s grandios Pfyfferli-Premiere-Ensemble – Bröckelmann, Wittlin, Rasser, Jantz, Herrmann. Chapeau! Fotos: Mimmo Muscio
s grandios Pfyfferli-Premiere-Ensemble – Bröckelmann, Wittlin, Rasser, Jantz, Herrmann. Chapeau! Fotos: Mimmo Muscio
  • Christian Platz
  • Aktualisiert am

Pfyfferli 2018 im Fauteuil: Kleines Haus, ganz gross – aifach s Maximum

Gestern Abend hat die Pfyfferli-Premiere die diesjährige Vorfasnachts-Saison eröffnet. Man ist vom Kleintheater der Familie Rasser sehr gute Qualität gewöhnt. Doch was dieses Jahr geboten wird – notabene täglich, bis in der Nacht vor dem Morgestraich – ist, ganz aifach: s Maximum!

Basler Fasnacht darf (fast) alles. Und s Pfyfferli 2018 lotet die Grenzen aus, wie sonst kaum eine Vorfasnachtsproduktion. Sie bringen es dick, ganz dick, gehen jedoch nie zu weit. Das Gefühl dafür, was Fasnachtshumor – gerade noch – darf, ist in jedem Moment präsent, die unsichtbare Grenze wird auch bei den saftigsten Frechheiten nicht überschritten, so wie es die Fasnachtskunst z Basel eben verlangt.

Und manchmal, ja manchmal traut man seinen Ohren kaum, denkt, «haben die das jetzt wirklich gerade gesagt?» Doch dann kommt schon wieder die nächste Pointe. Genau so muss das sein, so haben es die grossen Alten (wie etwa die Afflerbachs) gemacht – und so macht es das Fauteuil in unseren Tagen.

s liggt aifach ebbis in dr Luft

Mit einem Unesco-Auftritt fängt der Abend an, der dann elegant im Pfyfferli-Lied mündet: «s liggt aifach ebbis in dr Luft». Mit einem Unesco-Auftritt hört er auf, getextet von Felix Rudolf von Rohr. – Die klassische Ellipse. Danach kommt nur noch donnernder Applaus. Verdientermassen. Salomé Jantz, Caroline Rasser, Myriam Wittlin, David Bröckelmann und Roland Herrmann waren das Ensemble, das den ersten Abend bestritten hat, es gibt für die vielen Vorstellungen aber auch Auswechselspielerinnen und -Spieler.

Und die Damen und Herren haben eine wuchtige Premiere hingelegt, eine Mordspremiere sogar! 

dr Folterbangg

Die Nummer «Mer kenne au anderscht» bringt uns etwa direkt in die Fasnachtsfolterkammer, wo die Fasnachtspolizei einen Waggis malträtiert, der sich politisch nicht korrekt genug verhalten hat. So quält ihn zum Beispiel die Pfeifergruppe «d Folteri» mit schauriger Schreyholz-Katzenmusik, krächzt ihm «dr Folterbangg» die furchtbarsten Verse ins Ohr, die man sich in seinen schlimmsten Albträumen nur vorstellen kann.

Dies alles im Namen der political correctness, wie sie leibt, lebt und unsere Zeit vergiftet – eine Horrorvision, die Michael Luisier hier getextet hat. Zwerchfellerschütternd!

zem Schlisselloch

Dann lernen wir d Eerezunft zem Schlisselloch kennen, im Rahmen einer durch und durch dystopischen Version einer Zunftsitzung. Hier begegnen wir den wahren lebenden Toten des Baslerismus. Eine Nummer, gespickt mit obskuren Atavismen und schreiendem Wahnsinn, eine ganz feine Affäre aus der Feder von (ausgerechnet) Alexander Sarasin.

Antiklerikal, wunderbar

Die dickste Nummer des Abends stammt von Stefan Uehlinger – sie befasst sich mit dem Thema Religion, stellt uns zwei Nonnen und zwei Salafisten vor, die am Claraplatz für ihre Religionen werben und sich am Ende näher kommen. Hier wird alles, was heilig ist, durch den Gaggo gezogen, bis der Blitz einschlägt, ein klassisches Basler Fasnachts-Stiggli, scharfzüngig, antiklerikal; wunderbar.

Wer darüber nicht lachen kann, ist selber schuld.  

Der «Fiddler» ist Roli Rambass

«Wenn ich einmal reich wär’», wer kennt ihn nicht, den weltberühmten Gassenhauer aus Anatevka (Fiddler on the Roof) von Jerry Bock und Sheldon Harnick? Felix Rudolf von Rohr hat den Song adaptiert, hier beklagt allerdings kein Jude aus einem fiktiven polnischen «Schtedl» sein Elend, sondern ein Rambass auf seinem Bauernhof – und das bringt Roli Herrmann derart präzise, kraftstrotzend, adäquat auf die Bühne, dass es eine wahre Freude ist.

Dazu spielt Daniel Wittlin ganz und gar prima Klavier – und George Ricci bläst eine Klezmer-Klarinette, die sich gewaschen hat. Überhaupt war es eine sehr gute Idee, den Saxophonisten Ricci dem klassischen Pfyfferli-Piano an die Seite zu stellen, er hat einen wunderschönen, sanft swingenden Ton und spielt etwa beim Trommelmarsch «Ueli» (Peter Heiz) frisch und forsch mit den drei prächtigen Trommelhunden des Pfyfferli zusammen; die Akzente, die er während der ganzen Aufführung immer wieder setzt, sind herzerwärmend groovy.

Auch die Pfyffergruppe agiert absolut überzeugend. Ihr Paradestück ist «Let’s be & Sof Sof» (Arr. Cornelius Buser), welches einem schier die Tränen in die Augen treibt.

Funkelt, brilliert

Das Ensemble wirkt prächtig eingespielt, funkelt und brilliert, richtig gute Schauspielerei ist das, die dieses kleine Theater ganz gross wirken lässt, gerade auch der Gesang der Damen und Herren ist formidabel – und die Arrangements der Melodienzauberer Arth Paul und Michael Giertz sind alles andere als einfach zu singen.

Caroline!

Hausherrin Caroline Rasser schiesst mit ihrer Solonummer (Text Stephan Uehlinger) als neureiche, absolut geschmacklose Gumsle – für eine Zwätschge ist sie dann doch zu sympathisch – den Vogel ab. Sie hat diese Rolle bereits letztes Jahr überzeugend dargestellt, nun hat sie die Persona noch verfeinert, sie bringt die dicksten Sprüche, die vor politischer Unkorrektheit nur so strotzen und triefen – und wirkt dabei ganz unschuldig.

Spitzbueb und Heiri

Als Bängg waren an der Premiere dr Spitzbueb und dr Heiri im Einsatz, beide präsentieren heuer einen sehr guten Jahrgang, es sind insgesamt fünf Bängg, die sich bei den vielen Vorstellungen abwechseln, alles Hochkaräter. Und dann gibt es noch einen Bänggler der plötzlich... Aber das verraten wir hier ganz sicher nicht – und auch sonst nichts mehr!

Denn dieses Pfyfferli muss man selber gesehen haben; mitsamt der wunderschönen Bühnengestaltung von Dietlind Ballmann, Domo Löw und Andres Linsin. Es ist grandios! (Übrigens: Tout Bâle war gestern bereits anwesend, man muss also keine Angst mehr haben.)

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