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  • Andy Strässle
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Schwarze Liste für Lehrer. Ihre ganze Vergangenheit landet für immer in einem Topf, Basel bleibt zurückhaltend

Tiefer Fall eines Schweizer Vorzeigepädagogen: Jürg Jegge gibt den Missbrauch von ihm schutzbefohlenen Kindern zu. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Empörungswelle rollt. Zu Recht. Und der Schrei nach Nulltoleranz wird lauter. Tatsache ist, die Kantone checken Pädagogen und Lehrer immer genauer ab. Das ist dringend nötig, kann aber für Anwärter auf ein Lehramt der Vorverurteilung mit Berufsverbot für den Rest ihres Lebens bedeuten.

Nach der weltweiten Polizeiaktion «Genesis» bei der die Kreditkarten mutmasslicher Täter geprüft worden waren und in der Schweiz rund 70 Lehrer und Pädagogen wegen verbotener Pornografie angeklagt wurden, entschlossen sich die Erziehungsdirektionen der Kantone (EKD) 2008 eine «Schwarze Liste» einzuführen. Die Liste sollte verhindern, dass verdächtige Pädagogen wieder Arbeit finden.

Kindesmissbrauch oder der Konsum von Kinderpornographie sind im Umgang mit Kindern unverzeihlich. Bei der meist emotional geführten Diskussion besteht die Gefahr, dass jegliche Differenzierungen verlorengeht. So arbeitet beispielsweise nicht jede Lehrerin, jeder Lehrer mit kleinen Kindern. Und am Ende stehen die Beschuldigten lebenslang am Pranger. Dies gilt besonders seit Richter 2015 das Recht bekommen haben, Berufsverbote auszusprechen. 

Zürich besonders fleissig

Besonders fleissig scheint Zürich Lehrer auf die Schwarze Liste zu setzen. Im Moment sind es 38. Dabei werden alle strafrechtlichen Tatbestände berücksichtigt. Es könnten also auch Lehrer darauf landen, die einmal Suchtprobleme gehabt haben. In der Hälfte der Fälle ginge es um Pornografie. Bei der zweiten Hälfte handle es sich um unterschiedliche Vergehen. Allerdings räumt die Erziehungsdirektion gegenüber dem Sonntagsblick ein, dass die Fälle teilweise «schon Jahre» zurückliegen würden.

Basel dagegen hat im Moment keinen einzigen Lehrer der schwarzen Liste gemeldet. Dafür sind die Abklärungen vor einer Anstellung tiefgreifend. So muss die zukünftige Lehrperson zuerst einen Leumund abliefern. Gibt dieser Anlass zu Bedenken, so muss der Kandidat einen «Sonderprivatauszug» abliefern, auf dem die Natur seiner Vergehen ersichtlich ist. Das Anfordern dieser Auszüge unterliegt einem regelrechten Boom. Vor zwei Jahren wurden in Bern noch 17'600 solcher Auszüge bestellt. Im vergangenen Jahr waren es schon beinahe doppelt so viele.

Kindsmissbrauch und Suchtprobleme in einen Topf geworfen

Auf Anfrage von barfi.ch meint eine Gym-Lehrerin die Schwarze Liste sei eine Vorverurteilung. Auch sei es eine Schweinerei, dass psychische Krankheiten, Suchtprobleme und sexueller Missbrauch in einen Topf geworfen werden. «Der Umgang mit sexuellen Übergriffen ist gesellschaftlich immer problematisch, aber am Ende muss man berücksichtigen, dass nicht alle Delikte gleich gravierend sind.» Ein Kollege von ihr meint, während es verständlich sei, dass man mit aller Härte gegen Kinderpornografie und Kindesmissbrauch vorgehe, so sei es wenig sinnvoll einen ganzen Berufsstand zu verurteilen. Er empfindet es auch, als schwierig, dass alle Vergehen an den gleichen Pranger gestellt werden. «Eine Sucht etwa kann man überwinden, wenn man da auf einer schwarzen Liste landet bekommt man einfach keine Chance mehr. Egal, ob man ein guter Lehrer ist.»

Am Ende lässt sich nicht sagen, ob Basler Lehrer braver sind, als diejenigen aus Zürich oder Aarau. Klar wird schnell, die schwarze Liste der Kantone funktioniert undifferenziert und hat die Wirkung eines Prangers. Für einmal scheint es tröstlich, dass Basel äusserst gründlich, aber im Urteil ebenso verantwortungsvoll agiert.

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