Bild: barfi.ch
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  • Jonas Egli
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Nur Bares ist Wahres? In Basel ist Bargeld bald Vergangenheit

In Zukunft wird das Bargeld verschwinden. Das ist ausgemacht und auch gut so. Aber zuerst müssen wir uns vom guten alten Portemonnaie verabschieden.

Der Kiosk am Barfüsserplatz, Montag 08:35 Uhr: Alle möchten noch schnell einen Müsliriegel, einen Kaffe oder ein Päckli Zigis und eine Zeitung für den Tag erstehen, rasch bildet sich eine beachtliche Schlange. Doch was nun Stunden zu dauern droht, ist in Windeseile vorbei: Einer nach dem anderen hält kurz eine Karte oder ein Gerät an das Bezahlterminal und geht weiter. So schnell hat man nie zwanzig Leute bezahlen sehen. Kein einziges Mal wurde die Kasse geöffnet, kein einziges Mal fiel das Wechselgeld zwischen die Zeitschriften der Auslage, kein Portemonnaie wurde je geöffnet.

Was in aller Welt geschieht hier?

Wo die «Brieftasche» ihren Namen herhat

Am Ende doch noch der Anblick der guten alten Zeit: Der Herr zückt ein Portemonnaie von der Grösse einer durchschnittlichen Aktenmappe, das Ding hat mehr Fächer als das Vorlesungsverzeichnis der hiesigen Uni und mehr Karten, als man zum Jassen braucht. 

Das Portemonnaie, ja, das war einmal der stolze Ausdruck des schweizerischen Selbstverständnisses: eine Drehscheibe der Transaktionen, der Kassabons und Rabattmarken, des U-Abos, der Mitgliedskarten, des Halbtax und zig Bankkarten. Eine schweizerische Geldbörse hat Fächer, Reissverschlüsse und wölbt sich um die blankgeriebenen Nähte. Sind wir ehrlich, das eigentliche Schweizer Sackmesser ist Frau Küenzis Portemonnaie. Ein ganzes Leben lässt sich an dessen Inhalt rekonstruieren, aufgeteilt in zig kleinste Einheiten.

Schwer beladen und doch keinen Rappen reicher. Bild: barfi.ch

Die Zukunft bringt schlanke Gesässtaschen

Und dieses Portemonnaie wird in absehbarer Zukunft verschwinden: Bereits seit Jahren spriessen die Versuche überall aus dem Boden—Yapital, Tapit, Kesh, PayPass, mpass, Apple Pay, Twint, Paymit, VPay, Girogo, Alipay und so weiter—das Bezahlen bargeldlos zu machen, die Karten und Abos digital auf dem allgegenwärtigen Smartphone zu vereinen. Meist mit Funk-Chips, die in den neueren Handymodellen verbaut sind, oder auch per QR Code, die es zu fotografieren gilt. Alles so sanft und schnell, dass man es kaum bemerkt.

Im Dschungel der Anbieter hierzulande haben sich nun Twint und Paymit, die wichtigsten zwei, zum Zusammenschluss bewogen. Und zwar lieber gestern als heute. Kaum ein halbes Jahr alt, sehnt sich Twint schon wieder nach Zukunftsmusik. Und der Schulterschluss wird die Entwicklung massgeblich beschleunigen. Es locken aber nicht nur Transaktionsgebühren, sondern auch wertvolle Nutzerdaten.

Die Wölbung der Gesässtasche hat sich bereits zum rechteckigen, flachen Abdruck des Smartphones verschlankt, der Griff zum Zettelfriedhof der Geldbörse wandert nun zum schwarzen Monolith aus Glas und Plastik. Dank Funkübertragung und diversen Apps erscheint das Drämmlibillett wie von alleine auf dem Bildschirm, das Gifpeli wird kontaktlos abgegolten. Kurz den Kontostand überprüft, alles kein Problem. Dafür passen die Hosen wieder.

Den Dienst «Tapit» gibt es zwar bereits nicht mehr, die Idee wird aber nicht mehr verschwinden. Bild: Keystone

Der Spatz auf der Hand ist nicht mehr, es lebe die Taube auf dem Dach!

Aber auch digitales Geld ist weg, wenn man es ausgibt. Nichts rauscht so schnell vorüber wie eine berührungsfreie Zahlung. Nicht einmal ein Windhauch ist zu vernehmen. Konnte man am Portemonnaie einen Menschen rekonstruieren, so werden dieselben Daten heute munter mit dem Handy im Äther verstreut. Auf die Annehmlichkeiten des digitalen Lebens möchte man aber nicht verzichten. Und kann man auch nicht. Seit dem Internet-Handel, wo es kein Bargeld gibt, sind die neuen Bezahlformen auf dem Vormarsch.

Bargeld, das hat man in der Hand. Digitales Geld ist, wenn überhaupt, eine Zahl auf einem Bildschirm. Dennoch ist es einfacher zu verwalten und wesentlich sicherer. Wer das Portemonnaie irgendwo liegen liess, war aufgeschmissen. Cloud und Fingerabdrücke sind sicherer als eine Kreditkarte, die alle Zugangsdaten aufgedruckt hat.

Trotzdem, man darf das Portemonnaie vermissen. Aber nicht die Kreditkarte. Oder das zermanschte Mehrfahrtenticket. Oder das Kleingeld, welches dann doch wegen genau zehn Rappen nicht reicht und ewig in der Tasche klimpert. Die Nötli, die zerknittert aus der Waschmaschine kommen. Wer weiss noch, welche Kundenkarte für was ist? Weg damit! Der Zettelkrieg ist vorbei, es lebe die Brieftasche, die nun alleiniger Platz für Familienfotos, also echte Werte, ist.

Ausgeben tun wir es wie zuvor, wozu also die Aufregung um ein bisschen Papier? Bild: Keystone

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