Die Obdachlosigkeit nimmt zu, aber die Behörden wissen von nichts. Bild: Binci Heeb
Die Obdachlosigkeit nimmt zu, aber die Behörden wissen von nichts. Bild: Binci Heeb
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Massiv steigende Obdachlosigkeit: Dunkles Geheimnis des «sozialen» Basel

Seit anderthalb Jahren nehmen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit in der Stadt rasant zu, melden die Gassenarbeiter vom Schwarzen Peter. Doch die Behörden im «sozialen» Basel meinen nur, die «offene Obdachlosigkeit» sei weder «sicht- noch eruierbar». 

Es geht schnell, sehr schnell: Im Jahresbericht 2015 berichten die Gassenarbeiter vom Schwarzen Peter noch, 280 Menschen hätten bei ihnen per September 2014 ihre Meldeadresse hinterlegt. Anderthalb Jahre später im April 2016 sind es bereits 400 Menschen in der Stadt, die keine Adresse und somit kein Dach über dem Kopf mehr haben. Zwar zeigt die städtische Wohnraumstatistik, dass momentan 350 Wohnungen leerstehen würden, allerdings sind diese für Menschen in prekären Lebensumständen unerschwinglich. Auf Anfrage von barfi.ch sagt die Leiterin der Sozialhilfe, Nicole Wagner: «In Basel ist eine offene Obdachlosigkeit kaum sicht- oder eruierbar. Somit kann davon ausgegangen werden, dass etliche der beim schwarzen Peter angemeldeten Personen irgendwo untergekommen sind; möglicherweise auch bei Freunden oder Bekannten. Die Sozialhilfe kann aktiv werden, wenn sich von Obdachlosigkeit akut bedrohte Personen an sie wenden. In diesen Fällen kann eine Notwohnung zur Verfügung gestellt werden oder bei Einzelpersonen auch die Notschlafstelle.»

Essen aus dem Automaten

Das klingt nicht nach dem Prinzip «Hoffnung» und nicht gerade sozial. Auf der Webseite der Notschlafstelle an der Allemannengasse wird es nicht besser: «Die Gäste können in der Notschlafstelle ihre Wäsche waschen und ihre Wertsachen und Schriften zur Aufbewahrung im Safe deponieren. Für die Verpflegung stehen mehrere Automaten zur Verfügung. Die anwesenden Aufsichtspersonen vermitteln bei Bedarf auch Informationen zu weiteren Hilfsangeboten.» Mehr als Essen aus dem Automaten gibt es für Obdachlose also erst einmal nicht. Immerhin ist ein solches Hilfsangebot die «soziale Wohnungsvermittlung», IG Wohnen. Auch dort haben sich im letzten Jahr 309 Menschen angemeldet. 148 wurden von der Sozialhilfe dorthin geschickt. Die Gründe, Hilfe zu suchen, sind vielfältig: Von Invalidenrentnern, bis zur Sanierung und Verteuerung der bisherigen Wohnung oder die Schwierigkeiten wegen Betreibungen eine Wohnung zu finden ist alles da. 

Wenig Hoffnung für Obdachlose

Auch die Chefin der Sozialhilfe räumt ein, dass Basler, denen Obdachlosigkeit droht, nicht viel Hilfe zu erwarten haben: «Es gibt nicht viele Wohnangebote für Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Personen. Die meisten Wohnangebote sind auf eine spezifische Gruppen oder Themenbereiche ausgerichtet.» Immerhin gibt es für Menschen in prekären Lebensumständen nicht nur «Essen aus dem Automaten». Die Gassenküche am Lindenberg bietet Essen für drei Stutz an und hinter dem Bahnhof bietet Soup'n'Chill eine Suppe und Zuflucht in den kalten Monaten. Aber sonst bietet das «soziale Basel» wenig Unterstützung für Menschen, die über den Rand gefallen sind. Dass im sozialen Basel Handlungsbedarf herrscht, was die Wohnsituation angeht, wissen nicht nur die Gassenarbeiter vom Schwarzen Peter. Auch der bürgerliche Kronprinz für den Regierungsrat, Conradin Cramer, sprach sich am Wochenende bei einem «Quartierpalaver» im Bachletten zwar für einen «freien Markt» aus, sieht aber im Genossenschaftswohnbau, wie etwa beim Felix-Platter-Spital eine «Lösung.» Auch Nicole Wagner von der Sozialhilfe sieht das Problem vor allem bei den fehlenden Wohnungen: «Solange der Wohnungsleerbestand sehr niedrig ist, wird es immer eine Konkurrenz um freie Wohnungen geben. Hiermit steigt der Druck  auf kostengünstige Wohnungen umso mehr. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt und damit für Wohnungssuchende wird sich erst mit der Zunahme an freiem Wohnraum entspannen.»

Aus den Augen, aus dem Sinn

Zwar baut die Stadt Wohnungen wie wild. Nicht nur auf der Erlenmatt und beim Felix Platter-Spital. Durch das wirtschaftliche Wachstum wird dieser Wohnraum aber weiterhin stark umstritten bleiben, da rund 2'000 Menschen jährlich in die Stadt ziehen. Vielleicht doch Zeit für die Stadt hinzuschauen, was man für Menschen in prekären Lebensumständen tun könnte. Auch wenn eine offene Obdachlosigkeit nicht ohne weiteres «sichtbar oder eruierbar» sei.

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