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  • Jonas Egli
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Riesiges Angebot, leere Säle: Die Basler Kinos fliehen aus der Innenstadt

Die Basler Kinos zieht es weg aus dem Zentrum. In wenigen Jahren sollen an neuen Standorten ausserhalb der Stadt mehrere tausend Sitzplätze neu gebaut werden – nicht nur im Stücki. Wo die Zuschauer herkommen sollen, bleibt derweil unklar.

Zurück zum Jahresrückblick

Die Betreiberin der Kinos Rex und Capitol zieht womöglich aus der Steinenvorstadt aus: Die Kitag Group – mit 17’000 Plätzen und 85 Sälen der grösste Anbieter in der Schweiz – gab bereits anfangs Jahr bekannt, dass es ein erklärtes Ziel sei, in der geplanten Überbauung Hagnau in Muttenz ein Multiplex-Kino zu eröffnen, gleich neben dem Joggeli.

Und der Auszug aus der Innenstadt hat schon begonnen. Das Kino Studio Central hat die Kitag schon per Anfang 2017 geschlossen, womit sie das Basler Zentrum dem Platzhirsch Pathé Küchlin überlassen hat. Das Pathé bietet stattliche 2’190 Sitzplätze und ist bis anhin auch das einzige Multiplexkino der Stadt. Die Kitag greift jetzt frontal an – und will im St. Jakob auch gleich noch ein Bowlingcenter anbieten. Somit kommt Basel in Zukunft auf insgesamt drei Multiplex-Kinotempel: Pathé in der Steinen, Kitag beim Joggeli und das Stücki an der Grenze.

Der Todesstreifen an der Grenze zu Deutschland

Es ist nicht das erste Mal, dass die Kitag mit einem Multiplex liebäugelt: Bereits 2013 fasste die Firma ins Auge, die alte BaZ-Druckerei an der Hochbergerstrasse in einen Kino-Palast mit acht bis zehn Sälen und rund 1’500 Plätzen zu verwandelt. Rolf Bollmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Basler Zeitung Medien sagte damals, er hoffe auf einen baldigen Vertragsabschluss. So weit kam es nie. Die Kitag zog sich aus dem Projekt zurück. Schuld war unter anderem die Auflage, dass das Projekt 500 zusätzliche Parkplätze gebraucht hätte. «Das war sehr schade», wie Bollmann heute sagt.

Den Kinopalast an der Grenze baut jetzt eben das Stücki. Das Shopping-Center wagt den Befreiungsschlag aus der eigenen Kunden-Misere mit insgesamt 18 schlüsselfertigen Sälen, welche «Swiss Prime Site» bald zur Miete freigeben will. Das sind dann weitere rund 2’400 zusätzliche Plätze auf einen Schlag: Ein neuer lokaler Branchenheld aus dem Nichts.

Viel vor am Rand. So soll die Überbauung Hagnau einst aussehen. Bild: Gemeinde Muttenz

In wenigen Jahren bis zu 7'000 Kinoplätze in Basel

Kitag macht keine Angaben zum Zeitplan und zur Grösse des Hagnau-Projektes. Allerdings ist damit zu rechnen, dass es sich an den Dimensionen des Vorschlages 2013 orientieren wird. Zudem ist es als Multiplex deklariert, was per Definition mindestens acht Kinosäle voraussetzt. Das ist massiv: Heute verfügt Basel über insgesamt rund 4'700 Kinositze. Neu wären das über 3'000 mehr, also unter dem Strich fast 7'000 Plätze für die Region Basel. Wer soll diese besetzen?

Erstaunlich ist, dass die Kino-Planer sich 2013 vor Zuversicht kaum retten konnten: Bis 2017 rechnete die Branche mit einem Umsatzwachstum von 0,7 Prozent. Abgesehen davon, dass diese Zahl in keinem Verhältnis zum geplanten Angebotsausbau stehen, zeichnet die offizielle Statistik des Dachverbandes ProCinema seit Jahren ein ganz anderes Bild. Den Basler Kinobetreibern schwimmen die Felle davon.

Kinostadt Basel steckt in den Miesen

Obwohl die Basel und Baslerinnen im schweizweiten Vergleich mit 3,26 Eintritten pro Kopf und Jahr führend sind, ändert auch das nichts an der Tatsache, dass die Gesamtbesucherzahlen seit Jahren sinken. 2013 war laut der Analyse von ProCinema mit minus 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr das schlechteste Jahr seit 2007.

2016 war es nicht besser: Einen Rückgang um 9 Prozent mussten die Kinos alleine in Basel-Stadt hinnehmen, was der Entwicklung in der deutschsprachigen Schweiz allgemein entspricht. Auf dem Land sieht es ein bisschen besser aus, aber mit einem Minus von 2 Prozent schlägt auch das heftig zu Buche. Vor allem, da die Landschäftler oft selbstständig sind. Für die Misere ist kein Ende in Sicht, seit 2008 sinken die Zahlen praktisch jährlich.

Alleine ist's am schönsten, oder? Bild: Keystone

Ausbau? Im grenznahen Ausland geschieht das Gegenteil

Ganz einen anderen Kurs fährt derweil die grenznahe Konkurrenz. Beim Basler Goldrausch ziehen die Kinos in Weil und Lörrach nicht mit. Der «Kinopalast» in Weil am Rhein hat seine Ausbaupläne stillheimlich begraben und den Sälen lediglich eine Schönheitskur verpasst. Das neue Weiler Einkaufscenter an der Hangkante verzichtet in den Planungen gänzlich auf ein Kino. Zum Vergleich: In der deutschen Grenzregion sind inklusive Cineplex und Union in Lörrach insgesamt rund 1’500 Plätze im Angebot, das ist knapp die Hälfte dessen, was hierzulande geplant ist. Allerdings zu deutlich günstigeren Eintrittspreisen.

Und auch Tobias Faust, Geschäftsführer des unabhängigen Kinobetreibers «kult.kino» antwortete auf die Frage, wie es denn mit den Basler Kinos weitergehe, humorvoll: «Ja, das fragen Sie sich nicht als einziger.» Klar ist, dass die Branche angesichts harter Konkurrenz von Streamingdiensten und Eurokursen hart kämpfen muss. Ein Ausbau der Kinosäle an der autofreundlicheren Peripherie kann ein Plan sein – ist aber derzeit eher eine Flucht nach vorne in eine Zukunft, die für Cineasten nach wie vor düster aussieht.

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