©Verschwundenes Basel / Jonas Egli
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  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Moderne Freie Strasse dank «Zara Home» und Co.: Wenn Nostalgiker weinen

Das Geschacher mit den Ladenflächen erreicht rund um die Freie Strasse einen neuen Höhepunkt. Orell Füssli zieht um, Zara liebäugelt mit der frei werdenden Liegenschaft und bringt gleich noch «Zara Home» in die Innenstadt. Damit erhält die berühmteste Basler Einkaufsmeile schon wieder ein neues Gesicht.

Alle zur barfi-Berichterstattung über die Basler Innenstadt

Endlich ein «Zara Home» für Basel. Oh. Mein. Gott! Was war das für ein Jubel: Der spanische Modehandelkonzern Inditex soll sich für das Gebäude der Buchhandlung Orell Füssli interessieren, die ganz früher noch Jäggi hiess, später Thalia und schliesslich nach dem Zürcher Mutterhaus benannt wurde. Ein «Zara Home» also, man stelle sich vor: Hübsche, moderne Einrichtungsgegenstände in tollem Design, global produziert und über ein internationales Netz von lokalen Filialen vertrieben. Bald also gibts das auch in Basel. Und nachdem Orell Füssli an den Standort des heutigen «Vögele Shoes» in der Freien Strasse gewechselt haben wird, will auch das Modehaus Zara selbst zügeln. So hat es die «bz Basel» recherchiert.

Schon kurz vor «Zara Home» erreichte uns die Meldung, dass «Flying Tiger» eine Niederlassung an der Ecke Marktplatz einrichtet, wo früher noch der Schuhladen Deiss zu Hause war. Die Dänen verkaufen stylishen Nippes, also viele sehr tolle Gegenstände in zeitgenössischem Design. Da jubelt das Herz der «Generation Easyjet», die alle diese Läden von unzähligen Shopping-Städtetrips aus ganz Europa kennen und sich jedes Mal gefragt haben: So schade! Warum gibts so etwas bei uns nicht? Dabei war ja die Entdeckungsreise in andere Läden in anderen Ländern etwas, das den Zauber der Städtereise unter anderem befeuerte.

Weisch no? Hobby: Frühnostalgiker

Jetzt erhält also Basel noch mehr internationale Coolness für eine vernetzte Einkaufswelt, mitten in der Innenstadt. Finanzstarke Detailhandelsketten lassen sich nieder und bringen der kleinen Stadt am Rheinknie das, wofür deren Bewohner gerne mal zum Shopping nach Madrid, Berlin, London verreisten. Gleichzeitig macht ein so genanntes Traditionsgeschäft nach dem anderen zu: Der «Kost Sport» ist schon lange Geschichte, «Spira» hat kürzlich das definitive Aus für seinen Pop-Up-Store-Versuch verkündet und dass der «Musik Hug» die Freie Strasse verlässt, hätte bis Ende vergangenen Jahres auch keiner gedacht. Bei jeder Geschäftsaufgabe dann der Katzenjammer, dasselbe Lamento: Traditionsgeschäfte verschwinden! Gesichtslose Sneakerläden und mainstreamkonforme Kleiderläden wälzen unsere Einkaufsstadt platt!

Es herrscht öffentliche Ambivalenz zwischen dem Wunsch, ebenfalls zu den Konsum-Weltstädten zu gehören, und dem Nachtrauern alter Tage: Damals, als es noch den ABM gab und in der Freien eine Blechkolonne aus VW Käfern und den Döschwo von Citroën stand. Weisch no? Nein, ehrlich gesagt nicht, denn damals war auch ich noch zu jung, um heute beim Anblick körniger Kodak-Fotos schon das wohlige Schaudern des Frühnostalgikers zu empfinden. Die Läden in der Freien veränderten sich schon damals, wenn auch ein bisschen schleppender, da sich weniger Konzerne um die attraktiven Ladenflächen an bester Lage rissen.

Ja nicht der Einkaufsstadt Basel schaden!

Zara liebäugelt mit dem Gebäude von Orell Füssli. ©Jonas Egli

Die wirtschaftliche Komponente ist wesentlich. Die Flächenpreise sind beachtlich und Modeketten tätigen diese operativen und strategischen Investitionen gerne – auch wenn ihre Bereitschaft Grenzen hat, überzogene Flächenpreise zu bezahlen. Es geistern immer wieder Studien durch die Medien, die den Marktwert der grossen Einkaufsmeilen der Schweiz zu bestimmen wagen, aber das hochzurechnen ist schwierig genug. Liegenschaftsverwaltungen und Private verhandeln über die Preise und es ist natürlich lohnender, einen zahlungskräftigen Mieter mit Massenbekleidungsware und starker Marke im Haus zu haben als einen Spezereienladen zu beherbergen, der je nach Geschäftsgang Mühe bekundet, die nicht ganz bescheidene Miete abzustottern.

Und Familienbetriebe, denen gleich noch das Haus gehört, in dem sie vor Jahrzehnten ihren Laden gegründet hatten, können über Immobilienbewirtschaftung fast mehr herausholen, als wenn sie sich als lokale Invividualisten mit Waren eines globalisierten Markts zu behaupten versuchen. Zumindest, wenn die Immobilie mitten in der Haupteinkaufsmeile liegt. Denn selbst Pro-Innenstadt-Geschäftsführer Matthias F. Böhm sagt, dass es nicht gut sei, wenn Ladenflächen zu lange leer stehen. Es schade der Attraktivität der Einkaufsstadt Basel.

In einer anderen Stadt als der am Rheinknie

Und diese Einkaufsstadt soll brummen und summen, kräftig Umsatz generieren und die Leute in die Läden locken. Ob nun der vom erlesenen Geschmack allseits verachtete H&M oder ein neuer «Zara Home» am Standort des heutigen Buchladens: Wem die Kunden die Bude einrennen, dessen Anwesenheit ist berechtigt. Den Rest verdrängt der Markt. Heimatschutz und Nostalgie hin oder her.

So wird die Freie Strasse also weiter zur umsatzoptimierten Shopping-Meile internationalen Geschmacks und was können wir schon dagegen haben? Nichts. Denn wir wollen dort ja shoppen, bis das Konto kracht, wenn wirs nicht gerade im Internet tun. Und es steht der Einkaufsstadt ja gut an, wenn ein paar Grossanbieter den Duft der engen, luftigen Industrieklamotten durch die Strassen ziehen lassen. Für den Liebhaber von Boutiquen gibts ja immer noch den Spalenberg und andere verwinkelte Altstadtgassen. Da darf man sich in der Freien Strasse also ruhig mal sonnenbebrillt einen Pappbecher von Starbucks gönnen und mit Tüten namhafter Herstellen durch die Shopping-Meile flanieren, als ob man sich in einer anderen als der eigenen, kleinen und doch so sehr auf Nostalgie bedachten Stadt am Rheinknie wähnt.

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Update 28.2.17, 14.19h: Präzisierung bei «Zara» und «Zara Home» im Lead und im ersten Abschnitt.