• Nathan Leuenberger
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Schulden ihrer Eltern zwingen Jugendliche aufs Betreibungsamt

Wenn Eltern die Krankenkassenprämien ihrer Kinder nicht bezahlen, so starten die Jugendlichen ihre Volljährigkeit mit Schulden, Zahlungsbefehlen und Betreibungen. Ein dauerhaftes Problem in Basel. Und ein Skandal, wie Barfi.ch meint. 

Endlich 18. Als Geburtstagsgeschenk von den Eltern kommt gleich der erste Zahlungsbefehl des neu gewonnenen Erwachsenen-Lebens. In der Höhe der bis zur Volljährigkeit nicht bezahlten Krankenkassenprämien. «Bei uns ist das häufig ein Thema. Gefühlt viel zu häufig», sagt Susanne Koller. Koller ist Sozialarbeiterin bei der Jugendarbeit Basel (JuAr). Teil ihrer Arbeit bei der Jugendberatung ist es, sich zusammen mit den verschuldeten Jugendlichen einen Überblick über die finanzielle Situation zu verschaffen und einen Weg aus der Schuldenfalle zu suchen.

Die Umstände sind fast nicht zu glauben: Eltern nehmen die Unterhaltspflicht für ihre Kinder nicht wahr und bezahlen die Krankenkassenprämien nicht. Da aus rechtlicher Sicht das Kind versichert ist, werden diese Schulden mit der Volljährigkeit rückwirkend auf den Sprössling übertragen. So stehen die frischgebackenen Erwachsenen vor einem Schuldenberg, für den sie gar nichts können. Kinder können sich ja schlecht einen Job suchen. Die Krankenkassen schrecken nicht davor zurück, dieses Geld auch einzutreiben: «Wir haben jährlich etwa zehn Fälle von Jugendlichen, die wegen diesem Problem zu uns kommen», bestätigt Susanne Koller. Doch da sich nur ein kleiner Teil der so verschuldeten Personen bei der JuAr melden, muss die Zahl der Betroffenen um ein Mehrfaches Häher sein. Statistiken liegen keine vor. Doch da die Fälle sehr komplex seien, würden sie viel Zeit beanspruchen. Denn meist stecken die verschuldeten Kids laut Susanne Koller noch mitten in der Ausbildung und haben keine Möglichkeit, die finanziellen Mittel für einen solchen Ausstand aufzubringen. Damit beginnt ein Teufelskreis.

Schon vor der Volljährigkeit gilt ein Kind als versicherte Partei. Zwar sind die Eltern rechtlich verpflichtet für die Kosten aufzukommen. «Tatsache ist jedoch, dass die Krankenkassenprämien vom Versicherten geschuldet sind», sagt Anwalt Jascha Schneider gegenüber barfi.ch. Rechtlich gesehen, sei das Vorgehen legitim: «Wenn die Eltern ihren Pflichten nicht nachkommen und sich beim Kind dadurch Schulden auftürmen, dann kann dies zur Folge haben, dass das Kind mündig wird und mit Schulden ins Leben startet.»

Trotz der von der Jugendarbeit Basel (JuAr) festgestellten bedrohenden Zunahme dieser Fälle, besteht bei den von barfi.ch befragten Krankenkassen kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Die Concordia belässt die Schuldforderungen weiter bei den Eltern, wie Mediensprecherin Astrid Brändlin sagt. «Die Concordia belangt Jugendliche nur für Forderungen, welche nach deren Volljährigkeit angefallen sind.» Auch die KPT und Sympany treiben das ausstehende Geld beim bisherigen gesetzlichen Verantwortlichen ein. Sympany weist darauf hin, dass Kinder und Jugendliche bei ihr normalerweise in einer Familienpolice versichert sind: «Bis zur Volljährigkeit sind die Eltern für die Schulden ihrer minderjährigen Kinder verantwortlich, weshalb auch keine Schulden auf die nun volljährigen Kinder übertragen werden müssen», so Mediensprecherin Jaqueline Perregaux. Die Sympany verschickt beim Erreichen der Mündigkeit ein Informationsschreiben, das auf den neuen Status hinweist und die Möglichkeit des Austritts aus der Familienpolice anspricht.

Jedoch nicht alle Krankenkassen handeln so. Manche, zum Beispiel die Groupe Mutuel, schwenken beim Erreichen der Volljährigkeit sofort um. «Die rechtliche Grundlage ist klar und ich kann es mir nicht anders vorstellen», sagt ihr Mediensprecher Christian Feldhausen. So kommt es zu den Schuldenbergen, vor denen die Jugendlichen auf einen Schlag stehen. Feldhausen führt das System der Groupe Mutuel weiter aus: «Sobald ein Versicherter aber 18 Jahre alt wird, wird er auch – unabhängig von seiner persönlichen Lebenssituation – Schuldner der Krankenversicherungsprämien. Unser Informatiksystem ändert automatisch die Rechnungserstellung auf seinen Nahmen entsprechend um. Damit richten sich bei Nichtbezahlung der Prämien auch alle Inkassomassnahmen für unbezahlte Prämien ab dem 18. Lebensjahr nunmehr an den volljährigen Versicherten.»

Für jene, die in der Schuldenfalle landen, gibt es trotz allem Hoffnung: «Bis zum Abschluss der Erstausbildung haben die Kinder Anspruch auf Unterhalt der Eltern», bestätigt Patrick Fassbind von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Basel-Stadt. Es sei den Sprösslingen rechtlich möglich diesen Unterhalt gerichtlich einzufordern und darauf zu hoffen, so die erdrückenden Schulden loszuwerden. Doch welches Kind will schon seine eigenen Eltern vor den Richter zerren?