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  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Regierung verschaukelt Basler Mieter: Neue, aber viel zu teure Wohnungen

443 neue Wohnungen für Basel, eine grossartige Entwicklung für den Kanton: So lobte sich das Präsidialdepartement gestern selbst. Nur einen Tag später kastriert die Regierung ausgerechnet drei Basler Mieterschutzinitiativen. Die Wohnraumpolitik liegt im Argen.

Auch schon mal eine Wohnung in Basel gesucht? Es ist zum Mäuse melken: Entweder sind sie fürs durchschnittliche Budget immer mindestens eine Spur zu teuer oder sie gehen weg wie warme Brötchen an einem verschneiten Wintermorgen. Und tatsächlich steigen die Mieten in Basel seit Jahren konsequent. Die aktuelle Jahresteuerung der Mietzinse liegt laut Website des Statistischen Amts bei 1,6 Prozent.

«Das ist der höchste Wert seit 2009», sagt Patrizia Bernasconi vom Mieterinnen- und Mieterverband Basel-Stadt. Da die Statistiken von einer Landesteuerung Null ausgehen, ergibt sich laut Bernasconi, dass die Mietzinse trotz «rekordtiefen hypothekarischen Referenzzinssätzen» steigen. «Die Schere zwischen allgemeiner Teuerung und Mietteuerung klaffen weit auseinander – zuungunsten der Basler Mieterinnen und Mieter.»

Noch am Montag frohlockte das Präsidialdepartement von Guy Morin (Grüne), dass in Basel 443 neue Wohnungen entstanden seien und erwähnte auch die Tatsache der Jahresteuerung: Die sei unter 2 Prozent, heisst es in der Mitteilung. Die Formulierung suggeriert etwas Positives, dabei ist das Gegenteil der Fall. Die Wohnbautätigkeit löse die Basler Probleme der Wohnungsnot und der Mietzinsnot noch gar nicht, so Bernasconi.

Aufschieben, Zeit schinden

Schliesslich sind Neubauwohnungen um einiges teurer als bereits etwas in die Jahre gekommene, aber immer noch voll funktionstüchtige Wohnungen. Nicht jeder will – und noch weniger können – sich den Luxus einer frisch gebauten Dreizimmerwohnung in einer Neubausiedlung leisten. Der Kanton schreibt zwar, dass eine durchschnittliche 3-Zimmer-Wohnung im November 2016 1’117 Franken pro Monat gekostet hätte. Nur schliesst diese Rechnung auch deutlich günstigere Genossenschaftswohnungen mit ein, was den Durchschnitt deutlich nach unten drückt – und damit ein kaum realistisches Bild des freien Wohnungsmarktes abgibt.

So reagierten auch die Nutzer auf der Facebook-Seite von barfi.ch kritisch:

Aus diesen Grünen hat der Mieterinnen- und Mieterverband schon vor einiger Zeit drei Initiativen gestartet, über die heute Dienstag die Regierung beraten hat. Bemerkenswert: Die Regierung hat noch keinerlei Hinweis gegeben, ob sie die Initiativen befürworte oder ablehne. Stattdessen will sich der Regierungsrat vom Grossen Rat erst den Auftrag geben lassen, jeweils Berichte zu den Initiativen verfassen zu dürfen und sie zu überarbeiten. Dieses Manöver zeigt, dass die Basler Regierung die Volksbegehren ernst nimmt. Für Patrizia Bernasconi aber bezeugt das vor allem auch eine Aufschiebetaktik: Die Regierung verschafft sich Zeit.

Bei den Initiativen geht es um «Mieterschutz vor Gericht», also dass sich mehr Kläger ein Gerichtsverfahren leisten können. Eine weitere zum «Mieterschutz beim Einzug», also damit, dass ein Vermieter für die gleiche Wohnung nicht einfach höhere Mietzinsen verlangt, wenn der Mieter wechselt. Diese Initiative verlangt auch eine Formularpflicht, wie sie in anderen Kantonen schon existiert.

Wohnschutzinitiative trifft den wunden Punkt

Das mit Abstand heisseste Eisen im Feuer ist die dritte Initiative mit dem Titel: «Wohnen ohne Angst vor Vertreibung. Ja zu mehr Rücksicht auf ältere Mietparteien (Wohnschutzinitiative)». Das ist eine Verfassungsinitiative und behandelt einen wunden Punkt beim Kanton selbst. Denn wie kürzlich die Berichterstattung über den Rausschmiss betagter Mieter aus einer Kantonsliegenschaft an der Mülhauserstrasse erneut zeigte, gehören Institutionen wie die kantonale Pensionskasse und Immobilien Basel-Stadt selbst zu den schärfsten renditeorientierten Immobilienbewirtschaftern dieser Stadt.

Und genau bei dieser Initiative tanzt die Regierung um den heissen Brei. So schreibt der Kanton: «Der Initiativtext suggeriert, dass der Kanton befugt ist, im Bereich des Kündigungsschutzes zu legiferieren, was ihm aber gerade nicht möglich ist. Der Initiativetext muss deshalb entsprechend angepasst werden.» Diese magistrale Belehrung will der Verband nicht auf sich sitzen lassen und schoss noch am Dienstag in einer eigenen Mitteilung zurück: «Bundesrechtlich erlaubt sind kantonale Mietzinskontrolle, Abbruchbewilligungen und/oder andere Massnahmen, die dafür sorgen, dass in den Quartieren genügend bezahlbarer Wohnraum vorhanden bleibt und geschützt wird.»

Denkt an die alten Menschen

«Es geht nicht um den Kündigungsschutz, denn natürlich ist dieser nicht Sache des Kantons», führt Bernasconi aus. «Uns geht es darum, den bezahlbaren Wohnraum zu schützen.» So verlangt der Initiativtext unter anderem eine Anpassung der Kantonsverfassung, um zusätzliche Leitplanken für «Zeiten von Wohnungsnot» zu schaffen, insbesondere für ältere und langjährige Mietparteien. An sich eine gute und solidarische Sache. Nur: Wenn der Kanton selbst eine stark renditeorientierte Bewirtschaftung pflegt, schneidet er sich mit einer Neuregelung dieser Grössenordnung ins eigene Fleisch.

So lange also die Basler Mieten stetig steigen, nützt auch der Bau schöner neuer Wohnungen wenig. Gepaart mit der immer noch sehr tiefen Basler Leerstandsquote von rund 0,4 Prozent ist der Preis für den Wohnraum in Basel-Stadt ein weiterer entscheidender Faktor für die hohen Lebenskosten. Und so lange der renditeorientierten Wohnbaupolitik freier Lauf gelassen wird, ist der eigentlich erschwingliche Wohnraum in Basel-Stadt reinste Mangelware. Und das völlig ungeachtet der schönen Erfolgsmeldungen über frisch gebaute Wohnungen, die auf ihre allerersten Mieter warten.

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