Szene leicht erhältlich, pro Trip bezahlte man 15 Franken. Dabei machten wir wunderschöne Erfahrungen, erlebten aber auch allerlei Horror-Höllenfahren. Rückblickend hat es sich für einige von uns gelohnt. Doch das soll keineswegs als Empfehlung verstanden werden. Wir erlauben uns nur aufgrund von Erfahrungen in der sogenannten wilden Zeit eine Einschätzung über die Minimal-Dosierungen zu erlauben, die nun im Millionenzürich im Schwange zu sein scheinen. Wenn wir uns vor Jahrzehnten zu fünft nur zwei Trips leisten konnten, die Dinger deshalb untereinander aufteilten, erlebten wir nie einen befriedigenden Trip. Eher so eine nervöse Grundsituation, bei der wir uns wie Flugzeuge fühlten, die einfach nicht abheben können. Vielleicht finden die Zürcher und ihre coolen Vorbilder in silicon valley das ja kreativitätssteigernd,der Basler Erfinder Albert Hofmann hingegen dürfte sich im Grabe umdrehen.