© Verschwundenes Basel.
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  • Andy Strässle
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Rossbölle und Seegang: In Basel sorgte schon das Rösslitram für Streit

So schön sie ist, die Stadt am Rheinknie: Für kleinliche Zwiste und Streitereien war sie schon immer gut. Ende des 19. Jahrhunderts verpasste sie die Gelegenheit, ein vernünftiges Tramnetz zu bauen. Obwohl auch niemand mehr das alte Rössli-Tram wollte.

Für «Frauenzimmer, Kinder und sonstwie Behinderte wird angehalten». Die Basler Männer aber, echte Kerle, wie sie waren und wohl auch noch sind, die sprangen in voller Fahrt auf das «Rösslitram» auf. Volle Fahrt konnte «in leichtem Trab» oder in Kurven im Schritttempo bedeuten. Das war 1881. Das Rösslitram erfreute sich noch grosser Beliebtheit, war es doch neben der Pferde-Droschke – die einem Taxi entsprach und ganz teure 1.20 Franken kostete – die einzige Fortbewegungsart in der Stadt. Die Zeitung der «Schweizerische Volksfreund» schrieb im Juli, nachdem die ersten Fahrten stattgefunden hatten: «Die Fahrten sind sehr angenehm, da die Kasten auf ausgezeichneten Federn ruhen».

900 Meter für zehn Rappen

Die Bequemlichkeit liessen sich die Basler durchaus etwas kosten: Der Fahrpreis betrug für die immerhin 2,7 Kilometer lange Strecke vom Gross- ins Kleinbasel 30 Rappen, für eine Teilstrecke von bis zu 900 Metern zahlte man 10 Rappen. Zum Vergleich: Ein Arbeiter in Basel verdiente damals einen Stundenlohn von 30 Rappen. Trotz des hohen Fahrtpreises boomte das neue Verkehrsmittel. Kein Wunder: Die Arbeitswoche dauerte 65 Stunden und nur alle elf Tage gab es damals ein Wochenende – von nur einem Tag. Das Rössli-Tram war ein typischer Kompromiss im zerstrittenen Basel. Zwar war man sich einig, dass die Stadt ein «richtiges Tram» mitsamt Schienen und allem brauche, doch verhinderten Flügelkämpfe innerhalb der damaligen Regierung, dem so genannten «Kleinen Rat», dass es mit dem Projekt voranging.

Liberal wie die Stadt damals war, suchte sie auch einen privaten Financier für ihre Strassenbahn. Da sich aber schon das Rössli-Tram trotz des hohen Preises nur schlecht rechnete, formulierte es Betreiber Julius Settelen so: «Viil Gschär und kei Wulle». Die Liebe zum städtischen Rössli-Tram und auch die Geduld der Bevölkerung waren 1890 am Ende. So stand im «Schweizerischen Volksfreund», der sich unterdessen in die «Nationalzeitung» verwandelt hatte: «Beim windstillen Wetter kann man beim Befahren der Aeschenvorstadt oder der unteren Freien Strasse ganz leicht sich dem Gefühl hergeben, als befinde man sich beim Sturmgebraus auf hohem Meere (...), um die Seekrankheit mitten in der Stadt zu bekommen.»

Seekrankheit

Es waren zwei Routen, die vom Centralbahnhof zum Badischen Bahnhof führten, der sich damals auf dem heutigen Messegelände befand. Pro Omnibus, denn trotz des Namens «Rössli-Tram» fehlten dem Pferdetramomnibus, der von zwei Pferden gezogen wurde, die Schienen. Personell benötigte die Kiste pro Wagen à 23 Fahrgäste einen Kondukteur und einen Kutscher, der während des «Trabens» auf dem Bock zu stehen hatte. Als im Mai 1895 die Basler Strassenbahn eröffnet wurde, hatten die Rösslitrams über zehn Millionen Menschen befördert. Die Geschichte des richtigen Basler Trams verlief nicht weniger turbulent oder chaotisch als die des «Rössli-Trams». Denn ohne ein genaues Konzept zu haben, verlegte die Stadt 1893 Tramschienen in der Eisengasse und in der Aeschenvorstadt.

Enge Kurven, knappe Abstände

Bis heute sagen böse Zungen, damit habe man damals für «alle Zeiten» die einmalig engen Kurvenradien und die knappen seitlichen Gleisabstände festbetoniert. Aber immerhin war damit das Rössli-Tram verschwunden. Denn inzwischen kritisierten die Bürger nicht nur das Gefühl starken Seegangs beim Durchqueren der Stadt, sondern sie hatten vor allem im Sommer auch die Nase voll vom Geruch der «Rossbollen», der durch die engen Strassen wehten. Und was der Geruch damals, das ist das Quietschen heute – an genau diesen damals konzeptlos eng verlegten Kurven in der Innerstadt. Das Drämmli hat in Basel schon immer zu reden gegeben.

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