Aufgebocktes Tram an der Unfallstelle Käppeli in Muttenz. ©Polizei Basel-Landschaft
Aufgebocktes Tram an der Unfallstelle Käppeli in Muttenz. ©Polizei Basel-Landschaft
  • Andreas Schwald
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Schockunfall in Muttenz: Gemeinderat berät Massnahmen, Tramfahrer in Betreuung

Wenn Sekundenbruchteile über das Schicksal entscheiden: Am Dienstag kam zur Mittagszeit in Muttenz ein Kind unters Tram. Das Dorf steht unter Schock, auch weil derzeit ein provisorischer Schulweg genau über die Unfallstelle führt.

Haltestelle Käppeli in Muttenz, es ist Dienstagmittag. Ein Junge, zehn Jahre alt, will mit seinem Trottinett über die Gleise, realisiert nicht, dass ein Tram gerade einfährt. Es kommt zum Schlimmsten: Das Tram erfasst den Knaben. Schwer verletzt wird er geborgen, rund 70 Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Sanität standen im Einsatz. Die Tramlinie 14 war unterbrochen, die Komplettsperrung zwischen Rennbahnkreuzung und Freidorf dauerte rund ein Stunde.

In Muttenz sitzt die Betroffenheit tief. Denn genau über diese Haltestelle führt ein provisorischer Schulweg: Die Gemeinde baut derzeit ihre Primarschulhäuser um, deshalb müssen viele Kinder in ein anderes Schulhaus. «Wir sind geschockt», sagt die zuständige Gemeinderätin Franziska Stadelmann zu barfi.ch: «Wir haben den umgeleiteten Schulweg im Zuge der Schulhauswechsel mit der Polizei zusammen lange und genau eruiert.» Weitere Aussagen könne sie im Moment keine machen. Heute Mittwochnachmittag bespricht der Muttenzer Gemeinderat, ob nach dem Unfall weitere Massnahmen nötig sind.

Junge im Spital, Tram-Wagenführer in Betreuung

Der Junge schwebt mittlerweile ausser Lebensgefahr, wie der Baselbieter Polizeisprecher Adrian Gaugler bestätigt, er befände sich aber noch im Spital. Die Basler Verkehrsbetriebe zeigen sich ebenso erschüttert über den Unfall, wie Mediensprecher Benjamin Schmid sagt. «Wir wünschen den betroffenen Personen, insbesondere dem verletzten Knaben, alles Gute und beste Genesung. Gleichzeitig danken wir allen Beteiligten für ihren Einsatz.»

Der Unfall wiegt nicht nur für den schwerverletzten Primarschüler schwer. Auch der Wagenführer der BVB ist unter Schock. Wie Schmid sagt, wurde der Wagenführer im ersten Moment vom Care-Team der BVB und dem Care-Team der Polizei Basel-Landschaft betreut. Das BVB-Care-Team begleite den Wagenführer anschliessend eng weiter: «Auf Grund der Schwere des Unfalls hat die BVB heute auch die Kriseninterventionsstelle KIS des Kantons Basel-Stadt in den Prozess involviert.»

Haltestelle wird als übersichtlich erachtet

Der Wagenführer, aber auch weitere Mitarbeitende der BVB, die auf irgendeine Art in diesen Unfall involviert waren – Care-Team-Mitglieder selbst, Netzservice-Mitarbeiter und Ereignismanager –, würden so lange psychologisch begleitet, wie sie diesen Service in Anspruch nehmen möchten, so Schmid. Bei Bedarf ebenfalls unter Einbezug externer Fachkräfte.

Die Haltestelle Käppeli ist an sich übersichtlich, wie es seitens BVB und Gemeinde Muttenz heisst. Die BVB stufen den Ort als nicht besonders kritisch ein; er erlaube das Überschreiten der Gleise an der Spitze der Haltestelle mit der nötigen Vorsicht. Weitere Massnahmen wird der Gemeinderat nach seiner Mittwochnachmittagssitzung bei Bedarf erlassen.

Aufmerksamkeit an allen Übergängen

Auch die Baselland Transporte BLT reagierten geschockt auf die Nachricht. Die BLT bedienen mehrere Überlandstrecken der Region und haben ebenfalls ausreichend Erfahrung mit Unfällen. Wichtig sei, dass der Wagenführer umgehend sehr eng betreut werde. «Die Wagenführer sollen keine Angstblockade aufbauen müssen», sagt BLT-Direktor Andreas Büttiker. Ein Tram kann in solchen Fällen nur bremsen und nicht ausweichen, weshalb Wagenführer bei Unfällen besonders exponiert sind. Aber auch die Angehörigen erhalten seitens der Unternehmen Unterstützung, wo es möglich sei. 

Der Einbau von Barrieren auf den Übergängen der Überlandstrecken habe sich zudem als sehr nützlich erwiesen, wie Büttiker zudem sagt: «Die schweren und tödlichen Unfälle haben dort stark abgenommen.» Grundsätzlich sei festzustellen, dass wo ein Übergang kritisch und komplexer sei, die Menschen auch vorsichtiger seien: Man passe besser auf. Auf Strecken, die nicht als gefährlich wahrgenommen würden, komme es eher zu einem schweren Unfall. Ebenso problematisch sind Aufmerksamkeitsfresser wie Kopfhörer oder Nachrichtenschreiben am Handy: «Vor allem im städtischen Bereich ist das ein Problem», sagt Büttiker. So komme es zu vielen Beinahe-Unfällen. Grundsätzlich gilt bei jedem Schienen-Übergang: Augen auf. Denn der Fussgänger kann ausweichen; das Tram nicht.