Parade im April 2017, hier führt Nordkorea sein Raketenarsenal vor. Das Land hat auch einen interkontinentalen Atomsprengkopf im Arsenal und zehrt von dessen abschreckender Wirkung. ©Keystone
Parade im April 2017, hier führt Nordkorea sein Raketenarsenal vor. Das Land hat auch einen interkontinentalen Atomsprengkopf im Arsenal und zehrt von dessen abschreckender Wirkung. ©Keystone
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Nordkorea provoziert Raketenkrieg, doch noch immer bereisen Basler Touristen das Land

Nordkorea und die USA drohen sich mit gegenseitigem Raketenbeschuss. Zwei Mächte mit unberechenbaren Regierungschefs machen den Pazifik unsicher. Dennoch rät das EDA nicht von einer Reise nach Nordkorea ab: Schweizer Touristen fahren immer noch durchs Land, auch in diesem Moment. Und gebucht wird weiter. Ein Basler berichtet. 

Der deutsche Aussenminister warnt ausdrücklich vor einem anstehenden 3. Weltkrieg, Der ganze Globus dreht gerade durch. Nordkorea und die USA legen sich miteinander an, der asiatische Diktator Kim Jong-un droht mit einem Raketenbeschuss Guams, einer Insel, die sich auf dem Hoheitsgebiet der USA befindet. US-Präsident Donald Trump kündigt für diesen Fall «Feuer, Wut und Macht wie sie die Welt noch nie gesehen hat» an. Die Medien berichten stündlich, man erwartet Eskalation. Amerikanische Medien spielen bereits Apokalypse-Szenarios durch. Die Aktien von Rüstungsfirmen wie Lockheed Martin schnellen in die Höhe. Im Pazifik herrscht Angst, während die Nationen ihre Muskeln spielen lassen und die Waffenindustrie an Wert gewinnt.

Doch das Land wird weiterhin bereist. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheit (EDA) hat seine Warnhinweise auch nicht speziell angepasst. Geraten wird zwar zur Vorsicht und zur Beachtung sämtlicher Sonderregelungen. Aber abgeraten von Reisen nach Nordkorea wird nicht – im Gegensatz zu Ländern wie Afghanistan und Syrien. Nordkorea befindet sich schon seit einem halben Jahrhundert im Kriegszustand und weltpolitisch sind die jeweiligen Herrscher ein schwer einschätzbarer Hochrisikofaktor. Das Land selbst hingegen ist ruhig, teilweise sogar traumhaft idyllisch. Auch wenn ein grosser Teil der Bevölkerung Hunger leidet. Denn Nordkorea schafft es nicht, sich ohne fremde Hilfe selbst zu versorgen. Das Land ist vom Ausland abhängig, Sanktionen treffen das Volk hart.

Immer noch Touristen im Land

Sightseeing in Pjöngjang. Bild M. Wüthrich

Die Einschätzung des EDA geht also nicht von einem unmittelbar bevorstehenden Atomkrieg mit Beschuss von Nordkorea aus. Und so fahren tatsächlich Touristen immer noch ins weltweit geächtete Land, bereisen Nordkorea und kehren wieder zurück. Der Fall des Amerikaners Otto Warmbier, der ein Plakat klaute, festgenommen, interniert wurde und nach einem Jahr Haft kurz nach seiner Rückschaffung in die USA starb, hatte nur wenig Wirkung auf das Buchungsverhalten. Die Amerikaner verboten ihren Bürgern letzte Woche die Einreise nach Nordkorea. Andere Länder hielten diesen Schritt nicht für nötig. Allerdings sind die USA Staatsfeind Nummer 1 von Kim Jong-uns sozialistischem Regime – und jetzt auch ballistische Zielscheibe.

Doch wie sieht es hinter der Grenze aus? Das Basler Reisebüro der Globetrotter-Kette organisiert nach wie vor Reisen Richtung Pjöngjang. Jährlich fahren einige Baslerinnen und Basler dorthin, sagt Filialleiter Thomas Baumgartner gegenüber barfi.ch. Die Organisation läuft über das staatliche Reisebüro Nordkoreas, Kostenpunkt ab Peking: Rund 3'000 Franken. Baumgartner selbst war mit seinem Stellvertreter Michael Wüthrich bereits vor Ort. Und Wüthrich ergänzt, dass gerade jetzt wieder zwei Personen eine Reise gebucht haben.

Proppenvolle Feiern, menschenleere Strassen

Nordkorea. Ein Land im Krieg, aber auch ein Land mit Resorts. Bild M. Wüthrich

Die Erfahrungen sind eindrücklich. Baumgartner und Wüthrich flogen über Peking nach Pjöngjang und verliessen das Land nach Tagen per Zug wieder in Richtung China. Wüthrich erzählt vom grossen Volksfest, von fast leeren Strassen und von den zwei Aufpassern, die sie auf Schritt und Tritt begleiteten. «Das Land ist extrem eindrücklich», sagt er. Und natürlich befinde man sich in einer anderen Welt. Etwa in der Hafenstadt Wonsan, menschenleere vierspurige Strassen, aber ein Badestrand, der seinesgleichen sucht. Das war 2012, Kim Jong-uns Vater Kim Jong-il war kürzlich verstorben und das Mausoleum mit seiner aufgebahrten Leiche gerade für Touristen geschlossen.

Doch geändert hat sich bis heute für die Bevölkerung nicht viel, ausser dass das Mausoleum wieder offen ist. Und die Nordkoreaner? Die leben ihr Leben, zwischen Diktatur, totaler Überwachung, Alltag und den Parolen der Regierung. Auch jetzt. Alles ist auf den Diktator ausgerichtet. Wer sich seit Jahrzehnten im Krieg befindet, der Kraft des Militärs huldigen muss und rund um die Uhr mit Propaganda beschallt wird, für den ist dies irgendwann normal. Natürlich gibt es auch Kritik. Aber vorsichtig, sie kann schell das Leben kosten. Vielleicht kurz und leise in Fremdsprachen geäussert, aber nie offen. Wenn Kim Jong-un zum Raketentest oder wie jetzt sogar zum Beschuss ausruft, erklingt Feuerwerk und Jubel. Ob verordnet oder nicht: Nordkorea lebt seine eigene Version der Realität.

Wer sind diese Touristen?

Die demilitarisierte Zone (DMZ) an der Grenze zu Südkorea: Keine falsche Bewegung erlaubt. Bild M. Wüthrich

Die Landsleute, die auch jetzt noch – in diesem Moment – nach Nordkorea reisen, sind keine wilden Abenteurer oder andere Todessehnsüchtige, denen alles egal ist, vor allem ihr Leben. Wüthrich sagt, es seien besonnene Menschen, die sich auch von sich aus sehr gut auf eine solche Reise vorbereiten. Sie kennen ihr Risiko. Sie wissen aber auch, wie die Lage einzuschätzen sei und dass Nordkorea nicht das afghanische Hinterland ist, wo Entführungen, Attentate und andere Grausamkeiten an der Tagesordnung sind. Die Grausamkeit findet in Nordkorea auf anderer Ebene statt, auf radikaler politischer Ebene, die den Alltag durchdringt. Touristen bekommen auf den immer und unbedingt geführten Touren ohnehin nur zu sehen, was die Regierung genehmigt.

Während die Welt, vor allem die westliche, gerade durchdreht, während also wortstark von einem Dritten Weltkrieg geschrieben wird und die Aktien der amerikanischen Verteidigungsindustrie blühen, ist der Tourismus auf der koreanischen Halbinsel immer noch aktiv, auch im heiklen Norden. Ausländischen Besuchern, also ihren Schweizer Bürgern, rät die offizielle Eidgenossenschaft daher pragmatisch: «Informieren Sie sich vor und während der Reise über die Entwicklung auf der ganzen koreanischen Halbinsel. Befolgen Sie strikt die Anweisungen des Reiseleiters und vermeiden Sie politische Diskussionen.» Denn noch ist das Säbelrasseln der letzten Tage verbale Drohung. Auf den berüchtigten roten Knopf hat bis zur Stunde keiner gedrückt. 

Pjöngjang im Nebel: Die Hauptstadt von Nordkorea ist im Fokus der Weltpolitik. ©Keystone

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