© Basel Tourismus / Montage Mira Lachmann
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  • Christine Staehelin
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Linguistik Professor beweist: Basler fluchen anders - Gopferdelli!

Professor Dr. Hans-Martin Gauger untersuchte die Flüche verschiedener Sprachen. Dabei stellt der Linguist schnell fest, dass in der Region Basel anders geflucht wird als im restlichen deutschsprachigen Raum.

Haben Sie heute schon geflucht? Gut so! Denn Schimpfwörter helfen uns, Schmerzen zu lindern oder Druck abzulassen. Fluchen Sie also ruhig weiter. Aber wissen Sie, was die Flüche bedeuten? Vielleicht ist die Fluch-Hemmschwelle höher, nachdem Sie das Buch namens «Das Feuchte und das Schmutzige» des Linguisten Hans-Martin Gauger gelesen haben. Aber Achtung, für feingeistige, nicht-fluchende Zeitgenossinnen und Zeitgenossen offenbart das Buch eine neue, fast schon erschreckende, Welt. Dieser Bericht übrigens auch. Jetzt wäre der letzte Moment mit Lesen aufzuhören, das ist eine Warnung.

Der Autor selbst gehört nicht zu den fluchenden Menschen. «Ich tue mich beispielsweise noch immer schwer mit dem Wort ‹Fic...›», sagt Hans-Martin Gauger. Kräftigere Flüche als «Scheisse» nutzt er nur innerhalb seiner wissenschaftlichen Analyse. Der Sprachwissenschaftler aus Freiburg hat untersucht, in welcher Sprache wie geflucht wird. Und erklärt die Faszination seiner Untersuchung so: «Oft wählt man als Forschungsgebiet ein Thema, das einem nicht sehr liegt.» Ein schlechter Redner wähle gerne die Rhetorik als Thema und er als schlechter Fluchender wählte nun eben die ihm ferne Welt der Schimpfwörter. 

In der Kategorie der Exkremente

Fünf Jahre nach der Erstpublikation bestätigt Hans-Martin Gauger gegenüber barfi.ch entschieden seine wissenschaftliche Untersuchung, dass sich die alemannisch Sprechenden beim Fluchen vom restlichen deutschsprachigen Raum unterscheiden – und davon ist unser Baseldeutsch beeinflusst. «Es gibt einen südwestdeutschen Sonderweg», erklärt der Linguist. «Im alemannischen Sprachraum werden auch sexuelle Ausdrücke als Schimpfwort genutzt». Während dies in romanisch-sprechenden Ländern der Regelfall ist, fluchen die Deutschen in der Kategorie der Exkremente. Paradebeispiele dafür sind Ausdrücke wie «Scheisse», «Verpiss Dich» – oder  etwa der sprichwörtliche «Griff ins Klo». Doch Basel ist nicht Deutschland.

Kapitän Haddock aus den Comics «Tim und Struppi» ist weltberühmt für seine Flüche. 

«Schooffsèggel»

Für Baslerinnen und Basler wirken solche typisch deutschen Schimpfwörter oft grob. Aber ein typisch baseldeutsches Schimpfwort ist der «Schooffsèggel», was wir eigentlich als harmlos wahrnehmen. Sogar der verstorbene Sprachpapst Rudolf Suter beschreibt im Baseldeutschen Wörterbuch, dass damit ein Dummkopf, ein Schafskopf, ein blöder Kerl gemeint sei. Das stimmt zwar. Doch das Wort ist, so Hans-Martin Gauger, ganz klar sexuell konnotiert und dokumentiert somit den alemannischen Sonderweg. Schliesslich, und wir lösen damit auf, ist mit einem Sèggel nichts anderes als der umgangssprachliche «Sack», also die Hoden eines männlichen Lebewesens gemeint.

Ein weiteres typisches Baseldeutsches Schimpfwort ist «Gopferdelli» und alle seine möglichen Abwandlungen. Also Flüche, die im kirchlichen Bereich angesiedelt sind. Natürlich rutscht Herr und Frau Basler auch ein «Scheisse» raus, wenn der Bebbisack wieder einmal reisst. Dies seien Einflüsse von aussen, die eine Sprache verändern. Vor allem in der Jugendsprache stellt Hans-Martin Gauger einen starken Einfluss aus dem angelsächsischen Raum fest: So gehört das «Fuck» bei den Jungen schon fast zum Standardrepertoire. 

Die Abhärtung der Menschen

Oft ist man sich beim Fluchen nicht bewusst, was man da genau sagt. Hans-Martin Gauger ruft den schönen Satz in Erinnerung und sagt: «Wir wissen nicht, was wir sagen, wenn wir reden». Die Abhärtung der Menschen trägt dazu bei, dass die Flüche nicht hinterfragt werden. Kraftausdrücke gehören dazu: «Im romanischen Bereich sind die Flüche oft im Bereich der weiblichen Sexualität angegliedert, sogar Frauen nutzen diese», gibt der Sprachwissenschaftler zu bedenken.

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Wenn man wütend ist, nimmt man sich nicht die Zeit, die genaue Bedeutung des Kraftausdruckes zu hinterfragen. Ganz egal, ob man «Schooffsèggel», «Scheisse» oder halt «Fuck» wählt:  Fluchen gehört zur Gesellschaft. Früher noch ganz klar ein Phänomen der Unterschicht, gab es in den letzten zweihundert Jahren einen merklichen Wandel. «Schon im 18. Jahrhundert kam das Fluchen in der besseren Gesellschaft in Mode», erklärt Hans Martin Gauger. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen daher gopferdelli noch einen schönen Mittwoch.

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Möchten Sie typisch Baslerisch fluchen? Hier geht es zu den alten «Baseldytsch»-Flüchen. 

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Gauger, Hans-Martin: «Das Feuchte und das Schmutzige. Kleine Linguistik der vulgären Sprache», C.H. Beck 2012.