Bilder: Wikipedia
Bilder: Wikipedia
  • Christian Platz
  • Aktualisiert am

Nach der Reformation wurden die Basler Dirnen hart angepackt

Die Reformation steht gerne im schönen Ruf, das katholische Mittelalter modernisiert und viele Verbesserungen gebracht zu haben. Dies entspricht nur teilweise den Tatsachen. An vielen Orten hat die protestantische Obrigkeit mehr so genannte Hexen und Zauberer gefoltert und verbrannt als die katholische. Auch ihr Umgang mit der Prostitution war um einiges schärfer als jener der Papstanhänger; zum Beispiel in Basel. 

Vor der Reformation hatte sich die katholische Basler Obrigkeit mit der Prostitution als Tatsache arrangiert. Dies war ein Akt der Vernunft, ein Zugeständnis der Religion an die Realität, weil das älteste Gewerbe der Welt halt einfach nicht ausgerottet werden kann.

Ganz im Sinne des Heiligen Augustinus von Hippo. Der grosse Kirchenlehrer sprach der Prostitution nämlich eine notwendige gesellschaftliche Ventilfunktion zu –  und zwar bereits im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.

Fast besser als heute

Gleichzeitig regulierte die Regierung die Bedingungen, unter denen die Dirnen arbeiteten. Im frühen 14. Jahrhundert gab es in Basel sogar einen Mindestlohn für Liebes- und Leibesdienste, die Dirnen wurden gesetzlich geschützt und beschützt. Fast besser als heutzutage.

Kein Schritt aus der mittelalterlichen Finsternis

Das aktuelle «Reformationsjahr» 2017 ist ein schöner Anlass, um an die Tatsache zu erinnern, dass die Übernahme durch die Protestanten in vielen Bereichen alles andere als ein Schritt aus der vielzitierten mittelalterlichen Finsternis war, der Umgang mit den Dirnen gehörte ganz klar dazu.  

Bordellbetriebe dicht gemacht

Kaum war die barbarische Bilderstürmerei der Reformation in Basel beendet, wurden die so genannten Frauenhäuser und Badestuben, wie die Bordellbetriebe damals, anfangs der 16. Jahrhunderts, hiessen, dicht gemacht, ganz im Sinne der Bibel, wie sie die engstirnigen neuen Herrschenden auslegten.

Sie gingen davon aus, dass sie eine Gesellschaft ohne Ehebruch und Wollust schaffen könnten, durch eisernen Zwang. Sexualität sei eben nur zum Zwecke der Fortpflanzung erlaubt.

Permanente Angst

Die Prostitution wurde also kurzerhand verboten, unter hohe, grausame Strafen gestellt – und verschwand, wie immer, wenn dies im Laufe der Menschheitsgeschichte versucht wurde, keineswegs. Sie verzog sich einfach tief in den Untergrund, wurde noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Und es waren die Frauen, die am meisten darunter zu leiden hatten. Denn sie führten danach ein Leben in permanenter Angst.

Schandmarsch

Sie waren ihren Kunden und den Zuhältern nun schutzlos ausgeliefert. Wenn sie verpfiffen oder angeklagt wurden, erwarteten sie grausame Strafen. Sie wurden in Ketten gelegt und durch die ganze Stadt zur Theodorskirche geführt, an den Gläubigen vorbei, im Schandmarsch. Dies ein ganzes Jahr lang. Jeweils am Sonntag.

Bei Wasser und Brot

Die Ketten wurden sie danach nie mehr los, denn sie mussten ihr ganzes restliches Leben im Zuchthaus verbringen, in elenden Zellen, an die Wand geschmiedet, bei Wasser und Brot. Wer einer Dirne Unterschupf gewährte, oft waren dies übrigens Frauen, die Mitleid hatten, musste ebenfalls mit jahrelangen Gefängnisstrafen rechnen.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein erhalten

Diese Haltung zur Prostitution blieb dem protestantischen Basel bis ins erste Drittel 20. Jahrhundert hinein erhalten. Immer zum Schaden der Frauen, die diesem Gewerbe nachgingen oder nachgehen mussten, sei es aus Zwang oder aus schierer Armut. Die Religion der Nächstenliebe wollte es halt so.