Kunterbunte Filzsäcke gefüllt mit Salaten, Kräutern oder dem, was das Herz eben begehrt.
Kunterbunte Filzsäcke gefüllt mit Salaten, Kräutern oder dem, was das Herz eben begehrt.
  • Binci Heeb
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Sackgsund.ch: Das tragbare Basler Gärtchen aus einem ganz besonderen Lehrbetrieb

Ob in Rot, Orange, Grün, Pink, Braun oder Schwarz, die so genannten Sackgärten sieht man immer häufiger in Basel. Barfi.ch ging auf die Suche nach deren Herkunft – und landete bei der Stiftung LBB Lehrbetriebe beider Basel, wo sie hergestellt werden.

Kleiner Garten für Stadtgärtner

Was anfänglich mit acht Betrieben begann, ist mittlerweile schweizweit in 27 Blumenläden und Gärtnereien zu finden. Mit einer gemeinsamen Homepage und einem Onlineshop wird der Sehnsucht nach einem eigenen kleinen Garten entsprochen. Der mit spezieller Erde gefüllte Filzsack liefert wochenlang frische Salate oder Kräuter. Von Anfang an dabei war die Stiftung LBB Lehrbetrieb beider Basel an der Bungestrasse bei der Burgfelder Grenze. Zu ihren Kunden gehören viele Privatpersonen, aber auch Gastrobetriebe, wie Rosario's Lo Spuntino beim Barfi, die Kunsthalle oder das Binninger Schloss.

Auch die Pflanzen vor «Rosario's Lo Spuntino» stammen von der LBB. 

Verkauft werden die Gärten im Taschenformat in unterschiedlichen Grössen und Farben. Gefüllt sind sie je nach Wunsch mit Salaten, Zuchetti, Gurken, Kohl. Oder mit Radieschen, Lauch, Peperoni, Tomaten, Kartoffeln und Kräutern. Geeignet sind sie für Balkon oder Terrasse, auch auf kleinstem Raum finden die grösseren oder kleineren Säcke überall Platz. Nur giessen und ernten muss man selber.

Sackgsund.ch-Sack mit Salaten.

Die Stiftung LBB Lehrbetriebe beider Basel und ihre Anfänge

Gegründet wurde die Stiftung 1917 als «Verein Basler Webstube», um damals zunächst noch zwei behinderten Jugendlichen zu ermöglichen, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Daraus entstand 1929 der «Verein Jungendfürsorge Basel»: Darin untergebracht waren das Basler Jugendheim, die Kannenfeld-Werkstätten (heute WohnWerk), das Basler Aufnahmeheim (heute AH Basel) und der Erlenhof. 2010 wurde der Verein Jugendfürsorge neu organisiert und so entstand unter anderem die unabhängige Stiftung LBB Lehrbetriebe beider Basel. Sie ermöglicht jungen Menschen, die als teilweise «sozial indikativ» gelten und somit wenig Chancen auf dem Lehrstellenmarkt haben, den Einstieg ins Berufsleben. 

Der Eingang zur Gärtnerei an der Bungestrasse 75 in Basel.

Der Betriebsleiter der Gärtnerei, Lukas Allemann, bildet hier seit zwölf Jahren junge Menschen aus und vergleicht die Jugendlichen gerne mit Pflanzen. «Ich mache den Vergleich, weil Menschen wie Pflanzen ganz verschiedene Ansprüche haben.» Einige Pflanzen, gedeihen gut an der Sonne, andere bevorzugen den Halbschatten, einige brauchen mehr, andere weniger Wasser. Wie die Pflanzen seien auch Menschen von Zeit zu Zeit auf unterstützende Pflege angewiesen.

Lukas Allemann: Über 123 verschiedene Tomatensorten werden hier kultiviert und als Setzlinge verkauf.

Gärtnerei, mechanische Werkstatt und Schreinerei

In drei Lehrbetrieben – bestehend aus Gärtnerei, mechanischer Werkstatt und Schreinerei – bildet die Stiftung LBB gesamthaft 63 junge Menschen aus. In der Gärtnerei sind es deren 21, wobei der Frauenanteil hier höher ist. Die Erfahrungen von Lukas Allemann der vergangenen 12 Jahre sind durchwegs positiv, mit Ausnahme sehr seltener disziplinarischer Massnahmen: «In den meisten Fällen spüre ich eine grosse Dankbarkeit». Die Auszubildenden schätzen den «lecker Job», wie es Allemann umschreibt. Anders als bei anderen Lehrbetrieben, erfolge die ganze Ausbildung – auch die Berufsfachschule – hier intern. Die Quote der Abschliessenden sei mit 95 Prozent sehr hoch. Neben ganz wenigen, die die Ausbildung abgebrochen haben, gab es auch immer wieder Lernende, die sogar im Rang abschlossen, also mit einer Durchschnittsnote von mindestens 5,3. 

Motiviert und guter Laune: Lernende bei der Arbeit.

Junge Menschen, die sich bei der LBB melden, haben meist zuvor an anderen Orten mit einer Lehre begonnen, dort allerdings vor den Problemen kapituliert. Die LBB hat einen Leistungsauftrag der Kantone Basel-Stadt und Baselland, die einen Pro-Kopf-Beitrag als Schul- und Betreuungsgeld ausrichten.

Bei zwei Drittel der Lehrlinge handelt es sich um sogenannte «sozial indikative Fälle», die im öffentlichen Lehrstellenmarkt wenig Chancen hätten. Einen Drittel der Auszubildenden darf die LBB selber auswählen, sie sind sozusagen die Zugpferde, für welche die Kantone das gleiche Schulgeld wie für die Gewerbeschule bezahlen. Diese Mischung sei ein Erfolgsrezept der LBB meint Allemann. Bei den zwei anderen Dritteln handelt es sich mehrheitlich um Lernende mit schulischen Problemen. In manchen Fällen seien es auch pathologische, nie aber IV-Fälle. ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, leichter Autismus oder Asperger sind Gründe, die einen regulären Lehrbetrieb beeinträchtigen könnten.

Geranien über Geranien.

Der Unterschied zu einer herkömmlichen Lehre ist die engere Betreuung und dass der Lehrmeister meist Ausbildner und Fachlehrer in Personalunion ist. Lukas Allemann unterrichtet die Auszubildenden teilweise auch selbst. Die nähere Betreuung und die Arbeit in kleineren Gruppen sei aus seiner Sicht das Erfolgsrezept der LBB. Nach dem Lehrabschluss als Gärtner in der Fachrichtung Zierpflanzen oder Pflanzenproduktion, die zwei beziehungsweise drei Jahre dauert, erlangen die jungen Menschen den eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ oder EBA.

Und wer den Lernenden im LBB bei der Arbeit zuschaut, sieht, dass hier eine sehr gute Atmosphäre herrscht. Sackgut, halt.

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