Bild: barfi.ch
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  • Jonas Egli
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Second-Hand verdient einen zweiten Blick, sagt die Chemiserie

Die Chemiserie+ an der Klybeckstrasse entstaubt die Second-Hand-Kleidung und bietet seit Anfang April einen Laden für gebrauchte, aber ausgewählte Stücke. Auch kann man seine alten Sachen eintauschen. Wir haben die Besitzerin Kimberley Wichmann getroffen.

An der Klybeckstrasse 50, inmitten der quartiertypischen Ramschläden und fernab der Labels an der Feldbergstrasse hat sich eine schmucke Boutique eingerichtet. Unter dem Namen Chemiserie+verkauft Kimberley Wichmann keine Neuware, sondern Kleidung aus zweiter Hand und ist trotzdem nicht die Kleiderecke in der Brocki, wo man sich noch in letzter Sekunde für die Bad-Taste-Party eindeckt. Es handelt sich um ausgewählte Stücke. Wichmann kauft die doch nicht mehr so heiss geliebten Lieblingsstücke ab, gegen Geld oder einen Einkaufsgutschein im Laden. Und so findet man auch mal einen Pulli einer italienischen Nobelmarke für ein Zwanzigernötli am quietschenden Bügel.

Kimberley Wichmann. Bild: barfi.ch

Das Ziel: Second-Hand entstauben

In Basel ist Second-Hand bis heute in der Muffelecke verblieben. Die Chemiserie+ möchte dieses Misstrauen abbauen. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte sie selbst auch Hemmungen, Kleider anzuziehen, die zuvor schon jemand anderes getragen hat. «Man ist sich gewohnt, dass alles neu ist,» sagt die 36-jährige Architektin. Sie selbst findet Kleiderkaufen in einer Brocki nicht toll: «Es kommt darauf an, wie man’s macht.»

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Vom Surfstrand zur Claramatte

Die Idee hatte sie während einer Reise von Chile nach Kalifornien, wo Wichmann die dortige Second-Hand-Kultur für sich entdeckte. Statt altem Einheits-Ramsch fand sie Markenteile aus den 80er-Jahren, Einzel- und Liebhaberstücke. Das Stöbern nach tollen Teilen wurde neben dem Surfen bald zu einem Hobby: In jedem Dorf fand sie Second-Hand-Shops wie es hier Apotheken gibt. Erst gegen Ende fiel aber der Groschen: Diese Läden kauften ihr die alten Kleider auch ab, die sie nicht mehr im Flugzeug zurück mitnehmen konnte. «Dann liess es mich nicht mehr los. Zu Hause kaufte ich einer Freundin einen Grundstock an Kleidern ab und begann, Tausch-Events bei mir zu Hause zu machen.»

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Die erste richtige Probe fand dann während einer Zwischennutzung an der Klybeckstrasse weiter nördlich statt. Der Monat verlief erfolgreich, doch an der gewünschten Klybeckstrasse war nichts frei. Also zog sie an die Claramatte. So etwas wie Laufkundschaft gab es dort kaum, das Ganze war «höchstens eine Nullrechnung». Die Freude ging trotzdem nicht verloren. 

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Neue Lage, neues Glück

Plötzlich bot sich die Gelegenheit: Ein Eckladen in Kasernennähe wurde frei, zwischen Sozialamt und den ewigen Döner- und Hochzeitskleiderläden. Wichmann nutzte die Chance. Sie mag die Durchmischung und ist auch bereit, dafür etwas mehr Miete zu bezahlen als zum Beispiel an der Feldbergstrasse.

Denn dorthin wollte sie nicht. Zwischen der Kreuzung und der Johanniterbrücke gibt es bereits eine ganze Reihe schicker Boutiquen und lokaler Labels, ein Second-Hand-Laden hätte dort einen schweren Stand gehabt. Und eine andere Kundschaft: «Die kaufen kaum ein, die bringen eher was.»

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Man muss auch Nein sagen können

Wie sehr sich die Menschen mit den eigenen Kleidern identifizieren, zeigt sich auch, wenn sie sie weggeben wollen. Wichmann muss wählerisch bleiben und nicht alle verstehen das: «Die Leute nehmen dies dann ziemlich persönlich, wenn ich ihre Kleider ablehne. Als würde ich damit ihren Stil kritisieren,» sagt sie schmunzelnd.

Der Laden, den sie alleine in Teilzeit führt, ist für sie ein Ausgleich zur Arbeit im Architekturbüro. Und es ist der eigentliche Test: «Ob es funktioniert, wird sich noch zeigen,» sagt Wichmann, während laufend Leute den Laden betreten, stöbern und einzelne Kleidungsstücke aus den Ständern fischen. Jemand bringt ein Kleid zu ihr, es besteht aus lauter breiten, grünen Stoffbändern, und zusammen versuchen sie, das Rätsel der richtigen Schlauf- und Kontentechnik zu lösen, die das kryptische Stück aufgibt. Die Käuferin wird einen gordischen Knoten nach Hause bringen.