Zurück in die Zukunft: Heute finden wieder einige Konzerte im 'tis statt. Bilder Nathan Leuenberger/Keystone
Zurück in die Zukunft: Heute finden wieder einige Konzerte im 'tis statt. Bilder Nathan Leuenberger/Keystone
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Ohne Geburtshelfer Leonhard Cohen wäre das Atlantis heute ein Mövenpick

Der in der Nacht auf heute verstorbene grosse Leonhard Cohen gab den Impuls für die Gründung des 'tis am Klosterberg. Selbst war der Sänger zwar nie im legendären Musiklokal aufgetreten, aber nur dank einem privat in Basel bei Christian Heeb angekündigten Besuchs des Songpoeten entstand beim Gastgeber und seinem Freund, dem Fotografen Onorio Mansutti, die Idee das Atlantis neu zu gründen.

Die Geschichte des 'tis als Rockschuppen beginnt im Sommer. Ausgerechnet in Genf. Der damalige Radioreporter Christian Heeb hat einen festen Termin um für SWF3, sie nennt sich heute SWR3, Leonhard Cohen um punkt 17.00 Uhr zum Interview zu treffen. Trotz Bestätigung des Plattenriesen CBS ist so etwas natürlich nicht einfach. Cohen hat sich in eine Bar zurückgezogen und überhaupt keine Lust zu reden. Schon gar nicht mit einem Journalisten. Bei einer Flasche Whiskey beginnt dann aber eine lange Freundschaft zwischen dem Songpoeten und dem Radioreporter, der sich erst im Verlaufe des Gesprächs als Journalist zu erkennen gibt. Die Stimmung zwischen den beiden stimmt von der ersten Sekunde an so gut, dass Christian Heeb nicht nur sein Interview, sondern gleich eine Einladung für die gemeinsame Weiterreise mit Cohen nach Montreux ans Jazzfestival erhält.

Leonhard Cohen in den 70er am Jazzfestival in Montreux

In Basel hat sich Onorio Mansutti als Modefotograf von Weltruf etabliert und geniesst es, zum Jetset zu gehören und neue Sachen auf die Beine zu stellen. Seine grosse Liebe gehört neben den Fotomodellen dem Samba, als Musiker aber war Leonhard für ihn immer der Grösste. Als er von Christian Heeb hört, dass ihn Cohen nach einem Zürcher Auftritt für einige Tage in Basel besuchen will, fuhr er mit in die Limmatstadt wo Heeb ihm Cohen während der Konzertpause hinter der Bühne vorstellt. Bereits unterwegs kam die Frage, wo man mit einem Künstler dieses Formats in Basel überhaupt ausgehen kann: «Es gab damals kein einziges Konzertlokal mit Livemusik, ausser Altherren-Dancings. Da mussten wir einfach etwas machen». Mit der Gründung vom Popshop und SWF3 war die neue Musik auf dem Siegeszug. Zeit, auch in Basel etwas anzureissen. «Es gab damals ja kein anständiges Lokal mit Musik», sagt Christian Heeb.

Radiopionier Christian Heeb und Fotograf Onorio Mansutti verwandelten das Atlantis in einen legendären Pop- und Rockschuppen.

Zuvor hatte der Radiomann erfahren, dass Helmut Förnbacher sein “Theater vis-a-vis“ am Klosterberg schliessen würde. Mansutti wiederum kannte den Besitzer der Liegenschaft, Kurt “Chürbse“ Seiler. Von den Gebrüdern Seilern, die das erste Atlantis 1957 an anderer Stelle eröffnet hatten, übernahmen sie das 'tis und machten es aus einem Kleintheater zum Musikschuppen. «Eigentlich war es bereits Mövenpick versprochen», erinnert sich Christian Heeb an die Verhandlungen mit den Eigentümern. Als Seiler jedoch vom Projekt und dessen Geburtshelfer Leonhard Cohen hörte, wurde man sich schnell einig. Das neue Atlantis konnte Mitte der 70er-Jahre mit grossem Erfolg eröffnet werden. Die beiden neuen Wirte gingen neben der Arbeit hinter dem Tresen ihrer bisherigen Arbeit nach. Onorio Mansutti fotografierte Stars und Schönheiten, Christian Heeb blieb seiner Medienarbeit beim Südwestfunk treu und wurde später Pirat als Studioleiter von Radio 24.

Basel blühte dank dem 'tis zur Rock- und Pophauptstadt auf

Das Atlantis wurde zur Stube für die Musikszene. Hier trafen sich Bo Katzmann, schon da mit einer Föhnfrisur, die langhaarigen Typen von der Lazy Poker Blues Band, bald kamen Polo Hofer mit der ganzen Berner Szene und viele grosse internationale Künstler. Das Atlantis war weit über Basel hinaus eine Legende. «Leonhard Cohen gabt tatsächlich den Ausschlag, dass Onorio und ich das 'tis ins Leben gerufen haben.» Der Regisseur Tony Palmer drehte 1974 den Dokumentarfilm «Bird On A Wire», in dem Christian Heeb als Reporter auftrat: «Natürlich habe ich das nur gespielt, es war eine kleine Rolle.» Die Beziehung zwischen den beiden hielt über viele Jahre, zahlreiche Treffen, dutzende von Telefonaten endeten in einer Brieffreundschaft, als sich Cohen Ende des vergangenen Jahrhunderts für längere Zeit in ein buddhistisches Kloster zurückzog: «Leonhard Cohen hat sich immer mehr als Schriftsteller und als Poet gesehen denn als Sänger», erinnert sich Christian Heeb.

Aber zum Todestag des legendären Songpoeten würde sicher auch er, die Songzeilen aus «Bird On A Wire» unterschreiben. Das Lied beginnt und endet mit: «Wie ein Vogel auf einem Drahtseil, wie eine Stimme in einem Mitternachtschor, versuchte ich nur auf meine Art frei zu sein.»

Ob der im Alter von 82 Jahren verstorbene Sänger jetzt diese Freiheit gefunden hat, weiss niemand. Sein grossartiges künstlerisches Schaffen, die Gedichte, Bücher und natürlich seine Songs bleiben unsterblich.

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