Bild Nathan Leuenberger
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Quietschfröhliches Wahrzeichen der Basler Autobahn: Die Windrose wird 40

Der gelbe Autobahn-Balken mit den gemütlichen Bullaugen ist eine Besonderheit auf Schweizer Strassen: 1978 feierte die Pratteler Windrose nach sechs langen Jahren Bauzeit ihre Eröffnung. Und die Farbe gab schon damals mehr zu reden als die Funktion.

Autobahnraststätten sind sonderbare Orte. Gebaut für den Durchgangsverkehr, für Menschen also, die lange Strecken absolvieren und die Umgebung als ein ewiges Vorbeirauschen von Landschaft wahrnehmen. Aber Raststätten sind auch Teile der Landschaft selbst: Wie eine Irritation gehören sie zum Standort. Die Windrose in Pratteln ist ein solcher Ort, einer, der täglich summt und brummt, wenn die Blechlawine auf einem der meistbefahrenen Autobahnabschnitte der Schweiz darunter hindurchrollt.

Und langsam ist sie eine ziemlich alte Tante: Sie wird jetzt 40 Jahre alt. 1978 war es, als die Windrose eröffnet wurde. Viel zu spät eigentlich, denn schon sechs Jahre zuvor hatte die Baselbieter Regierung den Bau bewilligt – im selben Jahr, in dem der legendäre «Fressbalken» in Würenlos eröffnet worden war. Den Baselbietern aber kam die Ölkrise der Jahre 1973 und 1974 gehörig dazwischen. So stand der Rohbau bereits, doch die Fassade fehlte noch. Mitten im Projekt entschied man sich um: Statt gängiger Glasfassade müsse etwas Gefälliges die Automobilisten grüssen.

Formen wie Kinderspielzeug und umstrittene Farbgebung

Hergestellt wurde die Fassade von der Firma Horlacher in Möhlin. Die ursprüngliche Farbgebung mit dem braunen Bogen über der Autobahn war genau abgestimmt, die gelbe Übermalung rund 20 Jahre später war so nicht vorgesehen. ©Horlacher AG

Deshalb linsen heute die 58 gemütlichen Bullaugen geduldig auf die Autobahn. Gestaltet wurde die Fassade des Pratteler Balkens vom Basler Architekturbüro Casoni & Casoni. Doch auch das ging nicht ohne Hürden durch. Allerdings nicht wegen des Designs. Die so genannte «Soft-Edge»-Ästhetik, also die runden Formen, die an Kinderspielzeug erinnern, waren schliesslich der Grund, warum die Architekten den Wettbewerb gewonnen hatten.

Nein, es war die Farbe. Gelb sollte die Brücke ursprünglich sein und in der Mitte hätte ein Bogen aus satter roter Farbe Aufmerksamkeit erregt. Stattdessen aber erregten sich Planer und Bauherrschaft: Dante Casoni erinnerte sich vergangenes Jahr in einem Bericht der «bz Basel»: Man habe seinem Bruder mitgeteilt, dass das nicht gehe. Gelbrot sei zu gefährlich, warnten Verkehrspsychologen, es könne zu Unfällen wegen zu starker Ablenkung kommen. Also musste eine neue Farbkombination her: Orange-braun wurde die Brücke jetzt. Und in dieser eigenwilligen Farbgebung blieb sie bis in die 2000er-Jahre erhalten.

Die Windrose ist eben kein Fressbalken

Das ist ein richtiger Fressbalken: Die Raststätte im aargauischen Würenlos, im Gegensatz zur Windrose ein Brückenrestaurant im eigentlichen Sinn des Begriffs. Die Aufnahme datiert von 1999. ©Keystone

Danach wechselte der Besitzer – und die Farbe. Die Brücke wurde gelb, nach Konzeption des Künstlers Jorge Pardo. Wie es die Architekten ursprünglich gewollt hätten, jetzt halt einfach ohne den roten Bogen. So überdauerte sie noch einen Besitzerwechsel und gehört heute der italienischen Kette «Autogrill», deren Logo auf der Fassade prangt. In Rot. Über dem Gelb. Eine späte Rehabilitation für die ursprüngliche Ästhetik, wenn auch eher improvisiert und schlicht übermalt.

Den Vergleich mit dem «Fressbalken» von Würenlos muss die Windrose allerdings gar nicht erst wagen: Denn im Gegensatz zum klassischen Typ des Brückenrestaurants sind auf dem Brückenbogen keine Restaurants, sondern Läden. Die Lokale befinden sich an den Kopfteilen. Somit ist die Windrose begrifflich gesehen gar kein «Fressbalken» – also Brückenrestaurant –, sondern eine normale Raststätte, die in Brückenform daherkommt. Oder wie es die aktuelle Besitzerschaft ausdrückt: Eine Shopping-Brücke.

Mahnmal der grossen Autofreuden

Aufnahme kurz nach der Eröffnung der Windrose Ende der 1970er-Jahre: Das alte Logo prangt über dem Eingang rechts im Bild. ©Keystone

Die Brückenideen der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre waren in der Schweiz ein kurzer Trend im Raststättenbau. Lange Zeit existierten als solche nur die Windrose und der Würenloser Balken. Bis 2009 an der A4 im Knonauer Amt schliesslich ein kleines Schwesterchen zur Welt kam, ein echter Nachzügler: Schön ist auch sie nicht und wie die Windrose in einer grossen Biegung angelegt. Aber das störte die Investoren nicht; sie bauten damit schliesslich den dritten Fressbalken der Nation. Und im Gegensatz zur Windrose gleich noch einen echten.

Die Windrose aber bleibt ein Mahnmal in vielerlei Hinsicht. Als eigenwilligste Autobahnraststätte der Schweiz. Als Überbleibsel einer Zeit, in der es noch keine «Coop Pronto»-Shops gab, in denen man sonntags noch kurz Brot holen konnte – nein, man fuhr in die Raststätte, ofenwarmes Holzfällerbrot kaufen. Und sie mahnt an eine Zeit, in der das Automobil trotz Ölkrise noch die ultimative Errungenschaft der Zivilisation war. Jetzt, wo die Windrose in Kürze stattliche 40 Jahre alt wird, wirkt sie immer mehr wie ein Denkmal in der Landschaft, ein Zierstück, das zur Identität gehört. Der Brückenbogen am Tor zu Basel, gebaut für Durchfahrende, ist aus dem Bild, das wir von unserer Landschaft haben, nun nicht mehr wegzudenken.

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